BT-Drucksache 16/9716

Aktuelle Menschenrechtslage in Iran - Neues Straf- und Familienrecht

Vom 20. Juni 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9716
16. Wahlperiode 20. 06. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Alexander
Bonde, Dr. Uschi Eid, Thilo Hoppe, Ute Koczy, Kerstin Müller (Köln), Winfried
Nachtwei, Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Irmingard
Schewe-Gerigk, Rainder Steenblock, Silke Stokar von Neuforn, Jürgen Trittin
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Aktuelle Menschenrechtslage in Iran – Neues Straf- und Familienrecht

Die Aufmerksamkeit in der Iranpolitik seitens der internationalen Gemein-
schaft liegt weiterhin auf dem iranischen Atomprogramm und den Befürchtun-
gen hinsichtlich einer möglichen militärischen Nutzung. Zugleich gibt die
Menschenrechtslage im Iran weiterhin großen Anlass zur Sorge. Allerdings fin-
den auch innerhalb Irans Debatten über Gesetze im Familien- und Strafrecht
statt.

Im Bereich des Strafrechts wurden nun Änderungen beschlossen, die jedoch
keine Verbesserungen beinhalten. Steinigung bleibt als Strafe für Ehebruch
bestehen, obwohl die iranische Justiz die Vollstreckung ausgesetzt hat und reli-
giöse Gelehrte wie Ayatollah Sane’i diese Strafe kritisiert haben. Auch die Hin-
richtung von Minderjährigen und von zur Tatzeit Minderjährigen wird in der
Vorlage nicht ausgeschlossen, Frauen unterliegen ab 9 Jahren dem Erwachse-
nenstrafrecht. Im iranischen Familienrecht soll eine Regelung rückgängig ge-
macht werden, die bei Vielehen die Zustimmung der ersten Frau voraussetzte.

Der Druck gegen Frauenrechtsaktivistinnen in Iran hält an. Entsprechende Inter-
netseiten werden gesperrt, zuletzt wurde die renommierte Zeitschrift Zanan
(Frauen) verboten und es wurden weitere Aktivistinnen verhaftet. An den irani-
schen Universitäten sollen Quoten zu Lasten der Studentinnen eingeführt wer-
den, um den bisherigen hohen Frauenanteil von 51 Prozent an den Universitäten
zu senken.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die systematische Diskri-
minierung von Frauen in Iran und die Einschränkung von Frauenrechtsakti-
vistinnen?

Aufgrund welcher Rechtsquellen werden Frauen in Iran diskriminiert?
2. Wie bewertet die Bundesregierung den dem iranischen Parlament vorliegen-
den Gesetzentwurf über den „Schutz der Familie“ in Bezug auf Frauen-
rechte, insbesondere im Hinblick auf diskutierte Änderungen der Bestim-
mungen über Polygamie, Zeitehe und Scheidungsrecht?

3. In welcher Weise versucht die Bundesregierung zu einer Stärkung der
Rechte von Frauen in Iran beizutragen?

Drucksache 16/9716 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

4. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über diskutierte und erfolgte
Änderungen in den Bekleidungsvorschriften für Frauen?

5. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über Frauenrechtsaktivistinnen,
die sich in Iran derzeit in Haft befinden?

6. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Quotierung von
Studienplätzen für Frauen in Iran?

Für welche Fächer gilt dies, und wie wird dies durch die iranische Regie-
rung begründet?

7. In welcher Weise droht durch die Quotierung eine Beeinträchtigung der
Chancengleichheit von Frauen in der bi- und multilateralen internationalen
Bildungszusammenarbeit?

Wie hoch ist der Frauenanteil unter iranischen Studierenden in Deutsch-
land?

8. Welche Information hat die Bundesregierung über Medien in Iran, welche
die Frauenrechte thematisieren?

9. Welche Information hat die Bundesregierung über die Aktivitäten der irani-
schen „Campaign for Equality“ (Eine-Millionen-Unterschriften-Kampagne)
in- und außerhalb Irans?

10. Wie bewertet die Bundesregierung die Neuvorlage für eine Reform des
iranischen Strafrechts insbesondere in Bezug auf die Abschaffung von
Steinigung und der Hinrichtung Minderjähriger oder zur Tatzeit Minder-
jähriger, eine mögliche Aussetzung der Todesstrafe und eine Harmonisie-
rung mit den von Iran unterzeichneten internationalen Verträgen?

11. Welche Informationen hat die Bundesregierung über inneriranische Kritik
an der Praxis von Steinigungen und Hinrichtung von Minderjährigen oder
von solchen Verurteilten, die zur Tatzeit minderjährig waren?

Inwieweit werden die Bestimmungen des Chefs der iranischen Justiz
Shahroudi zur Aussetzung von Gerichtsentscheiden über Steinigung und
willkürlichen Verhaftungen angewendet?

12. Wie viele Minderjährige oder zur Tatzeit Minderjährige wurden nach Er-
kenntnissen der Bundesregierung in den letzten zwei Jahren hingerichtet,
wie viele sind zurzeit noch als zum Tode Verurteilte inhaftiert?

13. Wie beurteilt die Bundesregierung besonders grausame Formen der Voll-
streckung der Todesstrafe, wie das Ersticken durch langsames Aufhängen
an Kränen?

Sind diese von den Strafrechtsreformen berührt, und wenn ja, wie?

14. Wann und auf welche Weise hat die Bundesregierung diese Praxis der
Todesstrafe gegenüber der iranischen Regierung angesprochen, und was
waren die Reaktionen der iranischen Regierung darauf?

15. Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, dass Homosexuelle in
Iran zum Tode verurteilt werden, obwohl die Todesstrafe nur bei schwe-
ren Verbrechen verhängt werden darf, und welche Verbesserungen/Ver-
schlechterungen sind durch die Reformen für Homosexuelle in Iran zu er-
warten?

16. Wie reagiert die iranische Regierung auf den Vorwurf, durch die Diskrimi-
nierung und Kriminalisierung von Homosexuellen den vom Iran ratifizier-
ten Zivilpakt zu verletzen (vgl. Toonen vs. Australien 1991), und hat die
Bundesregierung dieses gegenüber dem Iran angesprochen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/9716

17. Welche Auswirkungen haben die jüngsten Strafgesetzbuchänderungen zum
Tatbestand Apostasie auf die Baha’i in Iran?

18. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Proteste religiöser Ge-
lehrter an der Regierungspolitik in menschenrechtlich relevanten Fragen
wie z. B. der Durchführung von Steinigungen?

Berlin, den 20. Juni 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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