BT-Drucksache 16/983

Aktuelle Lage in Usbekistan

Vom 15. März 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/983
16. Wahlperiode 15. 03. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Dr. Uschi Eid,
Thilo Hoppe, Ute Koczy, Winfried Nachtwei, Claudia Roth (Augsburg),
Rainder Steenblock, Jürgen Trittin und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Aktuelle Lage in Usbekistan

Das Regime des Präsidenten Islam Karimow verletzt massiv und systematisch
die Menschenrechte. Demokratie und Rechtsstaat existieren nicht. Die unver-
hältnismäßigen und wahllosen Reaktionen der usbekischen Regierung auf die
Unruhen von Andijan im Mai haben deutlich gemacht, mit welcher Brutalität
das Regime in Usbekistan vorgeht. Hunderte der Demonstranten wurden von
den Sicherheitsdiensten getötet. Die usbekische Regierung weigert sich weiter-
hin, die Vorfälle in Andijan aus dem Jahr 2005 von einer unabhängigen
internationalen Kommission untersuchen zu lassen. Die Prozesse gegen die an-
geblichen Unruhestifter im Oktober und November 2005 beruhten auf erpress-
ten Geständnissen und fanden weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit
statt. Sie verstießen damit gegen jegliche rechtsstaatliche Grundsätze.

Die Berichterstattung der Medien in Usbekistan ist einseitig und der Zugang zu
Informationsquellen wie dem Internet ist nur beschränkt möglich. Seit den Er-
eignissen in Andijan ist die Zensur noch verschärft worden. Internetseiten der
Opposition und Nachrichtenseiten können nicht abgerufen werden. Die Arbeit
usbekischer, aber auch internationaler, gesellschaftlicher Organisationen ist
durch staatliche Repressionen massiv beeinträchtigt. Die Entwicklung einer
Zivilgesellschaft und einer demokratischen Opposition werden damit weiter er-
schwert. Eine Reihe ausländischer Medien musste zudem im letzten Jahr das
Land verlassen.

Nach den Vorfällen in Andijan sind viele Menschen aus Usbekistan in benach-
barte Staaten geflohen. Vor allem in Kirgisien und Kasachstan halten sich nach
wie vor viele Flüchtlinge aus Furcht vor einer Überführung zurück nach Usbe-
kistan und einer dortigen Verfolgung versteckt. Auch in der Russischen Födera-
tion und anderen Staaten der GUS sollen sich Flüchtlinge befinden. Der UNHCR
hat Kasachstan und die Ukraine aufgefordert, keine Flüchtlinge nach Usbekistan
zurückzuführen. Gleichwohl finden solche Rückführungen statt.

Die International Crisis Group bezeichnete in einem Bericht von Mitte Februar
2006 Usbekistan angesichts der Unruhen von Andijan und der gewalttätigen Re-

aktionen der Regierung als Gefahr für die Stabilität der gesamten Zentralasiati-
schen Region.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die massive Beschrän-
kung der Aktivitäten von lokalen und internationalen Nichtregierungsorgani-
sationen in Usbekistan?

Drucksache 16/983 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Wie sind diese Einschränkungen auch gesetzlich verankert?

Welche internationalen Nichtregierungsorganisationen können noch in Usbe-
kistan arbeiten?

2. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Verhaftung und Verur-
teilung Oppositioneller und Menschenrechtsaktivisten?

Besteht nach Auffassung der Bundesregierung ein Zusammenhang zwischen
den Schließungen ausländischer Medien und der Forderung, die Vorfälle von
Andijan aufzuklären?

3. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung zu der Anzahl an nicht öf-
fentlichen Prozessen zu Andijan vor?

Wie viele Verurteilungen gab es in diesen Verfahren?

Welche Strafen sind verhängt worden?

a) Über welche Kenntnisse verfügt die Bundesregierung bezüglich der Situ-
ation in den Gefängnissen in Usbekistan?

b) In welcher Form vermittelt die Bundesregierung der usbekischen Regie-
rung die Forderung, eine unabhängige Untersuchungskommission zu An-
dijan zu zulassen?

4. In welcher Form setzt sich die Bundesregierung bilateral und im Rahmen
multilateraler Initiativen dafür ein, dass Staaten der GUS und andere Staaten
Flüchtlinge aus Usbekistan nicht nach Usbekistan zurückführen?

5. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den Ermittlungsstand zu
dem früheren Innenminister Usbekistans Zakirjon Almatov, gegen den beim
Bundesgeneralstaatsanwalt Kay Nehm Klage eingereicht worden war?

6. Gibt es zu dem zwischen dem Parlamentarischen Staatssekretär beim Bun-
desminister der Verteidigung, Dr. Friedbert Pflüger, und der usbekischen Re-
gierung vereinbarten Dialog über Menschenrechte und Demokratie ange-
sichts des Auslaufens der EU-Sanktionen gegen Usbekistan im November
2006 konkrete zeitliche und inhaltliche Zielvereinbarungen?

a) Wer ist auf beiden Seiten an diesem Dialog beteiligt?

Werden in diesen Dialog auch zivilgesellschaftliche Akteure einbezogen?

b) Welche Zugeständnisse hat die usbekische Regierung bisher im Rahmen
dieses Dialogs gemacht und umgesetzt?

7. Fördert die Bundesregierung Projekte zur Unterstützung von rechtsstaatli-
chen Prozessen, und wenn ja, welche?

8. Gibt es konkrete Pläne, den von Deutschland unterhaltenen Militärstützpunkt
in Termes zugunsten eines neuen Standortes in einem anderen Land aufzuge-
ben?

9. Wie wird die von der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der Übernah-
me der Ratspräsidentschaft 2007 geplante Partnerschaft mit den Zentralasia-
tischen Staaten konkret ausgestaltet sein, und inwiefern werden menschen-
rechtliche Probleme in diesen Ländern adressiert werden?

Berlin, den 8. März 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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