BT-Drucksache 16/9403

Arbeitsintegration behinderter Menschen und die Rolle der Integrationsfachdienste

Vom 30. Mai 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9403
16. Wahlperiode 30. 05. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Katja Kipping, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge,
Diana Golze, Kornelia Möller, Elke Reinke, Frank Spieth, Sabine Zimmermann
und der Fraktion DIE LINKE.

Arbeitsintegration behinderter Menschen und die Rolle der
Integrationsfachdienste

In Deutschland leben rund 8,6 Millionen amtlich anerkannte Menschen mit Be-
hinderungen, davon sind mehr als die Hälfte im erwerbsfähigen Alter. In Bezug
auf die Arbeitsvermittlung dieser Personengruppe ist bereits das Rechtsverhält-
nis der Sozialgesetzbücher IX (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Men-
schen), II (Grundsicherung für Arbeitsuchende) und III (Arbeitsförderung) zu-
einander eine schwierige Materie. Die Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik
im Zuge der Hartzgesetzgebung und der Übergang der Strukturverantwortung
für die Integrationsfachdienste am 1. Januar 2005 von der Bundesagentur für
Arbeit auf die Integrationsämter sowie die Implementierung neuer Anlaufstel-
len für behinderte Arbeitsuchende führte zu weiteren Unsicherheiten.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Regelungen (Paragrafen) des Sozialgesetzbuches (SGB) IX sind für
die Arbeitsvermittlung behinderter Menschen und für die konkrete Ausge-
staltung der Leistungen im Einzelfall relevant – sowohl in Bezug auf Leis-
tungsempfängerinnen und -empfänger nach dem SGB II als auch nach dem
SGB III (bitte übersichtliche Gegenüberstellung)?

2. Inwiefern müssen jeweils die Träger der Rechtskreise SGB II und SGB III
die Absätze 1 bis 8 des § 33 SGB IX (Leistungen zur Teilhabe am Arbeits-
leben) bei der Ausgestaltung der Leistungen berücksichtigen?

Müssen beispielsweise die Träger des SGB II Eignung, Neigung und bis-
herige Tätigkeit (§ 33 Abs. 4 SGB IX) sowie Wunsch- und Wahlrecht (§ 9
SGB IX) behinderter Hartz-IV-Empfängerinnen und -empfänger berück-
sichtigen?

Wie, und warum unterscheidet sich diese Handhabung von nicht behinderten
Hartz-IV-Empfängerinnen und -empfängern?

3. Welche Relevanz haben diejenigen Regelungen im SGB IX, die sich auf die

Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsleben beziehen, von
den Trägern der Rechtskreise SGB II und SGB III aber nicht berücksichtigt
werden müssen?

Drucksache 16/9403 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

4. Was plant die Bundesregierung, um die Mitfinanzierung der Integrations-
fachdienste (IFD) durch die Leistungsträger der Arbeitsvermittlung sicher-
zustellen, da die Beauftragung der IFD seitens der Bundesagentur für
Arbeit (BA) seit dem Übergang der Strukturverantwortung für die IFD am
1. Januar 2005 von der BA auf die Integrationsämter massiv zurückgegan-
gen ist?

5. Wie steht die Bundesregierung zu dem Vorschlag, die Beteiligung der IFD
durch eine Gesetzesänderung in den §§ 110 SGB IX (Aufgaben der Inte-
grationsfachdienste) und 37 SGB III (Beauftragung Dritter mit der Ver-
mittlung) sicherzustellen, indem dort aus der Kann-Leistung eine Muss-
Leistung formuliert wird (siehe dazu auch den Beschluss der Arbeits- und
Sozialministerkonferenz vom November 2007 zur regelhaften Beauftra-
gung der IFD)?

6. Wie steht die Bundesregierung zu dem Argument der BA, das Instrument
des § 37 SGB III ziele ausschließlich auf den Vermittlungserfolg ab, gebe
keinen Auftrag für eine ganzheitliche Betreuung vor und demnach seien
auch die IFD „von den Agenturen für Arbeit in Bezug auf VGS (Vermitt-
lungsgutscheine) prinzipiell wie ein privater Arbeitsvermittler zu behan-
deln“ (siehe Grundsätze zur Nutzung und Mitfinanzierung der Integra-
tionsfachdienste, Bundesagentur für Arbeit, November 2004)?

Ist diese Einschätzung der BA gesetzeskonform trotz des gesetzlich fest-
geschriebenen umfassenden Arbeitsvermittlungs und -begleitungsauftrags
der IFD?

7. Wie viele von den IFD im Auftrag der BA erfolgreiche Arbeitsintegratio-
nen schwerbehinderter Menschen gab es in den Jahren 2005 bis 2007 (bitte
aufgeschlüsselt nach Jahren und Bundesländern)?

8. Wie viele von den IFD im Auftrag der BA erfolgreiche Arbeitsintegratio-
nen schwerbehinderter Menschen wurden den IFD von der BA in den Jah-
ren 2005 bis 2007 nicht vergütet, nur weil diese Integrationen nicht exakt
innerhalb der Zuweisungsdauer der Bewerber lagen, es sich um eine er-
folgreiche Hinführung schwerbehinderter Arbeitsloser zu selbstständiger
oder freiberuflicher Tätigkeit handelte oder aus anderen Gründen, die den
Verdingungsunterlagen der BA für die Vergabe von Aufträgen nicht genau
entsprachen (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren und Bundesländern)?

9. Welche Zukunft haben nach Ansicht der Bundesregierung die IFD an-
gesichts der wettbewerbsorientierten und auf kurzfristige Vermittlungser-
folge zielenden Vergabepraxis der BA, die den Sinn der IFD konterkariert
– nämlich langfristig orientierte und komplexe Integrationsstrategien anzu-
wenden?

10. Welchen konkreten Beitrag liefert derzeit die umstrukturierte ZAV (Zentrale
Auslands- und Fachvermittlung/früher: Zentralstelle für Arbeitsvermitt-
lung) der BA, die vor ihrer Umstrukturierung regelmäßig hohe Erfolgs-
quoten bei der Arbeitsvermittlung schwerbehinderter Akademikerinnen und
Akademiker aufweisen konnte?

11. An welche Stellen können sich schwerbehinderte Akademikerinnen und
Akademiker derzeit wenden, um kompetente Beratung zu erhalten?

In welchem kooperativen Verhältnis stehen diese Stellen zu den IFD?

12. Welche Aufgaben hat die neu geschaffene Koordinierungsstelle Reha/SB
bei der ZAV der BA?

Gibt es bereits regionale Reha/SB-Teams für schwerbehinderte Menschen?
Falls ja, bei welchen Trägern sind diese angesiedelt, und in welchem ko-
operativen Verhältnis stehen diese zu den IFD?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/9403

13. Wie viele Jobcenter oder andere Träger nach dem Rechtskreis des SGB II
haben freiwillig Beratungs- und/oder Vermittlungsstellen für behinderte
Arbeitsuchende eingerichtet?

In welchem kooperativen Verhältnis stehen diese Stellen zu den IFD?

14. Wann ist mit der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales ange-
kündigten übersichtlichen Vereinheitlichung der Regelungen im Bereich
Arbeitsvermittlung schwerbehinderter Menschen zu rechnen?

Berlin, den 30. Mai 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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