BT-Drucksache 16/9387

Internationales Jahr für sanitäre Grundversorgung 2008 der Vereinten Nationen - Chancen und Potentiale der Sanitärversorgung

Vom 28. Mai 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9387
16. Wahlperiode 28. 05. 2008

Große Anfrage
der Abgeordneten Dr. Uschi Eid, Nicole Maisch, Rainder Steenblock, Marieluise
Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Alexander Bonde, Hans-Josef Fell, Bettina
Herlitzius, Winfried Hermann, Ulrike Höfken, Thilo Hoppe, Ute Koczy, Sylvia
Kotting-Uhl, Kerstin Müller (Köln), Winfried Nachtwei, Omid Nouripour, Claudia
Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Jürgen Trittin und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Internationales Jahr für sanitäre Grundversorgung 2008 der Vereinten Nationen –
Chancen und Potentiale der Sanitärversorgung

Wasser- und Sanitärversorgung sind ein Schlüssel zur nachhaltigen ökono-
mischen und sozialen Entwicklung. Mangelnde Fortschritte bei Wasser- und
Sanitärversorgung werden Fortschritte bei der Armutsbekämpfung und der
ökonomischen Entwicklung stark behindern. Aufgrund der natürlichen Wasser-
kreisläufe und des regional unterschiedlichen Wasserdargebots sind Wasser-
und Sanitärversorgung vielerorts untrennbar miteinander verbunden. Ohne ein
substantiell verstärktes Engagement, bei dem zugleich die Wasser und Sanitär-
versorgung gleichberechtigte Bestandteile sind, sind nachhaltige Verbesserun-
gen unmöglich, wie etwa in Zusammenhang mit der Gesundheit, der Ge-
schlechtergleichstellung und der Bildung.

Die sanitäre Grundversorgung ist in der internationalen Entwicklungspolitik in
ihrer Bedeutung deutlich unterschätzt und steht noch immer stark im Schatten
der Wasserversorgung. Daher haben die Vereinten Nationen die Jahre 2005 bis
2015 als Wasserdekade ausgerufen und das Jahr 2008 auf Initiative des Berater-
kreises für Wasser und sanitäre Grundversorgung des UN-Generalsekretärs
(UNSGAB) zum „Internationalen Jahr der sanitären Grundversorgung“ ausge-
rufen. Der Deutsche Bundestag (Bundestagsdrucksache 16/2758) und die Bun-
desregierung haben diese Initiative von Anbeginn an unterstützt. Zudem setzt
sich die Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN mit ihrem aktuellen
Antrag zur Modernisierung der Wasserwirtschaft dafür ein, dass Deutschland
sowohl national als auch international zur Umsetzung einer nachhaltigen Was-
serwirtschaft beiträgt.

1,1 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser,
während mehr als doppelt so viele, nämlich 2,6 Milliarden Menschen oder
ca. 40 Prozent der Weltbevölkerung, keinen Zugang zu sanitärer Grundversor-

gung wie etwa Toiletten und Abwassersystemen besitzen. Mit den Millenniums-
entwicklungszielen (MDGs) hat sich die internationale Gemeinschaft dazu ver-
pflichtet, bis zum Jahr 2015 den Anteil der Menschen ohne Zugang zu Wasser-
und Sanitärversorgung zu halbieren. Während WHO-Angaben vom Jahr 2008
zufolge das Wasserziel auf gutem Wege ist, ist das Sanitärversorgungsziel weit
davon entfernt, diese Zielmarke zu erreichen. Werden die nationalen und inter-
nationalen Anstrengungen nicht substantiell erhöht, ist beispielsweise abzuse-

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hen, dass das Sanitärversorgungsziel in Afrika erst 2076 realisiert werden kann,
wie der Human Development Report von 2006 unterstreicht. Im Mai dieses
Jahres zieht die UN-Kommission für nachhaltige Entwicklung Bilanz bisheri-
ger Beschlüsse und deren Umsetzung im Bereich Wasser und Sanitär-
versorgung.

Die Auswirkungen verschmutzten Wassers als Entwicklungshindernis sind im-
mens. Rund 80 Prozent aller Krankheiten in Entwicklungsländern sind durch
verschmutztes Wasser verursacht. Die Hälfte aller Krankenhausbetten ist mit
Patienten belegt, die an wasserbedingten Krankheiten leiden. Rund 5 000 Kin-
der unter fünf Jahren sterben täglich an den Folgen schmutzigen Wassers – ein
Vielfaches der Kinder, die an AIDS sterben. Allein die Sanitärversorgung kann
die Kindersterblichkeit mehr als halbieren. Wasser- und Sanitärversorgung sind
daher die beste Präventivmedizin. Die Arbeitsausfälle und Gesundheitsausga-
ben, die südlich der Sahara wegen unhygienischer Wohn- und Lebensbedingun-
gen infolge unzureichender Wasser- und Sanitärversorgung auftreten, kosten
Afrika laut UNDP jährlich fünf Prozent der Wirtschaftskraft und damit mehr
Geld als der Kontinent im Jahr 2003 an Entwicklungshilfe und Schuldenerlas-
sen erhielt. Investitionen in die Sanitärversorgung sind überaus lohnend: Jeder
in den Sektor investierte Euro erbringt laut Human Development Report 2006
einen durchschnittlichen volkswirtschaftlichen Gewinn von 9 Euro. Die auf-
grund steigenden Verbrauchs und des Klimawandels schrumpfenden Süßwas-
servorkommen werden durch die defizitäre Abwasserentsorgung nach Angaben
von UN Water erheblich belastet: 70 Prozent der Industrieabwässer in Entwick-
lungsländern werden ungeklärt in die Umwelt geleitet. Bei den kommunalen
Abwässern sind es sogar 90 Prozent. Mehr als 200 Millionen Tonnen mensch-
licher Ausscheidungen gehen jährlich unbehandelt in die Umwelt und ver-
schmutzen die Wasserressourcen und die Wohnumgebung der Menschen.

Deutschland fällt im Kreis der entwicklungspolitischen Partner eine besondere
Verantwortung für die Verbesserung der Sanitärversorgung zu: Die damalige
rot-grüne Bundesregierung war als Gastgeber und Initiator der Internationalen
Süßwasserkonferenz in Bonn 2001 eine treibende Kraft dafür, dass das Sanitär-
Millenniumsziel auf dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannes-
burg 2002 nachträglich in den Katalog der Millenniumsziele aufgenommen
wurde.

Um dem Sanitär-Millenniumsziel nachhaltig näher zu kommen, gilt es, dem
Thema auf der innenpolitischen Agenda der betroffenen Länder, aber auch auf
der internationalen politischen Tagesordnung eine höhere Priorität einzuräu-
men, die Kapazitätsentwicklung voranzutreiben, das Marketing von Sanitärver-
sorgung auszubauen, adäquate Finanzmittel zu generieren und das Monitoring
zu stärken. Besonderes Augenmerk verdient das Potential wiederverwertungs-
orientierter Ansätze der Sanitärversorgung, die durch Wassereinsparung und
Umwandlung von Fäkalien zu Biogas oder Dünger wichtige und kostengüns-
tige Beiträge leisten können, um Ressourcen zu schützen, die Anpassung an
den Klimawandel und die landwirtschaftliche Entwicklung zu fördern. Zudem
können auch internationale Regelwerke an der Schnittstelle zwischen Umwelt-
und Entwicklungspolitik sowie eine verbesserte Koordination verschiedener
Akteure einen Beitrag dazu leisten, die Sanitärversorgung politisch zu stärken
und ihre Implementierung zu verbessern.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie beurteilt die Bundesregierung die Auffassung des ehemaligen UN-Ge-
neralsekretärs, Kofi Annan, dass Wasser- und Sanitäre Grundversorgung der
Schlüssel zur Armutsbekämpfung sind und welche Konsequenzen schließt

sie daraus für ihre internationale Kooperation?

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2. Welche Bilanz zieht die Bundesregierung über ihre seit 2005 getroffenen
abwasserpolitischen Maßnahmen und Entscheidungen zur Umsetzung der
Kapitel 18 und 21 der Agenda 21 (UN-Konferenz zu Umwelt und Entwick-
lung, Rio de Janeiro, 1992) sowie der Folgebeschlüsse es Weltgipfels für
nachhaltige Entwicklung von Johannisburg 2002, sowohl für die internatio-
nale Ebene als auch im Inland?

3. Wie schätzt die Bundesregierung die Wahrscheinlichkeit ein, dass das Mil-
lenniums-Entwicklungsziel (Millennium Development Goal – MDG) im
Bereich der sanitären Grundversorgung zu erreichen und welche wesent-
lichen Engpässe stehen Fortschritten entgegen?

4. Wie lassen sich die Beiträge von Fortschritten beim Sanitärziel zu anderen
Millenniumszielen quantifizieren (bitte aufschlüsseln)?

a) Wie hoch sind die Verluste an Volkseinkommen durch mangelhafte Sani-
tärversorgung in Entwicklungsländern global, in Afrika, Asien und
Lateinamerika, und wie stark könnte die Erreichung des Sanitärziels
diese jeweils verringern?

b) Welche Bedeutung misst die Bundesregierung der Sanitärversorgung für
die Gesundheitssituation in Entwicklungsländern zu?

c) Sieht die Bundesregierung die Sanitärversorgung in der internationalen
Entwicklungspolitik im Gesundheitssektor ausreichend repräsentiert?

d) Welche Entlastungspotentiale bietet das Erreichen des Sanitärziels hin-
sichtlich der öffentlich wie individuell zu tragenden Gesundheitskosten
in Entwicklungsländern?

e) Wie erklärt und bewertet die Bundesregierung die Feststellung von
WaterAid, dass die globale Entwicklungszusammenarbeit (official deve-
lopment assistance – ODA) für „Gesundheit“ und „Bildung“ sich seit
1990 fast verdoppelte, während der Anteil für Wasser und Sanitärversor-
gung schrumpfte, obwohl 80 Prozent aller Krankheiten wasserbedingt
sind?

5. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung der Sanitärversorgung und
der Abwasserbehandlung für die Qualität der globalen Süßwasserressourcen
bei?

6. Welche Bedeutung haben Sanitärsysteme nach Einschätzung der Bundes-
regierung dafür, klimabedingt zunehmende Überschwemmungskatastrophen
in Städten und ihre Folgen für Mensch und Umwelt zu minimieren?

7. Welche Chancen und Potentiale erblickt die Bundesregierung im Internatio-
nalen Jahr für Sanitäre Grundversorgung, den Anstrengungen zur Verbesse-
rung der Sanitärversorgung einen Schub zu verleihen?

a) Welche Beiträge, zu welchem Zweck und an welche Organisationen, leis-
tet die Bundesregierung, um das internationale Sanitärjahr zu unterstüt-
zen, sei es auf nationaler oder internationaler Ebene?

b) Ist die Bundesregierung bereit, eine Führungsrolle für eine internationale
Initiative zu übernehmen, um den Anstrengungen zur Erreichung des
Sanitärziels bis 2015 einen Schub zu verleihen – vor dem Hintergrund
der Tatsache, dass Deutschland auf der internationalen Wasserkonferenz
in Bonn 2001 die treibende Kraft war, dass sanitäre Grundversorgung
nachträglich noch auf der UN-Konferenz zur Nachhaltigen Entwicklung
in Johannesburg 2002 in den Katalog der Millenniumsziele aufgenom-
men wurde?
Wenn ja, wie will sie eine solche Initiative gestalten?

Wenn nein, warum nicht?

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c) Welche Initiativen hat sie mit welchem Erfolg ergriffen, die Sanitärver-
sorgung international höher auf die entwicklungspolitische Agenda zu
setzen?

d) Welche freiwilligen Beiträge an die Vereinten Nationen (siehe Antwort
auf die schriftliche Frage 59 auf Bundestagsdrucksache 16/7676) in
welcher Höhe und an welche Organisationen der Vereinten Nationen
sieht die Bundesregierung in Zusammenhang mit dem IYS (Inter-
national Year of Sanitation 2008) vor, und wofür sollen die Mittel ver-
wendet werden (bitte aufschlüsseln)?

e) Welches sind die Politikdialoge und Konferenzen, auf die die Bundes-
regierung in ihrer Antwort auf die schriftliche Frage 59 auf Bundestags-
drucksache 16/7676 verwiesen hat, wer veranstaltet diese und wie wer-
den sie durch die Bundesregierung gefördert?

8. In welcher Weise ist die Bundesregierung ihrer Verpflichtung aus dem
Johannesburg Plan of Implementation, Kapitel 4 Abs. 25 nachgekommen,
ein Aktionsprogramm zur Erreichung der Wasser- und Sanitärversorgungs-
Millenniumsziele zu starten

9. Welche internationalen Aktionspläne zur Erreichung der Wasser- und Sani-
tärversorgungs-Millenniumsziele mit globaler Reichweite sind der Bundes-
regierung bekannt?

a) Wie bewertet sie diese?

b) Wie unterstützt sie die Umsetzung und die Träger dieser Pläne?

10. Wie bewertet die Bundesregierung die Forderung im UNDP-Bericht zur
menschlichen Entwicklung von 2006 nach einem Globalen Aktionsplan für
Wasser- und Sanitäre Grundversorgung und von welchen internationalen
Bemühungen hat sie Kenntnis, diesen auf den Weg zu bringen?

11. Welche konkreten Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der
Ankündigung von UN-Generalsekretär Ban ki-Moon in seiner Rede vor
dem Weltwirtschaftsforum in Davos im Januar 2008: „Was wir letztes Jahr
für den Klimawandel getan haben, wollen wir für Wasser und Entwicklung
in 2008 tun“?

12. Betrachtet die Bundesregierung die sanitäre Grundversorgung als Men-
schenrecht und welche Schritte unternimmt sie, um dieses völkerrechtlich
zu stärken?

13. Welche Ziele verfolgt die Bundesregierung im Bereich Sanitärversorgung
bis 2015 als Zieljahr der MDGs, sowie für den Zeitraum nach dem Zieljahr
2015 im Rahmen ihrer eigenen Entwicklungskooperation sowie gemein-
sam mit internationalen Partnern?

14. Wie plant die Bundesregierung die Sitzungen der Commission on
Sustainable Development im Jahr 2008 und 2012 strategisch für das Errei-
chen des Sanitär-Millenniumsziels zu nutzen?

15. Zu welchen Ergebnissen hat die bilaterale Kooperation der Bundesregie-
rung seit 2002 geführt und wie viel mehr Menschen haben hierdurch Zu-
gang zu sanitärer Grundversorgung erhalten?

16. In welchen Ländern ist die Kooperation im Wasserbereich für die tech-
nische und die finanzielle Zusammenarbeit ein Schwerpunktthema, in wel-
chen ist Sanitärversorgung expliziter Kooperationsbestandteil und welche
dieser Länder sind für die Erreichung des Millenniumsziels Sanitäre
Grundversorgung bzw. Wasserversorgung „on track“ (bitte aufschlüsseln)?

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17. In welcher Weise integriert die Bundesregierung die sanitäre Grundver-
sorgung in relevante Sektorpolitiken (etwa in den Bereichen Gesundheit,
Bildung, Frauen, Wirtschaftsentwicklung und Umwelt) und wie stellt sie
sicher, dass in allen von ihr geförderten Projekten angemessene und ge-
schlechtergetrennte Toiletten zur Verfügung stehen?

18. Welche Anteile der deutschen Entwicklungszusammenarbeit im Sanitär-
bereich gehen in den ländlichen Raum, welche in urbane Gebiete und wie
begründet die Bundesregierung dies?

19. In welchem Verhältnis stehen im Bereich der Sanitärversorgung der Mittel-
einsatz der Bundesregierung zur Unterstützung von wiederverwertungs-
orientierten Ansätzen der Sanitärversorgung (ecosan) und der Mitteleinsatz
zur Unterstützung konventioneller Systeme, sowie der Mitteleinsatz für
dezentrale und der für zentrale Systeme (bitte gesondert aufschlüsseln)?

20. Welche Anstrengungen unternimmt die Bundesregierung, die Anwendung
des ecosan-Ansatzes substantiell auszuweiten?

21. Inwiefern sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf dafür, auch in
Deutschland weitere bundespolitische Maßnahmen im Hinblick auf die
Abwasserbeseitigung, Verwertung und der Siedlungshygiene zu ergreifen?

Die Rolle der Entwicklungsländer

22. Welche wesentlichen Engpässe sieht die Bundesregierung in Entwick-
lungsländern, die Fortschritten entgegenstehen?

a) Welche Rolle spielen dabei die Tabuisierung des Themas und Kapazi-
tätsmängel?

b) Was tut die Bundesregierung, um diese Engpässe beseitigen zu helfen?

23. Wie und in welchem Umfang fördert die Bundesregierung die Entwicklung
nationaler Strategien und Pläne von Entwicklungsländern für ihre Wasser-
und Sanitärversorgung?

In welcher Weise fördert die Bundesregierung Reformen des Sanitärsektors
in Entwicklungsländern?

24. Wie und in welchem Umfang fördert die Bundesregierung die Einbezie-
hung von Wasser- und Sanitärversorgung in die nationalen Poverty Reduc-
tion Strategy Papers (PRSP)?

a) Wie bewertet die Bundesregierung das bislang in diesem Bereich Er-
reichte?

b) In welchen unserer Partnerländer mit Schwerpunkt Wasser, die Schul-
denerlasse im Rahmen der HIPC (Heavily Indebted Poor Countries)-
Initiative erhalten haben, war die Sanitärversorgung von Anfang an Teil
der Armutsbekämpfungsstrategie, in welchen Ländern kam sie später
hinzu und wo fehlt sie ganz?

25. Inwieweit wird nach Kenntnis der Bundesregierung die Sanitärversorgung
in nationale IWRM (Integriertes Wasser-Ressourcen-Management)-Pläne
einbezogen, wie dies der Johannesburg Plan of Implementation in Kapitel 2
Abs. 8g vorsieht und unterstützt sie unsere Partnerländer – speziell die mit
Kooperationsschwerpunkt Wasser – dies zu tun?

26. Welche Aktionspläne zur Umsetzung der NePAD (New Partnership for
Africa’s Development) peer review-Berichte enthalten nach Kenntnis der
Bundesregierung Aktionen im Bereich der sanitären Grundversorgung und
wie bietet die Bundesregierung im Sinne den NePAD-Staaten zugesagten

bevorzugten Partnerschaften an, solche Aktionen zu unterstützen?

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27. Wie hoch müssten – gemessen sowohl am Bruttoinlandsprodukt als auch
als Anteil am nationalen Haushalt – die Ausgaben für sanitäre Grundver-
sorgung in unseren Partnerländern mit Schwerpunkt Wasser sein, um das
Millenniumsziel zu erreichen und welche globale Zielmarke empfiehlt die
Bundesregierung?

28. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Entwicklung der
Höhe der Finanzmittel, die Regierungen von Entwicklungsländern, insbe-
sondere unsere Partnerländer mit dem Schwerpunkt Wasser, in die Sanitär-
versorgung investieren und was tut sie, dafür zu werben, dass diese den
Anteil erhöhen?

29. Wie beabsichtigt die Bundesregierung, die Umsetzung der eThekwini
Ministererklärung der Afrikanischen Sanitärkonferenz „Africasan“ vom
Februar 2008 und der „Erklärung des Afrikanischen Wasserministerrats zur
Beschleunigung der Wassersicherheit für Afrikas sozioökonomische Ent-
wicklung” vom März 2008 zu unterstützen?

Kapazitätsentwicklung und Sanitärversorgungs-Marketing

30. Welche Rolle misst die Bundesregierung der Kapazitätsentwicklung für
das Sanitärversorgungs-Millenniumziel bei, welche Defizite sieht sie in
diesem Bereich und wie trägt die Bundesregierung in ihrer Entwick-
lungskooperation dazu bei, diese zu beseitigen?

31. Wie bewertet die Bundesregierung die Potentiale und das Ausmaß des ge-
genwärtigen Kapazitätsaufbaus bei

a) dem lokalen Handwerk und dem Privatsektor,

b) den Beschäftigten im Bereich Wasser- und Sanitärversorgung,

c) traditionellen Methoden der Sanitärversorgung,

d) wiederverwertungsorientierten Ansätzen der Sanitärversorgung,

e) Politikern und Verwaltungsmitarbeitern auf allen politischen Entschei-
dungsebenen,

f) Wissenschaft und Forschung?

g) Wie fördert die Bundesregierung die genannten Akteure und Methoden?

32. Welche Aktivitäten führt das 2007 eröffnete „UN Water Decade Programm
on Capacity Development“ mit Sitz in Bonn in Bezug auf die Sanitärver-
sorgung durch, und in welcher Weise ist für ein ausgewogenes Verhältnis
der Aktivitäten in Bezug auf Wasser bzw. Sanitärversorgung Sorge getra-
gen?

33. Wie bewertet und wie unterstützt die Bundesregierung die Water Opera-
tor’s Partnership von UN-Habitat, die auf eine UNSGAB-Initiative zurück-
geht?

34. Welchen Stellenwert misst die Bundesregierung der Förderung von Nach-
frage nach sanitärer Grundversorgung für die Erreichung des Millenniums-
ziels in diesem Bereich bei und wie spiegelt sich dies in ihrer Entwick-
lungspolitik in dem Sektor wider?

35. Wie unterstützt die Bundesregierung die Bewusstseinsförderung und das
Sozialmarketing für die Sanitärversorgung?

a) Welche modernen Ansätze der Verhaltensänderung (wie etwa commu-
nity-led total sanitation) betrachtet die Bundesregierung als besonders
wirkungsvoll und wie bezieht sie diese Ansätze in ihre Entwicklungszu-

sammenarbeit ein?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/9387

b) Welche Lehren lassen sich aus erfolgreichen Ansätzen zur Enttabuisie-
rung von AIDS für die Sanitärversorgung ziehen und inwiefern bezieht
die Bundesregierung diese in ihre Entwicklungskooperation ein?

36. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass die Nutzer sanitärer Grundver-
sorgung, insbesondere die Frauen, aber z. B. auch Slumbewohner, eine
zentrale Rolle bei der Konzeption der von ihr geförderten Sanitärversor-
gungsmaßnahmen besitzen?

37. Wie stellt die Bundesregierung bei ihren Förderungsentscheidungen sicher,
dass bei bewilligten Projekten im Bereich der sanitären Grundversorgung,
einschließlich der Abwasserbehandlung, für Wartung, Betrieb und Über-
wachung personelle Kapazitäten und fachliches Wissen nachhaltig vor Ort
vorhanden sind?

Finanzierung

38. Mit welchem Finanzbedarf rechnet die Bundesregierung für die Erreichung
des Millenniumsentwicklungsziels bei der sanitären Grundversorgung und
welche Beträge sind nach ihrer Einschätzung von den nationalen Regierun-
gen, der Privatwirtschaft und der öffentlichen Entwicklungshilfe aufzubrin-
gen?

39. Mit welchem Finanzbedarf rechnet die Bundesregierung dafür, bestehende
Systeme der sanitären Grundversorgung zu rehabilitieren und zu erhalten?

40. Welche Strategien verfolgt die Bundesregierung, um dazu beizutragen, die
bestehenden Finanzierungslücken zu schließen?

41. Wie hat sich der Anteil der internationalen ODA (anteilig an der gesamten
ODA sowie nominell) für Wasser und Sanitärversorgung sowie der für
Sanitärversorgung alleine seit 1990 jährlich entwickelt und wie bewertet
die Bundesregierung dies?

42. Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, dass Angaben von UNEP
(United Nations Environment Programme) aus dem Jahr 2004 zufolge zwi-
schen 1999 und 2001 nur ca. 4 Prozent der ODA-Mittel für die Abwasser-
behandlung eingesetzt wurden, und welchen Anteil ihrer EZ-Mittel setzt
die Bundesregierung hierfür ein?

43. Wie beurteilt die Bundesregierung die Forderung nach der Einführung
einer gesonderten Berichterstattung der Entwicklungs- und Geberländer
über ihre finanziellen Aufwendungen für Wasser- und Sanitärversorgung
und wie begründet sie ihre Haltung?

44. Welche Ziele verfolgt die Bundesregierung im Hinblick auf die Beteiligung
des Privatsektors an der Schließung der Finanzierungslücke, welche Chan-
cen und Risiken sieht sie dabei und welche sozialen und ökologischen
Standards müssen die Unternehmen einhalten?

45. Welche Rolle kann die neu gegründete „German Water Partnership“ dabei
spielen, Privatinvestitionen in die Sanitärversorgung in Entwicklungslän-
dern zu lenken?

46. Wie fördert die Bundesregierung die Bereitstellung von Bankkrediten, ein-
schließlich Mikrokrediten, für Sanitärversorgung?

Monitoring

47. Wie beurteilt die Bundesregierung die Qualität der Daten, die WHO und
UNICEF im Rahmen des „Joint Monitoring Programs“ (JMP)“ zur Errei-

chung der Wasser- und Sanitärziele der internationalen Staatengemein-
schaft zur Messung von Fortschritten vorlegen?

Drucksache 16/9387 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

48. Wie müssten nach Meinung der Bundesregierung die JMP-Indikatoren ver-
ändert werden, um ein realistisches Bild vom Zugang zu einer für Men-
schen und Wasserressourcen unbedenklichen und nachhaltigen Sanitärver-
sorgung zu geben?

49. Besteht die Gefahr, dass unzureichende JMP-Daten eine Unter- oder
Fehlallokation von Mitteln verursachen könnten?

50. Ist die Bundesregierung bereit, federführend Reformen im derzeitigen
Monitoringsystem anzustoßen, wie es auf der Weltwasserwoche 2007 ge-
wünscht wurde, welche Schritte hat sie diesbezüglich unternommen, und
welche inhaltlichen Reformen strebt sie dabei an?

51. Welche Geber finanzieren mit welchen Mitteln das JMP und hält die Bun-
desregierung diese Finanzierung für ausreichend?

52. Wie bewertet die Bundesregierung das Vorhaben eines jährlichen globalen
Monitoringberichts?

53. Welche Relevanz misst die Bundesregierung der Stärkung nationaler
Monitoringsysteme bei und in welcher Weise unterstützt sie dies?

Potentiale wiederverwertungsorientierter Ansätze („ecosan“) für Ressourcen-
schutz, Anpassung an den Klimawandel und die Landwirtschaft

54. Wie schätzt die Bundesregierung die Kosteneffektivität und den möglichen
maximalen volkswirtschaftlichen Nutzen der Wiederverwendung von Nähr-
stoffen aus Fäkalien und der Wiederverwertung von Abwässern im Ver-
gleich zu konventionellen Konzepten ein, wenn wiederverwertet wird

a) für die Düngung in der Landwirtschaft,

b) für die Energieerzeugung, vor allem in Haushalten,

c) für die landwirtschaftliche Bewässerung?

55. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, welchen Beitrag die
Energieerzeugung aus wiederverwertungsorientierten Ansätzen der Sani-
tärversorgung dazu leisten könnte, den Ausstoß an Treibhausgasen zu ver-
ringern, und ist die Bundesregierung bereit, hierzu eine Studie in Auftrag
zu geben, wenn verlässliche Daten noch fehlen?

56. Welche internationalen Pläne und Strategien zum Klimawandel beinhalten
die Wiederverwendung von Fäkalien für erneuerbare Energie sowie die
Wiederverwertung von Abwässern, um dazu beizutragen, klimabedingt zu-
nehmende regionale Wasserknappheiten auszugleichen, und wie bewertet
die Bundesregierung dies?

57. In welcher Weise setzt sich die Bundesregierung für den Ausbau der wie-
derverwertungsorientierten Sanitärkonzepte gegenüber den Partnerländern
und anderen Gebern ein?

58. Wie und entsprechend welcher Regelungen ist die Wiederverwertung
menschlicher Exkremente als Dünger in der deutschen und in der euro-
päischen Gesetzgebung beschränkt (für die Nahrungsmittelproduktion und
für andere Bereiche der Agrarwirtschaft) und welchen Reformbedarf sieht
die Bundesregierung hierbei, um die Entwicklung und den Transfer von
Technologien und Wissen zu befördern?

59. Wie fördern die Bundesregierung und die EU wiederverwertungsorientierte
Sanitärtechnologien,

a) in Erforschung und Entwicklung,

b) betreffend deren Einsatz in Entwicklungsländern,
c) betreffend deren Einsatz in Deutschland und in der EU,

d) betreffend deren Export in Entwicklungsländer?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/9387

60. Wie lange werden nach Erkenntnis der Bundesregierung – in Anbetracht
der zu erwartenden Trends im Düngemitteleinsatz und der Nahrungs-
produktion – die für die Kunstdüngerproduktion notwendigen Phosphor-
vorkommen ausreichen?

a) Wie werden sich die Kunstdüngerpreise und damit verbunden die Preise
von Agrarprodukten mit der Verknappung des Rohstoffes entwickeln?

b) Welche internationalen und deutschen Strategien existieren in Bezug auf
den Schutz der Phosphorressourcen?

61. In welcher Weise unterstützt die Bundesregierung die Sustainable Sanita-
tion Alliance, in der die wiederverwertungsorientierte Sanitärversorgung
eine wichtige Rolle spielt?

62. Welche Kriterien, insbesondere zur Gewährleistung der Nachhaltigkeit (in
Bezug auf Umwelt-, Gesundheits-, technische und kulturelle Aspekte) und
der Kosteneffizienz legt die Bundesregierung ihren Förderentscheidungen
im Bereich der sanitären Grundversorgung zu Grunde und wie fließen die
zusätzlichen Vorteile wiederverwertungsorientierter Ansätze darin ein?

Koordination und Kohärenz

63. Wo bestehen nach Auffassung der Bundesregierung bei der Koordination,
der Abgrenzung von Aufgabengebieten und der Kohärenz der internationa-
len Arbeit verschiedener internationaler Akteure im Bereich der sanitären
Grundversorgung Verbesserungsmöglichkeiten?

64. Wie beurteilt die Bundesregierung die Koordinierungsleistung von
UN Water?

a) Welche Relevanz misst die Bundesregierung der Koordinierungsauf-
gabe der im Frühjahr 2007 neu gegründeten UN Water Sanitation task
force bei?

b) In welcher Weise unterstützt die Bundesregierung die Arbeit von
UN Water und der UN Water Sanitation task force und ist sie bereit,
UN Water institutionell zu stärken, etwa durch Beiträge zu einem
UN Water Sekretariat?

c) Welche Schritte wird die Bundesregierung unternehmen, um dafür zu
sorgen, dass eine UN-Institution eine permanente Federführung für den
Bereich der sanitären Grundversorgung übernimmt?

65. In welcher Weise stimmt die Bundesregierung ihre Entwicklungszusam-
menarbeit im Bereich der Sanitärversorgung im EU-Rahmen sowie mit
weiteren Gebern ab, und welche Ergebnisse haben Abstimmungen bislang
erbracht?

Aktivitäten multilateraler und Regionalorganisationen sowie der EU

66. Wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass die Behandlung des
Themas „Wasser und sanitäre Grundversorgung“ auf dem G8-Gipfel 2008
zu substantiellen Ergebnisse und neuen Impulsen führt?

a) Welche Stoßrichtung wird sie dabei verfolgen?

b) Wie setzt sie sich dafür ein, die sanitäre Grundversorgung im UN-Sani-
tärjahr 2008 besonders hervorzuheben?

Drucksache 16/9387 – 10 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

67. Wie bewertet die Bundesregierung die Umsetzung der auf Sanitärversor-
gung bezogenen Teile des G8-Afrika-Aktionsplans von Kananaskis und
des Wasseraktionsplans des G8-Gipfels von Evian im Jahr 2003?

In welcher Weise hat die Bundesregierung dazu beigetragen?

a) Welcher G8-Staat hat beim G8-Wasseraktionsplan die Federführung für
Sanitärversorgung?

68. Wie bewertet die Bundesregierung die Aktivitäten der Weltbank und der
regionalen Entwicklungsbanken und was tut die Bundesregierung dafür,
dass diese ihre Anstrengungen zum Ausbau der sanitären Grundversorgung
verstärken?

69. Wie bewertet die Bundesregierung die Ausrichtung und den Umfang der
Entwicklungszusammenarbeit der EU im Bereich der Sanitärversorgung?

a) Welchen Stellenwert besitzt sie in der EU-AU-Infrastukturpartnerschaft,
in der EUWI (EU Water Initiative) und weiteren EU-Institutionen und
- programmen (bitte gesondert aufschlüsseln)?

70. Welche Arbeitsteilung innerhalb der EU-Mitgliedstaaten strebt die Bundes-
regierung betreffend der sanitären Grundversorgung an?

Internationale Regelwerke an der Schnittstelle zwischen Entwicklungs- und
Umweltpolitik

71. Wie bewertet die Bundesregierung die Gefahren, die von ungeklärten kom-
munalen und industriellen Abwässern sowie von Sickerwasser aus wilden
Mülldeponien ausgehen,

a) für die menschliche Gesundheit,

b) für die Umwelt (Oberflächen- und Grundwasser, die Meere und Küsten-
ökosysteme, sowie die Böden),

c) für die Erreichung des Millenniumsziels bei der Versorgung mit saube-
rem Trinkwasser?

72. Welche Defizite sieht die Bundesregierung bei bestehenden internationalen
Regelungen und Empfehlungen, die die Verschmutzung von Gewässern
durch Haushalts- und gewerbliche Abwässer betreffen, sowie bei deren
Umsetzung?

a) Welche Strategien verfolgt die Bundesregierung und welche Ansatz-
punkte sieht sie, bestehende Normen zu stärken?

73. Welches Potential erblickt die Bundesregierung in der UN-Konvention
über das Recht der nicht-schifffahrtlichen Nutzung internationaler Wasser-
läufe von 1997, die in den Artikeln 21, 23 und 27 auf das Problem der Was-
serverschmutzung und des Schutzes von Gewässern und der Meere eingeht
und welche Schritte unternimmt sie, um zum Inkrafttreten dieser UN-Kon-
vention beizutragen?

74. Wie beurteilt die Bundesregierung das Vorhaben, über eine ratgebende
Funktion hinausgehende, globale, regionale und nationale Abwasseremis-
sionsziele zu etablieren und zu erreichen?

75. Wie unterstützt die Bundesregierung die dahingehenden, von UNEP gelei-
teten Bemühungen, die auf dem Globalen Aktionsprogramm zur „Was-
hingtoner Erklärung über den Schutz der marinen Umwelt von landgestütz-
ten Aktivitäten“ von 1995 basieren, zu dessen Umsetzung auch im Johan-
nesburg Plan of Implementation in Kapitel 4 Abs. 3 aufgerufen wird?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 11 – Drucksache 16/9387

76. Wie bewertet die Bundesregierung die Umsetzung der die Abwasserbe-
handlung betreffenden Teile der von der CSD 13 von 2005 verabschiedeten
Politikempfehlungen und wie befördert sie deren Umsetzung?

77. Inwiefern beinhaltet die aktualisierte Wasserpolitik und -strategie von
UNEP den Bereich der sanitären Grundversorgung und das Abwasser-
management und wie beurteilt die Bundesregierung diese?

78. Erachtet die Bundesregierung eine globale Wasserkonvention als erstre-
benswert, und wie begründet sie ihre Haltung?

Berlin, den 28. Mai 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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