BT-Drucksache 16/9708

Angebot an die namibische Nationalversammlung für einen Parlamentarierdialog zur Versöhnungsfrage

Vom 23. Juni 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9708
16. Wahlperiode 23. 06. 2008

Antrag
der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln), Dr. Uschi Eid, Ute Koczy, Marieluise Beck
(Bremen), Volker Beck (Köln), Alexander Bonde, Thilo Hoppe, Winfried Nachtwei,
Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Rainder Steenblock,
Jürgen Trittin und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Angebot an die namibische Nationalversammlung für einen Parlamentarierdialog
zur Versöhnungsfrage

Der Bundestag wolle beschließen:

In Respekt vor dem einstimmigen Beschluss der namibischen Nationalver-
sammlung zur Frage der deutschen Verantwortung für die Kolonialverbrechen
im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika vom 26. Oktober 2006 und eingedenk
der historischen Verantwortung Deutschlands,

– beschließt der Deutsche Bundestag, aufgrund des Beschlusses der nami-
bischen Nationalversammlung einen gemeinsamen Parlamentarierdialog an-
zubieten, der die mit dem Fortgang der Versöhnung zusammenhängenden
Fragen gemeinsam bearbeitet,

– beauftragt der Deutsche Bundestag das Bundestagspräsidium, das Dialog-
angebot mit Vertretern der namibischen Nationalversammlung zu besprechen
sowie – bei Interesse der namibischen Seite – dem Deutschen Bundestag Vor-
schläge für das weitere Vorgehen zur Abstimmung vorzulegen.

Berlin, den 23. Juni 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

Die Bundesrepublik Deutschland ist bisher im Einverständnis mit der nami-
bischen Regierung ihrer historischen Verantwortung für die Verbrechen deut-
scher Kolonialtruppen in Form einer besonders intensiven Entwicklungszusam-
menarbeit nachgekommen. Die Parlamentariergruppe der SADC-Staaten unter
dem Vorsitz der Abgeordneten Dr. Uschi Eid hat sich 1995 im Rahmen ihrer

Delegationsreise nach Namibia mit Vertretern der Hereros getroffen und sich
explizit zur deutschen Verantwortung für den Genozid an Hereros und Namas
bekannt und bei deren Vertretern um Entschuldigung gebeten. Bei den Ge-
denkfeierlichkeiten in Okakarara zum 100. Jahrestag der Niederschlagung der
Herero-Aufstände in Namibia bat die Bundesministerin für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul, 2004 erstmals

Drucksache 16/9708 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
auch im Namen der Bundesregierung offiziell die Nachkommen der Opfer um
Vergebung:

„Die damaligen Gräueltaten waren das, was heute als Völkermord bezeichnet
würde – für den ein General von Trotha heutzutage vor Gericht gebracht und
verurteilt würde. Wir Deutschen bekennen uns zu unserer historisch-politischen,
moralisch-ethischen Verantwortung und zu der Schuld, die Deutsche damals auf
sich geladen haben. Ich bitte Sie im Sinne des gemeinsamen ,Vater unser‘ um
Vergebung unserer Schuld. Ohne bewusste Erinnerung, ohne tiefe Trauer kann
es keine Versöhnung geben. Versöhnung braucht Erinnerung.“

Gleichzeitig bot die Ministerin eine spezielle deutsche Versöhnungsinitiative zur
Förderung von Entwicklungsprojekten in den vom Völkermord betroffenen Ge-
bieten Namibias an. Diese wurde bei den deutsch-namibischen Regierungsver-
handlungen Anfang November 2007 in Bonn beschlossen. Der namibische
Außenminister Marco Hausiku hat seinen deutschen Amtskollegen Dr. Frank-
Walter Steinmeier mit einem Schreiben vom 15. November 2007 jedoch auch
über einen einstimmigen Beschluss der namibischen Nationalversammlung vom
26. Oktober 2006 in Kenntnis gesetzt. Dieser Parlamentsbeschluss fordert die
namibische Regierung auf, mit der Bundesregierung in Verhandlungen über
Entschädigungszahlungen einzutreten. Dies zeigt, dass die von Deutschland
angebotene Versöhnungsinitiative nur Teil eines umfassenderen Versöhnungs-
prozesses sein kann. Der Deutsche Bundestag ist sich der deutschen historischen
Verantwortung und der Bedeutung der Versöhnungsfrage für das deutsch-nami-
bische Sonderverhältnis bewusst und bietet der namibischen Nationalversamm-
lung einen offenen Dialog über den weiteren Versöhnungsprozess und Konse-
quenzen aus dem Beschluss der namibischen Nationalversammlung an. Diesen
von uns vorgeschlagenen Dialog, der auch Vertreter der besonders betroffenen
Bevölkerungsgruppen einbeziehen wird, verstehen wir als wichtigen Impuls zu
einem umfassenden gesellschaftlichen Dialog zwischen den Menschen beider
Staaten.

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