BT-Drucksache 16/9488

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung -16/8149, 16/8395, 16/9476- Entwurf eines Gesetzes zur Förderung Erneuerbarer Energien im Wärmebereich (Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz - EEWärmeG)

Vom 4. Juni 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9488
16. Wahlperiode 04. 06. 2008

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Hans-Kurt Hill, Eva Bulling-Schröter, Lutz Heilmann,
Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch, Karin Binder, Heidrun Bluhm,
Roland Claus, Katrin Kunert, Michael Leutert, Dorothee Menzner, Dr. Ilja Seifert,
Dr. Kirsten Tackmann und der Fraktion DIE LINKE.

zu der zweiten und dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 16/8149, 16/8395, 16/9476 –

Entwurf eines Gesetzes zur Förderung erneuerbarer Energien im Wärmebereich
(Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz – EEWärmeG)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der vorliegende Gesetzentwurf ist nicht geeignet, den Anteil erneuerbarer
Energien im Wärmebereich deutlich zu erhöhen, um damit einen wirksamen
Beitrag zur Minderung der Klimagasemissionen und des Verbrauchs fossiler
Brennstoffe zu leisten. Die Unwirksamkeit kommt darin zum Ausdruck, dass
der Gesetzentwurf mit 14 Prozent ein deutlich zu niedriges Ziel für den Anteil
erneuerbarer Energien für Heizung, Warmwasserbereitung und Erzeugung von
Kühl- und Prozesswärme bis zum Jahr 2020 vorgibt. Außerdem soll der Gesetz-
entwurf zur Zielerreichung lediglich beitragen und nicht deren Erfüllung ge-
währleisten. Des Weiteren beschränkt sich der Gesetzentwurf im Gebäudesektor
auf Neubauten und klammert den Gebäudebestand, der den überwiegenden Bei-
trag zur energetischen und klimaschutzbezogenen Verbesserung leisten könnte,
von der Nutzungspflicht erneuerbarer Energien auch dann aus, wenn grund-
legende Sanierungen und Austausche von Heizungsanlagen stattfinden. Auch
wird der Einsatz erneuerbarer Energien nicht nach der energetischen und klima-
gassenkenden Effizienz eingeordnet. Darüber hinaus wird es den Eigentümern
von Gebäuden zu leicht gemacht, mittels Ersatzmaßnahmen die Nutzungspflicht
erneuerbarer Energien zu umgehen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– einen Anteil erneuerbarer Energien im Wärmebereich von mindestens
20 Prozent als Ziel des EEWärmeG festzuschreiben, um die erforderliche
Minderung von Treibhausgasen in Deutschland um 40 Prozent bis 2020 und
eine deutlich verringerte Nutzung fossiler Brennstoffe zu erreichen;

– den Wohnungsbestand in die Vorgaben des EEWärmeG ohne Einschränkung
mit einzubeziehen, sofern eine grundlegende Sanierung bzw. ein Austausch
der Heizungsanlagen erfolgt;

Drucksache 16/9488 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

– Maßnahmen zur Einsparung von Energie nur bei Unterschreitung der Ener-
gieeinsparverordnung um mindestens 30 Prozent als Ersatzmaßnahme für die
Pflicht zur Nutzung erneuerbarer Energien zur Abdeckung des Wärme-
bedarfs anzuerkennen;

– bezogen auf die CO2-Minderungswirkung eine Erfüllungsrangfolge beim
Einsatz erneuerbarer Energien vorzusehen, wobei solare Strahlungsenergie,
Geothermie und Umweltwärme vor die Nutzung von Biomasse gestellt wird,
deren Verfügbarkeit und Klimaschutzwirkung begrenzt ist;

– bei der Nutzung von gasförmiger und flüssiger Biomasse grundsätzlich die
Anwendung von Kraft-Wärme-Kopplung und insgesamt einen CO2-Min-
derungsbeitrag von mindestens 50 Prozent vorzuschreiben;

– importierte Biomasse wie Soja- und Palmöl, die außerhalb der EU erzeugt
wurde, bei der energetischen Verwendung im Rahmen des EEWärmeG aus-
zuschließen;

– die Verwendung elektrischer Wärmepumpen auch ab einer Jahresarbeitszahl
von 3 zuzulassen, sofern der Strombezug regenerativ im Sinne des Grüner-
Strom-Labels oder durch nachgewiesene regenerative Eigenerzeugung er-
folgt;

– zertifizierte Passivhäuser von der Anwendungspflicht des EEWärmeG aus-
zunehmen;

– ab 2011 eine zweijährige Berichtspflicht gegenüber dem Deutschen Bundes-
tag zur Überprüfung der Wirkungen des Gesetzes festzulegen.

Berlin, den 3. Juni 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/9488

Begründung

Um die globale Erwärmung um 2 bis 2,4 Grad Celsius gegenüber vorindustriel-
len Temperaturen zu begrenzen, muss Deutschland den Ausstoß an Treibhaus-
gasen gegenüber 1990 um 40 Prozent bis zum Jahr 2020 und um 90 Prozent bis
zum Jahr 2050 mindern. Für einen wirksamen Beitrag zum Klimaschutz muss
das realisierbare Potential der erneuerbaren Energien auch im Wärmebereich
ausgeschöpft werden. Das bedeutet einen Anteil von mindestens 20 Prozent für
Heizung, Warmwasserbereitung und Erzeugung von Kühl- und Prozesswärme.
Dadurch könnten jährlich 21 Mio. Tonnen CO2 eingespart werden.

Ein Ausklammern des Wohnungsbestandes aus dem Gesetzentwurf macht das
EEWärmeG weitgehend unwirksam, da über Neubauten nur etwa ein Prozent
der Gebäude in Deutschland erfasst werden. Rund 80 Prozent des Potentials für
Wärmeproduktion aus erneuerbaren Energien liegen jedoch im Altbau. Dieser
enorme Anteil muss auch mit Blick auf die zunehmenden Kostenbelastungen bei
den Mieterinnen und Mietern aufgrund der rasant steigenden Heizkosten fossiler
Brennstoffe einbezogen werden. Der Vorschlag der EU-Kommission für eine
Richtlinie zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen
vom 23. Januar 2008 sieht die Verankerung eines Pflichtanteils erneuerbarer
Energien für den Gebäudebestand in den Bauvorschriften der Mitgliedstaaten
vor.

Die Einschränkung des Gesetzes auf die Wahrung der wirtschaftlichen Ver-
tretbarkeit bei der Anwendung erneuerbarer Energien hebelt den Charakter des
EEWärmeG aus. Bereits jetzt werden von Gebäudeeigentümern, insbesondere
in der Wohnungswirtschaft, notwendige Maßnahmen zur energetischen Sanie-
rung unterlassen, um Renditen zu erzielen. Dabei werden die daraus resultieren-
den hohen Energiekosten auf die Mieterinnen und Mieter abgewälzt. Pflicht-
anteile für erneuerbare Energien und die daraus resultierenden Mehrkosten
rechnen sich für Mieterinnen und Mieter sowie Eigenheimbesitzer generell, da
sich die Kosten fürs Heizen und die Warmwasserbereitung deutlich reduzieren.
Das bestätigt auch der Deutsche Mieterbund. Außerdem dürfen betriebswirt-
schaftliche Eigeninteressen die Erfordernisse des Klimaschutzes nicht hemmen.

Der Einsatz von Solarenergie und von Wärmepumpen mittels Geothermie und
Umweltwärme muss Vorrang vor dem Einsatz von Biomasse haben. Hinter-
grund ist, dass das energetische Biomassepotential in Deutschland begrenzt ist
und zunehmende Nutzungskonflikte zum Einsatz als Kraftstoff sowie zur stoff-
lichen und chemischen Verwendung entstehen. Insbesondere bei flüssiger und
fester Biomasse sind die Nutzungspotentiale begrenzt. Der Einsatz von Bioölen
in Heizkesseln ohne Pflicht zur Kraft-Wärme-Kopplung und die Nutzung von
Holzpellets ohne beschränkende Maßnahmen führen schnell zu einer Überfor-
derung der am Markt verfügbaren Kapazitäten. Erst einmal installiert, wären die
Nutzer mit hohen Preisen und Brennstoffknappheit konfrontiert. Darüber hinaus
würde ein Druck hin zu Importen erzeugt, wobei Agroenergie beispielsweise aus
Brasilien oder Indonesien eine negative Klimabilanz aufweist, somit nicht nach-
haltig ist und dort zu Raubbau an den Regenwäldern und zur Vertreibung von
Kleinbäuerinnen und -bauern führt. Biomasse sollte daher erst zur Anwendung
kommen, wenn solare Strahlungsenergie, Geothermie und Umweltwärme nicht
genutzt werden können. Um die erneuerbaren Energien aus Biomasse effizient
und klimafreundlich zu verwenden, ist bei gasförmiger und flüssiger Biomasse
eine Pflicht zur Kraft-Wärme-Kopplung unumgänglich.

Elektrisch betriebene Wärmepumpen, die mittels Geothermie oder Umwelt-
wärme arbeiten, sollten bereits ab einer Jahresarbeitszahl von 3 zugelassen wer-
den. Ihre Klimaschutzrelevanz beim Strombezug bezieht sich dabei auf den En-
ergiemix zur Stromerzeugung in Deutschland, vorrangig bestehend aus fossilen
Großkraftwerken. Dabei kann die CO2-Minderung gering ausfallen. Um die
Wärmepumpe, die in erheblichem Maße zur Substitution von Erdgas und Mine-

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ralöl beiträgt und deutschlandweit anwendbar ist, vom bislang fossil dominier-
ten Energiemix zu entkoppeln, wird vorgeschlagen, die Anwendung der Wärme-
pumpe an den Bezug von Ökostrom nach dem Grüner-Strom-Label oder an eine
regenerative Eigenversorgung zu koppeln.

Passivhäuser, die ein Zertifikat des Passivhaus Instituts oder vergleichbarer
Institutionen vorweisen können, sollten von der Pflicht des EEWärmeG aus-
genommen werden, da ihr Gesamtenergieverbrauch gegenüber dem Wohnungs-
bestand nur ein Zehntel beträgt.

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