BT-Drucksache 16/9594

Verstöße gegen den Mindestlohn im Baugewerbe wirksam bekämpfen

Vom 18. Juni 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9594
16. Wahlperiode 18. 06. 2008

Antrag
der Abgeordneten Werner Dreibus, Dr. Barbara Höll, Ulla Lötzer,
Kornelia Möller, Dr. Herbert Schui, Dr. Axel Troost, Sabine Zimmermann
und der Fraktion DIE LINKE.

Verstöße gegen den Mindestlohn im Baugewerbe wirksam bekämpfen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Mindestlohn im Baugewerbe hat nach übereinstimmender Einschätzung
der IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) und der Spitzenverbände der Bauwirt-
schaft in den letzten Jahren viele zehntausend Arbeitsplätze gesichert. Dennoch
gibt es bei der Durchsetzung des Mindestlohns für alle Beschäftigten des Bau-
gewerbes dringenden Handlungsbedarf. Denn es wird vielfach gegen die Re-
gelung des Mindestlohns im Baugewerbe verstoßen, obwohl nach dem Arbeit-
nehmer-Entsendegesetz ein Mindestlohntarifvertrag in dieser Branche für
allgemeinverbindlich erklärt wurde.

Verstöße gegen den Mindestlohn können nach Ansicht der IG BAU, des Haupt-
verbandes der Deutschen Bauindustrie e. V. und des Zentralverbandes des
Deutschen Baugewerbes nur wirksam bekämpft werden, wenn ausreichend
Kontrollen durchgeführt und aufgedeckte Verstöße strikt sanktioniert werden.
Für die Kontrolle und Ahndung zuständig ist die Finanzkontrolle Schwarzar-
beit (FKS) des Zolls, die bundesweit gegen Schwarzarbeit und illegale Be-
schäftigung vorgeht. Die Zahl der Mitarbeiter der FKS ist jedoch viel zu nied-
rig, weshalb zu wenige Kontrollen durchgeführt werden. Häufig werden bei
aufgedeckten Verstößen lediglich niedrige Bußgelder verhängt oder diese wer-
den durch die Gerichte ermäßigt, so dass deren abschreckende Wirkung verlo-
ren geht. Hinzu kommt, dass sich die Konditionen für die Beschäftigten durch
die Kontrollen häufig nicht verbessern, da sie zu den gleichen rechtswidrigen
Bedingungen weiter beschäftigt werden.

Die Bundesregierung ist deshalb dringend aufgefordert, den Regelungen des
Arbeitnehmer-Entsendegesetzes zu mehr Geltung zu verhelfen. Existenzsi-
chernde Löhne sind ein elementarer Bestandteil „guter Arbeit“, weswegen die
Vorgaben zur Mindestentlohnung eingehalten und Verstöße wirksam bekämpft
werden müssen.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

ein Maßnahmenpaket zur wirksamen Bekämpfung von Verstößen gegen den
Bau-Mindestlohn vorzulegen:

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1. Die Kontrolle der Einhaltung des vorgeschriebenen Mindestlohns wird ef-
fektiviert und ausgeweitet:

● Die Personal- und Sachmittelausstattung der FKS ist erheblich zu verbes-
sern. Das Personal der FKS wird zunächst auf 8 000 Stellen erhöht, um
die Kontrollen zur Einhaltung des Mindestlohns so zu verstärken, dass
eine relevante Anzahl von Betrieben und Baustellen vor Ort überprüft
werden kann. Darüber hinaus ist die Personalausstattung der FKS an die
Ausweitung ihrer Aufgaben durch die Aufnahme von weiteren Branchen
in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz anzupassen.

● Um die Kontrollen durch die Mitarbeiter der FKS zu vereinfachen und
somit mehr Prüfungen zu ermöglichen, wird eine Mitführungspflicht von
amtlichen Personaldokumenten am Arbeitsplatz eingeführt, die eine
schnelle und sichere Identitätsfeststellung der kontrollierten Personen er-
möglicht.

● Die Meldung zur Sozialversicherung wird dahingehend verändert, dass
die Möglichkeit des Arbeitgebers, ein neues Beschäftigungsverhältnis
erst bis zu sechs Wochen nach dem eigentlichen Beginn der Beschäfti-
gung bei den Sozialversicherungsträgern zu melden, abgeschafft und
stattdessen die Pflicht zur Anmeldung vor Beginn der Beschäftigung ein-
geführt wird.

● Die Anfang 2008 begonnene Strukturreform des Zolls muss dem Ziel der
bundesweiten wirksamen Bekämpfung von Verstößen gegen die Min-
destlohnvorschriften, illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit gerecht
werden. Um beurteilen zu können, inwiefern die Neuorganisation der
FKS diesem Ziel dient und eine Grundlage für weitere politische Wei-
chenstellungen zu erhalten, ist eine Evaluation ihrer Organisation und Ar-
beitsweise bis zum Ende der Legislaturperiode im Jahr 2009 vorzuneh-
men und zu veröffentlichen.

● Die Anzahl der durchgeführten Kontrollen, der aufgedeckten Verstöße,
die Anzahl und Höhe der verhängten und rechtskräftigen Ordnungsgelder
und Strafen sowie die ermittelten Schäden werden nach Tatbeständen und
Branchen aufgeschlüsselt der Öffentlichkeit in übersichtlicher Weise zu-
gänglich gemacht.

2. Die Sanktionen bei Verstößen gegen den Mindestlohn werden so gestaltet
und angewandt, dass sich ihre abschreckende Wirkung deutlich erhöht:

● Werden im Rahmen der Kontrollen durch die FKS Verstöße gegen die
Mindestlohnvorschriften, illegale Beschäftigung oder Schwarzarbeit fest-
gestellt, ist das Unternehmen umgehend von der Bauleistung auszuschlie-
ßen. Bei Zuwiderhandlung haftet der Auftraggeber für das nicht
ausgeschlossene Unternehmen.

● Die Bundesregierung hat die Ursachen, die in Einspruchs- und Gerichts-
verfahren zu einer Reduzierung der Geldbußen führten, auszuwerten und
die gesetzlichen Vorgaben gegebenenfalls so zu verändern, dass eine
wirksamere Sanktionierung von Verstößen gegen die Mindestlohnvor-
schriften gewährleistet ist.

● Die Bundesregierung setzt sich für ein EU-weites Abkommen ein, das
eine europaweite Anerkennung und Vollstreckung von rechtskräftigen
Geldbußen ohne bilaterale Vollstreckungshilfevereinbarungen ermöglicht.

● Die Generalunternehmerhaftung wird ausgeweitet und ihre strikte
Anwendung gewährleistet. Die Generalunternehmerhaftung für Sozial-
versicherungsbeiträge (§ 28e Abs. 3 des Vierten Buches Sozialgesetz-

buch – SGB IV) wird mit der Generalunternehmerhaftung für die Zahlung

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der Mindestentgelte (§ 1a AEntG) harmonisiert, indem die Bagatellgrenze
von 500 000 Euro Gesamtbauvolumen und die Möglichkeit der Exkulpa-
tion abgeschafft wird. Außerdem findet die Generalunternehmerhaftung
auf alle beteiligten Subunternehmen Anwendung. Darüber hinaus wird für
die Steuerzahlungspflicht eine Unternehmerhaftung gemäß § 1a AEntG
eingeführt.

Berlin, den 18. Juni 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Begründung

Anlass für die Festsetzung zwingend vorgeschriebener Mindestarbeitsbedingun-
gen im Baugewerbe war der Wegfall tausender tariflich bezahlter Arbeitsplätze
und der Konkurs zahlreicher kleinerer und mittlerer Unternehmen durch den
ruinösen Unterbietungswettkampf, den sich in- und ausländische Bauunterneh-
men bis Mitte der 90er-Jahre lieferten. Bis zur Einführung des Arbeitnehmer-Ent-
sendegesetzes war es weit verbreitete Praxis, dass ausländische Bauunternehmen
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu den Arbeitsbedingungen ihres Her-
kunftslandes in der Bundesrepublik beschäftigten. Die zum Teil gravierenden
Unterschiede gegenüber den im Inland geltenden tariflichen Vereinbarungen
führten zu starken Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der tarifgebundenen Un-
ternehmen und deren Beschäftigten.

Mit dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz wurde 1996 die Einhaltung tariflich
vereinbarter Arbeitsbedingungen, wie Arbeitsentgelt und Urlaub, mittels Allge-
meinverbindlichkeitserklärung allen in Deutschland tätigen Bauunternehmen
zwingend vorgeschrieben. Inländische und ausländische Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer werden damit auf einem Mindestniveau gleichgestellt.

Nach übereinstimmender Einschätzung der Verbände der Bauwirtschaft und
der IG BAU hat die Einführung des Mindestlohns viele zehntausend Arbeits-
plätze sichern können. Für das Bauhauptgewerbe konnten deutlich positive
Lohneffekte der Mindestlohnregelung nachgewiesen werden (IAB Discussion
Paper 30/2007).

Doch gegen die Mindestlohnvorschriften wird immer wieder verstoßen. Der
Zentralverband Deutsches Baugewerbe schätzte im November 2007, dass
150 000 Beschäftigte unterhalb des Mindestlohns bezahlt werden. Unter Einbe-
ziehung der aus dem mittel- und osteuropäischen Ausland entsandten Beschäf-
tigten hält die IG BAU diese Größenordnung für realistisch.

Bisher liegen keine statistischen Angaben darüber vor, wie viele Arbeitnehme-
rinnen und Arbeitnehmer von aufgedeckten Mindestlohnverstößen betroffen
sind, und wie hoch der Schaden für die Betroffenen ist (Antwort auf die Kleine
Anfrage „Organisation und Ergebnisse der Finanzkontrolle Schwarzarbeit“,
Bundestagsdrucksache 16/8156). In der Jahresstatistik der Bundeszollverwal-
tung für 2007 wird eine ermittelte Schadenssumme von 561,8 Mio. Euro für
2007 und 603,6 Mio. Euro für 2006 für den gesamten Bereich Schwarzarbeit
und illegale Beschäftigung angegeben. Eine Differenzierung nach Art der
Schäden oder Branchen findet nicht statt. Der Bericht des Bundesrechnungs-
hofs differenziert diese Schäden für das Jahr 2006 in 330 399 753 Euro Schä-
den für die Sozialversicherung, 57 501 615 Euro Schäden für die Steuer und

215 676 204 sonstige Schäden (Bericht nach § 99 BHO über die Organisation
und Arbeitsweise der Finanzkontrolle Schwarzarbeit, 2008, S. 23).

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Auch werden in der Jahresstatistik der Bundeszollverwaltung bisher keine nach
Branchen differenzierten Angaben zu den durchgeführten Kontrollen und zur
Art der ermittelten Verstöße veröffentlicht. Während die statistische Erfassung
der einzelnen Tatbestände erst im letzten Jahr eingeführt wurde, werden die
Zahl der Arbeitgeberprüfungen im Baugewerbe seit 1996 und die Zahl der ge-
prüften Baustellen seit 2005 statistisch erfasst (Bundestagsdrucksache 16/8156).
Veröffentlicht wurden diese allerdings erst durch den Bericht des Bundesrech-
nungshofs.

Für die Kontrolle der Einhaltung des Mindestlohns zuständig sind bundesweit
knapp 6 500 Beamte des Bereiches FKS der Zollverwaltung. Die FKS wurde
im Jahr 2004 zur verstärkten Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Be-
schäftigung geschaffen. Seit Beginn ihrer Tätigkeit sinkt die Anzahl der ihr zur
Verfügung gestellten Stellen kontinuierlich. Während der FKS im Jahr 2004
7 000 Planstellen zur Verfügung standen, sind es im Jahr 2008 noch 6 600. Ein
Grund dafür ist die jährliche pauschale Stellenkürzung, von der alle Bundes-
behörden betroffen sind. Obwohl im letzten Jahr mit dem Gebäudereiniger-
handwerk und den Briefdienstleistern zwei weitere Branchen in das Arbeit-
nehmer-Entsendegesetz aufgenommen wurden, ist auch für das Jahr 2008 keine
Erhöhung der Mitarbeiterzahl der FKS geplant. Auch für die geplante Auf-
nahme von weiteren Branchen in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz liegen
bisher keine konkreten Pläne zur Erhöhung dieses Personalbestands vor (Bun-
destagsdrucksache 16/8156).

Eine Aufstockung des Personals ist angesichts der Zahl der durchgeführten
Kontrollen dringend geboten. Während die Zahl der Personenüberprüfungen an
der Arbeitsstelle von insgesamt 423 175 im Jahr 2006 auf 477 035 im Jahr
2007 gestiegen ist, ist die Zahl der Arbeitgeberprüfungen deutlich gesunken.
Laut Jahresstatistik der Bundeszollverwaltung fanden im Jahr 2006 insgesamt
83 258 Prüfungen von Arbeitgebern statt. Im Jahr 2007 waren es hingegen ins-
gesamt nur noch 62 256 und dies in sämtlichen Branchen. Im Juni 2006 gab es
allerdings allein im Bauhauptgewerbe 76 034 gemeldete Betriebe (http://
www.zdb.de). Anhaltspunkte über die Qualität der stattgefundenen Prüfungen
liefern diese Zahlen nicht. Notwendig sind nicht nur mehr Kontrollen, sondern
eine deutlich höhere Zahl von intensiven Prüfungen vor Ort. Nach Einschät-
zung der IG BAU sind für eine angemessene Kontroll- und Ahndungstätigkeit
in der Bauwirtschaft 8 000 Zollbeamte notwendig, die sich ausschließlich der
Bekämpfung von Mindestlohn-Verstößen, Schwarzarbeit und illegaler Beschäf-
tigung widmen.

Erheblich beschleunigt werden könnte die Kontrolltätigkeit der FKS durch die
Einführung einer Mitführungspflicht von amtlichen Personaldokumenten am
Arbeitsplatz. Zu diesem Schluss kommt der Anfang 2008 veröffentlichte Bericht
des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und des Bundesministeriums
der Finanzen „Einführung einer Sozialkarte zur Bekämpfung von Schwarzarbeit
und illegaler Beschäftigung“, der zeigt, dass insbesondere die Identitätsfeststel-
lung der kontrollierten Personen problematisch ist, da die Abfrage bei Einwoh-
nermeldeämtern oder örtlichen Polizeidienststellen bis zu 60 Minuten in An-
spruch nimmt, wenn diese kein Personaldokument mit sich führen. Erst auf
Basis der Personendaten können weitere Daten über die Art des Beschäftigungs-
verhältnisses, den aufenthalts- bzw. arbeitsgenehmigungsrechtlichen Status, die
Arbeitsbedingungen, den Sozialleistungsbezug und über die Zahlung von So-
zialversicherungsbeiträgen und Steuern bei den verschiedenen zuständigen Insti-
tutionen abgerufen werden. Eine Beschleunigung der Identitätsfeststellung
würde das Kontrollverfahren damit insgesamt beschleunigen und es der FKS er-
möglichen, mehr Kontrollen durchzuführen.
Die IG BAU und die Verbände der Bauwirtschaft betonen, dass die Zulässigkeit
der nachträglichen Meldung zur Sozialversicherung Bauunternehmen, die die

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Vorschriften des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes zum Beispiel durch illegale
Beschäftigung umgehen, ein Schlupfloch bietet, das dringend geschlossen wer-
den muss. Der Arbeitgeber hat momentan die Möglichkeit, dem Sozialver-
sicherungsträger ein neues Beschäftigungsverhältnis erst sechs Wochen nach
dem eigentlichen Beginn der Beschäftigung zu melden. So kann er bei Kontrol-
len immer vorgeben, dass ein noch nicht gemeldeter Beschäftigter gerade erst
eingestellt worden sei und die Meldung noch erfolgen werde. Dies kann ver-
mieden werden, indem die Pflicht zur Meldung vor Beginn der Beschäftigung
eingeführt wird.

Die FKS ist in die seit 1. Januar 2008 wirksam werdende Strukturreform des
Zolls einbezogen. Der Bundesrechnungshof kritisierte die Neuorganisation der
FKS deutlich, da vor der Reform keine Evaluation stattgefunden hat und nicht
ersichtlich ist, wie die Neuorganisation die Wirksamkeit der FKS erhöhen soll
(Bericht nach § 99 BHO, 2008, S. 35 ff.). Von 2004 bis 2007 wurden die FKS-
Abteilungen bei den örtlichen Hauptzollämtern von der Abteilung Finanzkon-
trolle Schwarzarbeit der Oberfinanzdirektion Köln koordiniert und geleitet.
Jetzt erhalten die Hauptzollämter die alleinige Verantwortung für die Erfüllung
der gesamten operativen Aufgaben. Die neu geschaffene Bundesfinanzdirek-
tion West mit der Abteilung FKS ist gegenüber den Hauptzollämtern nur noch
in Ausnahmefällen bezirksübergreifend weisungsbefugt. Es droht somit die Re-
gionalisierung der Bekämpfung von Mindestlohnverstößen, illegaler Beschäf-
tigung und Schwarzarbeit. Hinzu kommt, dass die vormals zusammengehören-
den Arbeitsbereiche der FKS-Abteilungen bei den Hauptzollämtern aufgeteilt
und zum Teil mit anderen Aufgabenbereichen des Zolls zusammengefasst wer-
den und damit in Zukunft ein Teil der Mitarbeiter der FKS auch für andere Auf-
gaben des Zolls eingesetzt werden kann.

Eine Ausweitung und Effektivierung der Kontrolltätigkeit allein genügt ange-
sichts der Defizite in der Sanktionierung von Mindestlohnverstößen nicht. In
der Praxis werden nach Angaben der IG BAU und der Verbände der Bauwirt-
schaft im Rahmen der Kontrollen durch die FKS zwar oft Verstöße gegen die
Mindestlohnvorschriften, Schwarzarbeit oder illegale Beschäftigung festge-
stellt, doch die Beschäftigten arbeiten nach Beendigung der Kontrolle trotz Ver-
hängung eines Bußgeldes gegen den Arbeitgeber häufig zu den gleichen rechts-
widrigen Bedingungen weiter. Die Beendigung des gesetzeswidrigen Zustands
lässt sich am wirkungsvollsten durch den sofortigen Ausschluss des betreffen-
den Unternehmens von der Bauleistung gewährleisten. Zudem bedeutet der
Verlust des Auftrages aufgrund der finanziellen Einbußen für viele Unterneh-
men eine weitaus wirksamere Sanktion als die Verhängung einer Geldbuße.

Die Bußgeldbilanz für Verstöße gegen die Mindestlohnvorschriften fällt ausge-
sprochen bescheiden aus. In der Jahresstatistik der Bundeszollverwaltung ist
für das Jahr 2006 eine Bußgeldsumme von 46,4 Mio. Euro und für 2007 von
51,9 Mio. Euro veröffentlicht. Allerdings handelt es sich bei dieser Summe um
die Summe der insgesamt im Bereich Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung
verhängten Bußgelder. Auskunft über die Höhe der tatsächlich rechtskräftig
gewordenen Bußgelder oder über Tatbestände gibt diese Statistik nicht. Im Ge-
werbezentralregister, in dem alle rechtskräftigen Bußgeldbescheide über 200
Euro registriert werden, sind für das Jahr 2007 insgesamt lediglich 1 076 Buß-
geldentscheidungen aufgrund von Verstößen gegen die Mindestlohnvorschrif-
ten vermerkt. Auch die Höhe der Bußgelder ist bemerkenswert niedrig. Ledig-
lich in 20 Fällen wurden Bußgelder in Höhe von 20 000 bis 50 000 Euro
verhängt und nur in 10 Fällen mehr als 50 000 Euro. Der Bundesrechnungshof
stellte in diesem Zusammenhang fest, dass die festgesetzten Geldbußen nach
einem Einspruch durch die FKS oder das zuständige Amtsgericht häufig er-
mäßigt oder sogar aufgehoben werden (Bericht nach § 99 BHO, 2008, S. 25).

Die Gründe dafür sind der Bundesregierung jedoch nicht bekannt (Bundestags-
drucksache 16/8156).

Drucksache 16/9594 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Verschärft wird die Situation dadurch, dass die Vollstreckung von Bußgeldbe-
scheiden gegen ausländische Unternehmen im Herkunftsland nur auf Grund-
lage bilateraler Anerkennungs- und Vollstreckungsabkommen möglich ist.
Vielfach können Geldbußen bei Arbeitgebern mit Sitz im Ausland deshalb
nicht vollstreckt werden. Im Jahr 2005 trat der EU-Rahmenbeschluss über die
Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen
und Geldbußen in Kraft, der die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung
von rechtskräftigen Geldsanktionen über 70 Euro für eine Reihe von Ordnungs-
widrigkeiten und Straftaten innerhalb der EU vorsieht. In Deutschland soll der
Rahmenantrag voraussichtlich Anfang 2009 in nationales Recht umgewandelt
werden. Doch Mindestlohn-Verstöße, Schwarzarbeit und illegale Beschäfti-
gung wurden im Gegensatz zu Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung
nicht in den Rahmenbeschluss aufgenommen. Gerade dieser Bereich könnte als
Vorbild für das europaweite Vorgehen dienen. Die EU-Kommission plant zur
grenzüberschreitenden Verfolgung von Verkehrsverstößen die Einführung eines
elektronischen Informationssystems in allen Mitgliedstaaten, das den einheit-
lichen Datenaustausch und somit die Vollstreckung der Bußgeldentscheidungen
erleichtern soll.

Ansatzpunkte für die wirksame Selbstkontrolle der Unternehmen bieten die
Regelungen zur Generalunternehmerhaftung, die in Bezug auf die Mindest-
entgelte (§ 1a AEntG) und die Sozialversicherungsbeiträge (§ 28e Abs. 3a ff.
SGB IV) eine Haftung des beauftragenden Unternehmens für die Zahlungs-
pflicht eines beauftragten Unternehmens normieren. Die Ausgestaltung der Re-
gelungen unterscheidet sich jedoch deutlich. So tritt für die Sozialversiche-
rungsbeiträge die Haftung erst ab einem Gesamtbauvolumen von mindestens
500 000 Euro ein, während in § 1a AEntG eine solche Bedingung nicht festge-
legt ist. Außerdem legt § 28e Abs. 3b SGB IV fest, dass die Haftungspflicht
entfällt, wenn das beauftragende Unternehmen beweist, dass es ohne eigenes
Verschulden, davon ausgehen konnte, dass der Nachunternehmer seine Zah-
lungspflicht erfüllt (Exkulpation). Die Haftungspflicht in Bezug auf die
Mindestentgelte wird hingegen verschuldensunabhängig wirksam. § 1a AEntG
wird außerdem für die gesamte Subunternehmerkette wirksam und bietet somit
einen größeren Anreiz für die Unternehmen, die Einhaltung der Mindestlohn-
vorschriften in den beauftragten Subunternehmen zu kontrollieren.

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