BT-Drucksache 17/10033

Missstände bei im deutschen Auftrag tätigen Sicherheitsunternehmen in Afghanistan

Vom 14. Juni 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10033
17. Wahlperiode 14. 06. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Katja Keul, Volker Beck (Köln),
Marieluise Beck (Bremen), Agnes Brugger, Viola von Cramon-Taubadel,
Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Ute Koczy, Tom Koenigs, Kerstin Müller (Köln),
Omid Nouripour, Lisa Paus, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin,
Dr. Frithjof Schmidt und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Missstände bei im deutschen Auftrag tätigen Sicherheitsunternehmen
in Afghanistan

Die Antwort der Bundesregierung vom 26. Oktober 2010 auf die entsprechende
Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestags-
drucksache 17/3559 erscheint nach neueren Erkenntnissen teils unzutreffend.

Private Sicherheitsunternehmen in Afghanistan werden für die Bundesregierung
beauftragt und durch deutsche Steuergelder finanziert, zum Beispiel im Rahmen
der deutsch-afghanischen Entwicklungszusammenarbeit durch die Regierungs-
organisation Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ)
GmbH (bis 31. Dezember 2010: Deutsche Gesellschaft für Technische Zusam-
menarbeit (GTZ) GmbH) sowie zur Umsetzung von Stabilisierungsmaßnahmen
des Auswärtigen Amts.

Ferner beschäftigt die Bundesregierung im Ausland nach unabhängigen Unter-
suchungen eine nicht unerhebliche Zahl von Einzelpersonen für Schutz- und
Wachzwecke, über deren Tätigkeit und Vertragsverhältnisse bisher kaum etwas
bekannt ist.

Außerdem ist aufzuklären, ob und wie die Bundesregierung sicherstellt, dass
von ihr beschäftigte private Sicherheitsunternehmen oder Einzelpersonen das
nationale Recht des Tätigkeitslandes einhalten, wenn vor Ort nicht gewährleistet
ist, dass die nationalen Regierungen in der Lage sind, ihre eigenen Gesetze
effektiv zu implementieren.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Hinweise sind der Bundesregierung bekannt, dass eine oder mehrere
durch deutsche Durchführungsorganisationen beauftragte private Sicher-
heitsfirmen oder deren Personal während bestehender Vertragsverhältnisse
gegen afghanisches oder internationales Recht verstoßen haben?
2. Welche diesbezüglichen Hinweise hat die Bundesregierung insbesondere zu
folgenden Unternehmen:

a) Saladin Security Afghanistan Ltd. (Kabul),

b) KABORA Security Services (Kabul),

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c) L.A.N.T. Defence GmbH bzw. seit April 2012 TORQ GmbH (in Engen/
Konstanz),

d) SERVCOR, LLC. (Texas/Kandahar),

e) Asia Security Group (Oruzgan/Afghanistan),

f) EXOP GmbH (in Engen/Konstanz),

g) Edinburgh International (Großbritannien) und

h) TOR International (Australien), dem früheren Schutzdienstleister der da-
maligen GTZ in Afghanistan?

3. a) Trifft es zu, dass nach dem Recht Afghanistans dort die durch deutsche
Durchführungsorganisationen beauftragten ausländischen Sicherheitsun-
ternehmen (wie L.A.N.T. Defence GmbH, EXOP GmbH oder Servcor)
kein bewaffnetes Personal beschäftigen und keine Funkkommunikation
betreiben dürfen?

b) Wenn ja, welche Schutzleistungen und -wirkungen können diese Unter-
nehmen dann den deutschen Durchführungsorganisationen überhaupt bie-
ten?

4. Durch welche Überprüfungsverfahren stellen die Durchführungsorganisatio-
nen sicher, dass von ihnen beauftragte oder zu beauftragende private Sicher-
heitsdienstleister nicht in illegale Handlungen nach afghanischem oder inter-
nationalem Recht verwickelt sind oder waren?

5. Durch welche Maßnahmen und Verfahren wird bei der Auftragsvergabe an
private Sicherheitsdienstleister durch bzw. zugunsten deutscher Durchfüh-
rungsorganisationen die Einhaltung folgender Ausschreibungskriterien je-
weils überprüft (bitte differenziert beantworten):

a) Einhaltung aller nationalen und völkerrechtlichen Normen und Gesetze,

b) Nachweis und kompetente Beurteilung von Qualifikationen des Unterneh-
menspersonals und

c) Validität der bei der Bewerbung angegebenen Referenzprojekte, um eine
mögliche Angabe falscher Referenzen zu verhindern?

6. Durch welche Überprüfungsmaßnahmen und Verfahren stellen die deutschen
Durchführungsorganisationen in Afghanistan sicher, dass im Fall personeller
Veränderungen bei den von ihnen beauftragten privaten Sicherheitsunterneh-
men auch neues bzw. nachrückendes nationales und internationales Personal
ausreichend qualifiziert ist?

7. a) Sind der Bundesregierung Berichte in Medien oder anderswoher bekannt,
wonach die US-Regierung in Afghanistan, Pakistan bzw. im Grenzgebiet
mithilfe privater Sicherheitsdienstleister Aufklärung durchführte nach ter-
roristischen Akteuren wie Osama bin Laden?

b) Welche Details sind der Bundesregierung hierzu bekannt?

c) Wurden dabei auch in Frage 2 genannte Unternehmen tätig, und wenn ja,
welche?

8. a) Bedienten sich – jenseits des Bundesnachrichtendienstes (vgl. Antwort der
Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 17/3559, Frage 18) – auch Stellen
der Bundeswehr in Pakistan bzw. im afghanisch-pakistanischen Grenz-
gebiet seit 2001 privater Dienstleister (Firmen, Einzelpersonen) für Auf-
klärung, Informationsbeschaffung oder andere nachrichtendienstliche
Zwecke?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10033

b) Wenn ja,

a) wie viele Unternehmen, Milizen/Verbände und Personen,

b) wie viele davon deutsche, und wie viele aus welchen anderen Staaten,

c) welchen Unternehmen, Personen, Milizen o. Ä., vor allem der in
Frage 2 genannten,

d) jeweils in welchen Zeiträumen seit dem Jahr 2001,

e) jeweils für welche Aufgaben und

f) jeweils gegen welche Bezahlung bzw. geldwerte Vorteile?

g) Wie stellte die Bundeswehr die Kontrolle der Auftragnehmer sicher?

9. a) Hat sich nach Auffassung der Bundesregierung das gemeinsame Risiko-
managementsystem bewährt, wonach das Risk Management Office
(RMO) der GTZ bzw. GIZ Aufträge auch für die deutschen Durchfüh-
rungsorganisationen, wie vormals der Deutsche Entwicklungsdienst
(DED), InWEnt (Internationale Weiterbildung und Entwicklung ge-
meinnützige GmbH) und KfW Bankengruppe vergab?

b) Welche Schwachstellen und Nachteile dieses Systems hat die Bundes-
regierung erkannt?

c) In welchen weiteren Staaten (etwa Irak) praktizieren GIZ und Durchfüh-
rungsorganisationen wie die KfW Bankengruppe inzwischen das RMO-
Modell?

10. Inwieweit trifft nach Kenntnis der Bundesregierung bzgl. des Unterneh-
mens L. D. zu, dass

a) dieses Unternehmen durch zwei ehemalige KSK-Angehörige (KSK =
Kommando Spezialkräfte), Sven W. und Alexander S., geführt wird (vgl.
Berliner Zeitung vom 9. Juli 2009, S. 3 „Kurze Dienstwege“), die
zugleich Gesellschafter des Unternehmens E. sind, Letzterer auch deren
Geschäftsführer;

b) dieses Unternehmen – entgegen der Antwort der Bundesregierung auf
die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bun-
destagsdrucksache 17/3559, Frage 4 – keine erforderliche Lizenz der
afghanischen Regierung hatte und hat, nicht allein tätig werden sowie
keine Waffen verwenden darf und insoweit nur auftreten darf als
Subpartner eines lizensierten Unternehmens, wie bisher vom Unterneh-
men K.;

c) das Unternehmen K. die vom Unternehmen L. D. – vermutlich mit Geld
deutscher Auftraggeber zur Erfüllung allein von deren Aufträgen – aus-
gebildeten Afghanen auch bei anderen vom Unternehmen K. betreuten
Projekten einsetzt;

d) Mitte November 2010 das Unternehmen E. dieses Unternehmen de facto
übernahm, u. a. nun an gemeinsamen neuen Geschäftssitz in Konstanz;

e) das Unternehmen L. D. – wie wohl ohne Lizenz – sich um den Auftrag
zum Schutz der deutschen Botschaft in Kabul bewarb, aber gegen das
Unternehmen S. unterlag;

f) das Unternehmen L. D. über „gute Verbindungen zur GTZ-Abteilung
Risk Management“ verfügt (so die Berliner Zeitung vom 9. Juli 2009
aaO.)?

g) Zu wem bestehen dort diese guten Verbindungen: etwa zu dem in Afgha-

nistan damals als „Country Risk Management Officer“ der GTZ amtie-
renden, in Frage 11 genannten Maik Sch.?

Drucksache 17/10033 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

h) Welche Anhaltspunkte hat die Bundesregierung, dass unter Umständen
Vertreter der in Frage 2 genannten Unternehmen, insbesondere der Un-
ternehmen L. D. bzw. E., sich entgegen §§ 298 bis 300, 331 bis 335 des
Strafgesetzbuchs (StGB) und § 1 bis 4 des Gesetzes zur Bekämpfung
internationaler Bestechung (IntBestG) wettbewerbsbeschränkend oder
korruptiv verhielten, insbesondere zu solchen Zwecken, Personen bei
deutschen Stellen, wie etwa der GTZ/GIZ, geldwerte Vorteile gewähr-
ten?

i) Inwieweit trifft es zu, dass der im Juni 2009 entlassene Bundeswehr-
elitesoldat Rouven B., der sodann als Mitarbeiter des Sicherheitsdienst-
leisters E. I. am 2. Juli 2010 in Kabul vor einer spionageverdächtigen
US-Einrichtung getötet wurde (vgl. FOCUS vom 16. August 2010), zu-
vor für eines der in Frage 2 genannten Unternehmen tätig war oder wer-
den wollte, gegebenenfalls für welches?

j) Wie ist die Validität der vom Unternehmen L. D. angegebenen Referen-
zen überprüft worden, und zu welchem Ergebnis hat diese Überprüfung
geführt?

11. Inwieweit trifft nach Kenntnis der Bundesregierung bezüglich des – zumin-
dest bis Ende 2010 in Afghanistan als Country Risk Management Officer
(RMO) der GTZ/GIZ amtierenden – Maik Sch., eines früheren Ge-
sprächsaufklärers der Feldnachrichtenkräfte der Bundeswehr zu,

a) dass dieser inkl. bis Januar 2012 parallel ein Sicherheitsunternehmen A.
auf eigene Rechnung betrieb (hiernach nur noch dies);

mit Kenntnis, Billigung und Nebentätigkeitsgenehmigung der GTZ/
GIZ;

b) dass dieser entweder selbst oder durch einen Mittelsmann vor Ablauf der
Ausschreibungsfrist des neuen GTZ-Schutzauftrags für die deutschen
Durchführungsorganisationen Ende 2009 dem Sven W. vom Unterneh-
men L. D. vertrauliche Inhalte des Angebots des Mitbewerbers T. A. zu-
kommen ließ, damit das Unternehmen L. D. noch kurzfristig ein günsti-
geres Gebot einreichen konnte?

c) Gewährten in Zusammenhang hiermit Sven W. oder andere Vertreter
vom Unternehmen L. D. Maik Sch. bzw. dessen Geheißpersonen geld-
werte Vorteile?

d) Hielt die Bundesregierung Maik Sch. bis zu dessen Ausscheiden aus der
GIZ Ende Januar 2012 für geeignet, wie geplant das RMO-Modell in an-
deren Staaten für die GTZ/GIZ zu repräsentieren?

e) Aus welchen Gründen entließ die GIZ Maik Sch. Ende Januar 2012 bzw.
trennte sie sich von ihm?

12. a) Welche Kriterien haben zur Vertragsvergabe an das Unternehmen L. D.
geführt, obwohl das erst 2007 gegründete Unternehmen bezüglich
Größe, Erfahrungshintergrund und Qualifikation des Personals unter-
halb üblicher Offiziersdienstgrade offenbar deutlich hinter den interna-
tionalen Mitbewerbern zurückstand?

b) Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Vertragsvergabe an
das Unternehmen L. D. unter diesen Bedingungen eine ungewöhnliche
Entscheidung war?

c) Aufgrund welcher Umstände wurde das GTZ-interne Vergabeverfahren
für den Rahmenvertrag in Afghanistan zunächst gestoppt, jener sodann
neu ausgeschrieben und letztlich an das Unternehmen L. D. vergeben?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/10033

13. Welche privaten Sicherheitsunternehmen beschäftigt die Bundesregierung
nebst nachgeordnetem Bereich – vor allem der GIZ – für je welche Zwecke

a) aktuell in Afghanistan und

b) insbesondere aus den in Frage 2 genannten Unternehmen seit 2011 in
welchen Staaten?

14. In welchen Ländern beschäftigt die Bundesregierung nebst nachgeordne-
tem Bereich Einzelpersonen für Schutz- und Wachzwecke (bitte jeweils
nach Anzahl und Aufgabenbereiche aufschlüsseln)?

15. Wie sichert die Bundesregierung eine regelmäßige Analyse der von priva-
ten Sicherheitsunternehmen oder für Schutz und Wachzwecke beschäftig-
ten Einzelpersonen erbrachten Leistungen und deren Kosteneffizienz?

16. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass die von ihr nebst nachgeordne-
tem Bereich beschäftigten Sicherheitsunternehmen oder die für Schutz- und
Wachzwecke beschäftigten Einzelpersonen ihre Tätigkeit in Übereinstim-
mung mit internationalem und dem jeweils nationalen Recht verrichten?

17. Welche Gründe stehen aus Sicht der Bundesregierung weiterhin dagegen,
die Unterzeichnung des International Code of Conduct for Private Security
Service Providers (ICoC), dem mittlerweile weltweit über 350 Sicherheits-
unternehmen beigetreten sind, zur Voraussetzung und seinen Inhalt zum in-
tegralen Bestandteil ihrer Vertragsverhältnisse mit Sicherheitsunternehmen
zu machen?

Berlin, den 14. Juni 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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