BT-Drucksache 16/9535

Deutsche Beteiligung an UNIFIL und der Grenzüberwachung im Libanon

Vom 9. Juni 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9535
16. Wahlperiode 09. 06. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jürgen Trittin, Kerstin Müller (Köln), Marieluise Beck (Bremen),
Volker Beck (Köln), Alexander Bonde, Dr. Uschi Eid, Thilo Hoppe, Ute Koczy,
Winfried Nachtwei, Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin,
Rainder Steenblock und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Deutsche Beteiligung an UNIFIL und der Grenzüberwachung im Libanon

Seit Herbst 2006 nimmt die Bundesregierung mit Marinekräften an der UNIFIL-
Mission zur Sicherung des Waffenstillstands nach den bewaffneten Auseinan-
dersetzungen zwischen Israel und der Hisbollah in Folge der am 11. August 2006
verabschiedeten Sicherheitsrats-Resolution 1701 teil. Mit Zustimmung aller
politischen Kräfte im Libanon wurde die UNIFIL-Mission eingesetzt, um den
Waffenstillstand zu überwachen und die libanesische Armee und Regierung in
die Lage zu versetzen, Sicherheit im Land herzustellen und ein Wiederauf-
flammen der Feindseligkeiten zu verhindern. Im Rahmen der Resolution 1559
ist darüber hinaus die Entwaffnung aller Milizen im Libanon gefordert. Um eine
weitere Auf- und Nachrüstung bewaffneter Kräfte im Libanon zu verhindern,
sollte die libanesische Regierung damit betraut werden, eine effektive Kontrolle
ihrer Grenzen zu gewährleisten. Der Erfolg von UNIFIL hängt nicht zuletzt
davon ab, dass wie in Resolution 1701 beschrieben, der libanesische Staat ent-
scheidend gestärkt werden und die Durchlässigkeit der libanesisch-syrischen
Grenze geschlossen werden kann. Die gilt auch und gerade angesichts der jüngs-
ten Einigung über eine Einheitsregierung im Libanon. An entsprechenden
Initiativen ist die Bundesregierung beteiligt. Ein deutsches Pilotprojekt für ein
integriertes Grenzmanagement an der libanesischen Nordgrenze, das auf die Ost-
grenze zu Syrien ausgedehnt werden sollte, war als erster Schritt in Richtung
einer effektiven Überwachung der Grenzen geplant. Stattdessen haben aber Be-
richte über tatsächlichen oder angeblichen Waffenschmuggel und -lieferungen
über die Grenze stark zugenommen. Im Umsetzungsbericht des VN-General-
sekretärs zu Resolution 1559 vom 21. April 2008 (S/2008/264) werden Informa-
tionen zitiert, welche anhaltenden Waffenschmuggel über die Grenze nahelegen.

An der Frage der Bewaffnung der Hisbollah hat sich zuletzt im Libanon eine
schwere innenpolitische Krise entzündet, die Befürchtungen über einen neuer-
lichen Bürgerkrieg weckte. Nach monatelangem Stillstand und Spannungen
zwischen Regierungs- und Oppositionslager und der Vakanz des Präsidenten-
amts seit November 2007 gelang am 25. Mai 2008 die Wahl des neuen libanesi-

schen Präsidenten Michel Suleiman auf Grundlage des Abkommens von Doha.
Dennoch ist auch in Zukunft eine erhöhte Bedrohungslage für die UNIFIL-
Kräfte zu befürchten; insbesondere wenn die erzielte Einigung und die Einheits-
regierung im Libanon zerbrechen sollten. Fragen wie das internationale Hariri-
Tribunal sowie die Entwaffnung der Milizen bleiben im Libanon umstritten. Im
Bericht des VN-Generalsekretärs über die Umsetzung von VN-Sicherheitsrats-
resolution 1701 vom 28. Februar 2008 (S/2008/135) wird festgehalten, dass die

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politische Lage im Libanon bisher „die Bemühungen, Fortschritte in den Kern-
bereichen von Resolution 1701 (2006) zu erreichen stark verkompliziert“ habe.
Am 31. August 2008 läuft das Mandat aus, der Bundestag hat über eine erneute
Verlängerung der deutschen Beteiligung zu entscheiden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. In welchem Umfang und für welche Dauer plant die Bundesregierung eine
Fortsetzung der Teilnahme an der maritimen Komponente (Maritime Task
Force, MTF) von UNIFIL oder anderen mit UNIFIL verbundenen Aktivi-
täten?

2. Wie bewertet die Bundesregierung die bisherige Umsetzung der UNIFIL-
Mission im Rahmen der Resolution 1701?

Welche Bilanz zieht sie hinsichtlich der deutschen Beteiligung an UNIFIL?

3. Wie viele Schiffe wurden von der MTF kontrolliert?

Inwieweit gab es dabei festgestellte Versuche von Waffenschmuggel oder
andere relevante Vorfälle?

4. Wie beurteilt die Bundesregierung die Zusammenarbeit mit der libane-
sischen Marine und den libanesischen Sicherheitskräften?

5. In welchem Umfang führten bzw. führen die Bundesregierung und die EU
Unterstützungsmaßnahmen für das libanesische Militär aus?

6. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über israelische Flüge über
libanesischem Luftraum und dem Operationsgebiet von UNIFIL, und wie
bewertet die Bundesregierung dies?

7. Welche Art von Zwischenfällen gab es im Rahmen der MTF mit der
israelischen Marine und Luftwaffe?

War dies Thema in bilateralen Gesprächen mit der israelischen Regierung?

8. Wie bewertet die Bundesregierung die Gefahrenlage für die UNIFIL-Kräfte
auf Grundlage der aktuellen politischen Lage?

9. Wie bewertet die Bundesregierung die Gefahrenlage auf Grund nicht
explodierter Munitionsaltlasten wie z. B. Streumunition im Libanon, und
welchen Beitrag zur Beseitigung und Opferhilfe leistet die Bundesregie-
rung bzw. die EU?

10. Welche Aufgaben im Rahmen von UNIFIL sieht die Bundesregierung
neben der Beteiligung am Marineeinsatz als prioritär an, und welche bi- und
multilateralen Beiträge will sie dazu leisten?

11. Wie ist der derzeitige Stand des deutschen Pilotprojekts zur integrierten
Grenzüberwachung an der libanesischen Nordgrenze, und inwieweit konnte
der Anspruch, ein integriertes Grenzmanagement der verschiedenen für die
Grenzsicherung zuständigen libanesischen Behörden (Polizei/Forces de
Sécurité Intérieure, Sécurité Générale, Zoll, Armee) zu schaffen, im Rahmen
des Projektes umgesetzt werden?

Welche Finanzmittel stehen für zukünftige Aktivitäten bereit, und aus
welchen Ressorts kommen die entsprechenden Mittel?

12. Wie ist der Stand der in der Antwort auf die Kleine Anfrage der Bundestags-
fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im September 2007 (Bundestags-
drucksache 16/6335) für Anfang 2008 angekündigten Ausdehnung an die
Ostgrenze?
Inwieweit wurde die angekündigte Ausdehnung des Projekts im Rahmen
der EU umgesetzt?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/9535

13. Ist nach Einschätzung der Bundesregierung durch die Unterstützung der
libanesischen Grenzüberwachung kurz- oder mittelfristig eine effektive
Überwachung dieser Grenze möglich?

Falls nein, was bedeutet das für die Durchführung des UNIFIL-Mandats
und den deutschen maritimen Beitrag zur Überwachung der Seegrenze?

14. Wie bewertet die Bundesregierung Berichte, die eine Wiederaufrüstung der
Hisbollah nahelegen oder die, wie die VN-Berichte zur Umsetzung der
Resolutionen 1559 und 1701, Hinweise auf Waffenschmuggel enthalten so-
wie entsprechende Verlautbarungen des Hisbollah-Generalsekretärs Hassan
Nasrallah?

15. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den Umfang, die Hinter-
männer und Wege des Waffenschmuggels in den Libanon?

16. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Art und Umfang der Auf-
rüstung der unterschiedlichen libanesischen Milizen?

17. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Art und Umfang einer
Unterstützung der Hisbollah aus dem Iran und aus Syrien?

18. Wie bewertet die Bundesregierung den Kompromiss über die Bildung einer
neuen Regierung, und welche Chancen und Grenzen sieht sie hinsichtlich
der weiteren Zusammenarbeit mit UNIFIL und einer vollen Umsetzung der
Resolution 1701?

19. In welcher Weise plant die Bundesregierung im Rahmen der EU die neu
gebildete Regierung zu unterstützen?

Sollen Kontakte mit allen Regierungsmitgliedern aufgenommen werden,
oder gibt es Überlegungen einzelne Regierungsmitglieder oder -fraktionen
von bi- und multilateralen Beratungen und Kontakten auszuschließen?

20. Wie bewertet die Bundesregierung die Machtzunahme der Hisbollah durch
die Sperrminorität in der Regierung?

Gibt es seitens der Bundesregierung formale oder informelle Kontakte zu
politischen Vertreterinnen oder Vertretern der Hisbollah?

21. Welche konkreten Maßnahmen planen Bundesregierung und EU, um den
Versöhnungsprozess zwischen den Bevölkerungsgruppen im Libanon zu
unterstützen und den Aufbau nachhaltiger staatlicher Strukturen zu unter-
stützen?

Berlin, den 9. Juni 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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