BT-Drucksache 16/9428

Staatsaufbau in Afghanistan - Pariser Konferenz zur kritischen Überprüfung und Kurskorrektur des Afghanistan Compacts nutzen

Vom 4. Juni 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9428
16. Wahlperiode 04. 06. 2008

Antrag
der Abgeordneten Jürgen Trittin, Ute Koczy, Kerstin Müller (Köln), Winfried
Nachtwei, Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), Alexander Bonde,
Dr. Uschi Eid, Thilo Hoppe, Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg),
Manuel Sarrazin, Rainder Steenblock und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Staatsaufbau in Afghanistan – Pariser Konferenz zur kritischen Überprüfung
und Kurskorrektur des Afghanistan Compacts nutzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Bei der Afghanistan-Konferenz in London vom 31. Januar bis zum 1. Februar
2006 einigte sich die internationale Gemeinschaft gemeinsam mit der afghani-
schen Regierung in Anschluss an die Konferenzen von Bonn, Tokio und Berlin
auf Zielmarken für den Wiederaufbau in Afghanistan. Im Rahmen des neu ge-
schaffenen „Afghanistan Compact“ wurden 10,5 Mrd. US-Dollar Wiederauf-
bauhilfe seitens der internationalen Gemeinschaft zugesagt.

Auf der Pariser Konferenz am 12. Juni 2008 will die afghanische Regierung
ihre überarbeitete Entwicklungsstrategie (Afghanistan National Development
Strategy – ANDS) vorstellen und dafür neue Zusagen seitens der internationalen
Gemeinschaft erreichen. Mit einem Gesamtumfang von über 50 Mrd. US-Dollar
liegen diese mehr als doppelt so hoch als die gesamten bisherigen internationa-
len Zusagen seit 2002. Schwerpunkte sollen im Bereich der Entwicklung und
Sicherheit liegen. Insbesondere soll dieses Entwicklungsprogramm der afgha-
nischen Landwirtschaft zu Gute kommen, um eine zukünftige autarke Lebens-
mittelversorgung zu gewährleisten. Mehr Geld allein wird die Umsetzung der
Zielmarken aber nicht gewährleisten. Paris muss von der internationalen Ge-
meinschaft und afghanischen Regierung für eine kritische Zwischenbilanz, eine
klaren Priorisierung der Herausforderungen und die Formulierung realistischer
Ziele genutzt werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● sich auf der Pariser Konferenz für eine kritische Überprüfung und realistische
Überarbeitung des Afghanistan Compacts einzusetzen;

● mit der Ankündigung der Aufstockung der deutschen Mittel auf mindestens

200 Mio. Euro noch im Jahr 2008 einen konstruktiven Aufschlag zu machen;

● sich für eine erhöhte Leistungsfähigkeit der EU insbesondere beim zivilen
Aufbau und bei Ausbildungsaktivitäten in Afghanistan einzusetzen und so
größeren Einfluss auf die Ausgestaltung und Anpassung einer gemeinsamen
Strategie beim Wiederaufbau zu erreichen;

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● die zentrale Rolle der VN bei der Umsetzung dieses erneuerten Compacts zu
unterstreichen und aktiv zu unterstützen und die ausreichende Finanzierung
von UNAMA (United Nations Assistance Mission in Afghanistan) sicher-
zustellen;

● die Lastenverteilung unter den Geberstaaten und unterschiedliche Strategie-
ansätze offen zu diskutieren und stärker zu vereinheitlichen;

● abgestufte und detaillierte Benchmarks für halbjährliche Fortschritte zu
setzen, die es möglich machen, Fortschritte und Verzögerungen effektiv zu
messen, evaluieren und entsprechend nachzusteuern;

● Zusagen der Gebergemeinschaft im Rahmen der ANDS an diesen Ziel-
marken und Zwischenzielen zu orientieren und diese mit einer klaren Eva-
luierung der Umsetzung der Hilfsgelder zu verknüpfen;

● sich für Mechanismen einzusetzen, welche die Umsetzung von Zusagen
überprüfbar machen und Anreiz- und Sanktionsmöglichkeiten beinhalten,
falls Verbindlichkeiten nicht rechtzeitig umgesetzt oder unterlaufen werden;

● die Geberländer zu verpflichten, ihre Entwicklungsprogramme gegenüber
der afghanischen Regierung transparent zu gestalten, Bürokratie abzubauen,
die Vergabe von Leistungen zu harmonisieren und abgestimmt zu agieren;

● eine erhöhte und wirksame Transparenz über die Umsetzung der internatio-
nalen Unterstützungsmaßnahmen seitens der afghanischen Regierung und
der internationalen Gemeinschaft verbindlich festzulegen;

● die Arbeit im Joint Coordination and Monitoring Board (JMCB) entspre-
chend transparenter und effektiver zu gestalten und um eine Koordinierung
vor Ort zu gewährleisten, dessen Sitzungen nicht mehr in Tokio oder Berlin,
sondern ausschließlich in Afghanistan abzuhalten;

● über die neue ANDS hinaus den Afghanistan Compact eindeutig zu priorisie-
ren, um die größten Defizite zu beheben und zwar in folgender Weise:

1. Regierungsführung, Rechtsstaat und Menschenrechte

– in den Mittelpunkt der Bemühungen zu rücken, da von deren Funk-
tionieren und Effektivität auch alle anderen Maßnahmen beim Wieder-
aufbau abhängen;

– insbesondere Justizaufbau zu stärken und ein konkretes Konzept in
Abstimmung mit afghanischer Regierung unter Einbezug von Experten
aus islamisch geprägter Welt aufzustellen;

– verlässliche und konkrete Zielmarken für den Aufbau der Verwaltung
zu beschreiben und mit allen erforderlichen Ressourcen und politi-
schem Nachdruck die wichtigsten Reformen umzusetzen, um die af-
ghanische Verwaltung effektiver zu machen;

– den im Compact beschriebenen aber noch nicht umgesetzten Mecha-
nismus für die Ernennung von Funktionsträgern („transparent national
appointments mechanism“) wirksam umzusetzen;

– Korruptionsbekämpfung effektiver zu machen und die nationale Kor-
ruptionsbekämpfungsbehörde arbeitsfähig zu machen;

– insbesondere die Beteiligung von Frauen in der Regierungsführung zu
fördern und mit konkreten Zielmarken zu versehen und Frauenrechte
und Geschlechtergerechtigkeit im Sinne von UN-Resolution 1325 zu
stärken;

– die Einhaltung der Menschenrechte als Schwerpunkt für gute Regie-

rungsführung zu betonen und bei der Überprüfung des Compact die

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/9428

Menschenrechte als Querschnittaufgabe bei der Überprüfung und
Definition einzelner Ziele zu berücksichtigen, sowie die Glaubensfrei-
heit für alle Afghaninnen und Afghanen als Grundlage des Pluralismus
zu verwirklichen;

– die unabhängige Arbeit der afghanischen Menschenrechtskommission
(AIHRC – Afghanistan Independent Human Rights Commission) zu
stärken und die Umsetzung ihrer Empfehlungen für die Pariskonferenz
vom 20. Mai 2008 zu unterstützen;

2. Wirtschaftliche und soziale Entwicklung

– unter der Prämisse „Zivil“ vor „Militär“ eine klare Priorität für Aufbau
und Entwicklung im Rahmen des Compacts zu definieren und die not-
wendigen zivilen Maßnahmen mit höchster Dringlichkeit und erhöh-
tem Mitteleinsatz umzusetzen;

– sich bei den anderen EU-Mitgliedstaaten dafür einzusetzen, dass an-
dere Mitgliedstaaten ebenfalls ihre Zusagen an Kapazitäten deutlich
erhöhen;

– die Rahmenbedingungen für die dringend nötige Verbesserung der
ländlichen Strukturen und ihrer Leistungsfähigkeit festzusetzen;

– die Qualität und Abstimmung der internationalen entwicklungspoli-
tischen Aufbauarbeit kritisch zu hinterfragen und eine überzeugende
Harmonisierung der fragmentierten Unterstützungsleistungen zu ver-
abschieden;

– entsprechende Transparenz- und Qualitätskriterien für den nichtstaat-
lichen Sektor (NGO – Non-Governmental Organization) aufzustellen;

– die im Anhang II des Compacts angestrebte Verbesserung der Effek-
tivität der Zusammenarbeit durch die Formulierung klarer Erwartun-
gen an die afghanische Regierung und die internationale Gemeinschaft
hinsichtlich von Transparenz und Zuverlässigkeit umzusetzen;

– der Umsetzung der Ziele im Bildungsbereich besondere Priorität ein-
zuräumen, vor allem im bislang vernachlässigten Bereich der höheren
Schulbildung und Hochschulbildung;

– die angestrebte regionale Zusammenarbeit konsequent zu verbessern
und unter Einbeziehung der Nachbarstaaten realistische Ziele für die
Möglichkeit der Rückkehr afghanischer Flüchtlinge zu benennen;

3. Sicherheit

– dem Aufbau der nationalen und Grenzpolizei hohe Priorität einzuräu-
men und für gemeinsame Standards und Qualität aller Ausbildungspar-
teien zu sorgen;

– realistische und langfristige Ziele für den Aufbau einer professionellen
und rechtstaatlich funktionierenden Polizei zu formulieren und den
Erfolg der Polizeiausbildung nicht nur an Zahlen und die nominale
Umsetzung des Stellenplans zu knüpfen;

– die EUPOL-Mission (European Union Police Mission to Afghanistan)
entsprechend deutlich personell und finanziell aufzustocken;

– abgestufte und detaillierte Zielmarken für den Aufbau der Afghan
National Army (ANA) zu entwickeln;

– Reibungsverluste zwischen US- und EU-Maßnahmen beim Polizeiauf-

bau zu verringern und auf bessere Abstimmung bei der US- und EU-
Strategie zu drängen;

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– bei der Drogenbekämpfung regional abgestimmt vorzugehen und nicht
auf die Vernichtung der Felder zu setzen, wo noch keine ausreichenden
alternativen Wirtschaftsangebote bestehen sowie konkrete Zielmarken
für 2009 und 2010 zu benennen;

– bei der Unterbindung des Drogenschmuggels ohne Rücksicht auf
Stellung und Funktion Einzelner strafrechtlich vorzugehen und auf in-
ternationaler Ebene die Sanktionsmöglichkeiten von VN-Resolution
1735 voll auszuschöpfen und die Zusammenarbeit im Bereich der
Grenzpolizei mit den Nachbarstaaten zu verbessern.

Berlin, den 3. Juni 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

Die Pariser Konferenz muss zu einer kritischen Überprüfung und Korrektur des
Compacts genutzt werden und realistische wie verbindliche Ziele benennen. Die
Herausforderungen auf vielen Gebieten sind enorm. Sie können von der afgha-
nischen Bevölkerung und Regierung sowie der internationalen Gemeinschaft
nur mit gemeinsamer Kraftanstrengung und effektivem Multilateralismus be-
wältigt werden. Die UNAMA mit ihrem neuen Repräsentanten Kai Eide muss
dabei eine zentrale Rolle spielen.

Viele Zielmarken in allen Bereichen der Entwicklungszusammenarbeit, die der
Afghanistan Compact bis Ende 2010 benennt, sind kaum mehr realistisch und
müssen nachgebessert werden. Der Compact benennt Zielmarken, formuliert
aber keine Zwischen- und Teilziele und beschreibt zu ungenau, auf welche
Weise die internationale Gemeinschaft und die afghanische Regierung ihre Ziele
erreichen wollen. Hinsichtlich der Umsetzung und konkreter Fortschritte fehlen
Transparenz und zuverlässige Evaluierung. Ein „Revised Afghanistan Com-
pact“ muss eindeutige Priorisierungen benennen. Darüber hinaus muss eine
kohärente übergeordnete Strategie erstellt werden, die die Vielzahl und das
Nebeneinander der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit der unterschied-
lichen Geberstaaten und Durchführungsorganisationen entbürokratisiert, eva-
luiert und vereinheitlicht.

Dies bedeutet, dass sich die Geber als erstes untereinander über Ziele und Ab-
sichten abstimmen müssen, bevor man in den Dialog mit dem afghanischen
Partnerland tritt. Vor dem Hintergrund der Komplexität der von internationaler
Gemeinschaft mit der afghanischen Regierung geschaffenen Strukturen fehlt vor
allem noch immer die einheitliche Linie der Geberpolitik. Diese unzureichende
Kohärenz wird deutlich in zentralen Bereichen des Wiederaufbaus wie z. B. dem
Polizei- und Justizaufbau oder der Drogenbekämpfung. Die Anfangsphase der
Präsenz in Afghanistan mit weitgehend strategisch unabhängig agierenden
„Lead-Nations“ hat dazu beigetragen.

Die Umsetzung des Afghanistan Compacts soll durch zwei Anhänge gewähr-
leistet werden: Anhang I mit Zielmarken zum Wiederaufbau in Übereinstim-
mung mit der ANDS und Anhang II zur „Verbesserung der Effektivität der Hilfe
in Afghanistan.“ Der Compact beschreibt Zielmarken in den drei großen Berei-
chen Sicherheit, Regierungsführung/Menschenrechte sowie wirtschaftliche und
soziale Entwicklung. Diese wurden in der Interim-ANDS (ANDS-I) festge-

schrieben und in der von der afghanischen Regierung vorgelegten endgültigen

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/9428

Entwicklungsstrategie ausgeführt. Die afghanische Regierung hat am 21. April
2008 diese endgültige Version der ANDS vorgelegt.

Bisher konnte die im Compact in Anhang II geforderte Verbesserung der Effek-
tivität der Zusammenarbeit noch nicht umgesetzt werden. In Anhang II heißt es:
„Diese gegenseitigen Verpflichtungen sollen sicherstellen, dass die Geberhilfe
für Afghanistan effizient und effektiv eingesetzt wird, größere Transparenz und
Verantwortlichkeit gegeben sind und sowohl die Afghanen als auch die Steuer-
zahler in den Geberländern etwas für ihr Geld bekommen.“ Hinsichtlich der
Transparenz existieren weiter große Defizite. Zuverlässige Evaluierungen und
eine Offenlegung der Verwendung aller Leistungen, wie im Compact gefordert,
fehlen sowohl seitens der afghanischen Regierung wie auf Seiten der interna-
tionalen Gemeinschaft.

Die Empfehlung, mehr Gelder über den Staatshaushalt umzusetzen ist grund-
sätzlich richtig, aber schwierig zu realisieren, solange afghanische staatliche
Strukturen nur unzureichend funktionieren und Verwaltungsstrukturen durch
Korruption und politische Rivalitäten gelähmt werden. Die schwierigen Heraus-
forderungen beim Aufbau eines Staates in einem „failed state“ dürfen aber nicht
dazu führen, den afghanischen Staat als Objekt des Wiederaufbauprozesses
auszuklammern. Die Gratwanderung zwischen einer gezielten Stärkung der af-
ghanischen Kapazitäten und Eigenverantwortung sowie klaren Vorgaben und
Erwartungen der internationalen Gebergemeinschaft muss erfolgreich gestaltet
werden. Demzufolge müssen mehr Bemühungen unternommen werden, afgha-
nische Kapazitäten zu stärken. Die erfolgreiche Umsetzung der ANDS wird
entscheidend von Fortschritten in diesem Bereich abhängen. Insofern ist auch
die im Raum stehende Zahl von 50 Mrd. US-Dollar Zusagen der internationalen
Gemeinschaft zu überprüfen, mit den angestrebten Zielen und Kapazitäten in
Einklang zu bringen und an konkrete Evaluierungsmechanismen zu knüpfen.

Es besteht Einigkeit darüber, dass Afghanistan weiterhin immense Ressourcen
für den Wiederaufbau braucht. Diese müssen umsichtig und nachhaltig inves-
tiert werden. Eine Perspektive, die Unterstützung ausschließlich an Finanzmittel
knüpft, aber keine Strategiediskussion führt ist nicht hilfreich. Da, wo seitens der
afghanischen Regierung Standards oder Auflagen der Gebergemeinschaft nicht
eingehalten oder offensiv verletzt werden, müssen Sanktionsmaßnahmen erwo-
gen werden. Die internationale Gemeinschaft befindet sich zur Unterstützung
der afghanischen Regierung im Lande und betont das Ziel afghanischer Eigen-
verantwortung. In der Verantwortung der internationalen Gemeinschaft liegt
gleichwohl dafür zu sorgen, dass Gelder nicht ineffektiv oder an falscher Stelle
eingesetzt werden.

Der Compact hält zu Recht fest, dass Sicherheit nicht allein durch militärische
Mittel zu gewährleisten ist. Dort wo militärische oder polizeiliche Mittel ein-
gesetzt werden, müssen sie auf einer rechtlichen Grundlage stehen. Die Weiter-
führung von OEF (Operation Enduring Freedom) als „Anti-Terror“-Einsatz ist
in diesem Zusammenhang kontraproduktiv und untergräbt die Legitimität von
ISAF (International Security Assistance Force). Eine Vereinheitlichung der
Strategie im militärischen Einsatz, aber auch bei der zivil-militärischen
Zusammenarbeit und bei der Ausbildung ist notwendig. Großer Nachholbedarf
besteht bei der Polizeiausbildung. Das erhebliche Gefälle zwischen US- und
EU-Ansatz, sowohl was den Umfang als auch die Konzeption der Ausbildung
angeht, ist problematisch. Durch eine Schnellausbildung der afghanischen
Polizei werden einerseits kaum ausreichende Qualitätsstandards eingehalten
werden können. Andererseits muss sich das Engagement der EU ebenso den
Realitäten und dem Bedarf vor Ort anpassen und sich an zeitnahen Resultaten
orientieren. Korruption innerhalb der Polizei auf regionaler und lokaler Ebene

stellt ein dringliches Problem dar.

Drucksache 16/9428 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Der Schwerpunkt muss in der Stärkung der staatlichen Strukturen liegen, wo bis-
her die größten Defizite bestehen. Die Stärkung der afghanischen Kapazitäten ist
eine Grundvoraussetzung, um einen erfolgreichen Aufbau unter afghanischer
Eigenverantwortung voranzutreiben. Die internationale Gemeinschaft muss in
Fällen beweisbarer Korruption oder Verwicklung von Einzelpersonen in den
Drogenschmuggel härter durchgreifen und sich dafür einsetzen, dass es zu
Gerichtsverfahren kommt. In Übereinstimmung mit VN-Resolution 1735 soll-
ten Personen, welche terroristische Strukturen und die Taliban unterstützen,
international sanktioniert und rechtlich verfolgt werden. Die bisherige de facto
gewährte Straffreiheit gefährdet eine effektive Korruptionsbekämpfung und die
Einführung praktikabler Stellenberufungsverfahren.

Schließlich muss das afghanische Justizwesen effektiv gestärkt werden, um
Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte entsprechend der afghanischen Verfas-
sung zu verwirklichen. Die bisherigen Anstrengungen in diesem Bereich sind
nicht ausreichend und stehen in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Bedarf vor
Ort. Im Compact wurde das Ziel formuliert, dass die Reform des Justizwesens
eine „Priorität der afghanischen Regierung und der internationalen Gemein-
schaft“ ist. Dennoch ist das afghanische Justizwesen bisher nicht in der Lage,
Mindeststandards der Rechtspflege in Afghanistan zu gewährleisten.

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