BT-Drucksache 16/9386

Zu der Mitteilung der EU-Kommission über eine europäische Kulturagenda im Zeichen der Globalisierung und dem Arbeitsplan des Rates im Kulturbereich 2008 bis 2010

Vom 28. Mai 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9386
16. Wahlperiode 28. 05. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Uschi Eid, Katrin Göring-Eckardt, Grietje Staffelt, Marieluise
Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Alexander Bonde, Thilo Hoppe, Ute Koczy,
Kerstin Müller (Köln), Winfried Nachtwei, Omid Nouripour, Claudia Roth
(Augsburg), Rainder Steenblock, Jürgen Trittin und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zu der Mitteilung der EU-Kommission über eine europäische Kulturagenda
im Zeichen der Globalisierung und dem Arbeitsplan des Rates im Kulturbereich
2008 bis 2010

Im Mai 2007 übermittelte die EU-Kommission eine Mitteilung an das Euro-
päische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss
und den Ausschuss der Regionen über eine europäische Kulturagenda im
Zeichen der Globalisierung (KOM(2007) 242 endg. vom 10. Mai 2007). Die
EU-Kommission unterstreicht darin die zentrale Rolle der Kultur im europäi-
schen Integrationsprozess und insbesondere den interkulturellen Dialog und die
kulturelle Vielfalt als weltweite Herausforderung. Vor allem bei der Schaffung
und beim Ausbau von Wettbewerbsvorteilen hebt die EU-Kommission die Be-
deutung der Kultur hervor: Kultur sei „unverzichtbar“, damit die EU ihre strate-
gischen Ziele Wohlstand, Solidarität und Sicherheit erreichen und gleichzeitig
ihre Präsenz auf der internationalen Bühne ausbauen könne. Der kulturelle
Reichtum und die Vielfalt Europas stellten einen großen „Vorzug in einer virtu-
ellen und wissensbasierten Welt“ dar. Der Kultursektor in Europa sei zudem ein
„äußerst dynamischer Katalysator für Wirtschaftswachstum und Arbeitsplatzbe-
schaffung in der gesamten EU“, eine vitale Kulturindustrie stelle eine „einzigar-
tige Innovationsquelle“ für die Zukunft dar. Dieses Potenzial solle künftig besser
genutzt und ausgeschöpft werden.

Erstmals existiert mit dieser Mitteilung eine umfassende Kulturstrategie für die
Europäische Union, wobei die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für den Kul-
turbereich und die Bedeutung des Subsidiaritätsprinzips ausdrücklich aner-
kannt werden. Die EU-Kommission betont den unterstützenden bzw. ergänzen-
den Charakter aller Maßnahmen, die auf der Grundlage von Artikel 151 EGV
(Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft) erfolgen sollen. Die in
diesem Rahmen zu entwickelnde Agenda strebe Synergien auf europäischer
Ebene an und orientiere sich an drei miteinander verbundenen Hauptzielen: der

Förderung der kulturellen Vielfalt und des interkulturellen Dialogs, der Förde-
rung der Kulturwirtschaft im Rahmen der Lissabon-Strategie sowie der Förde-
rung der Kultur als wesentliches Element der internationalen Beziehungen.

Zur Umsetzung empfiehlt die EU-Kommission die sogenannte offene Koordi-
nierungsmethode (OKM). Hierbei handelte es sich ursprünglich um ein Instru-
ment zur Umsetzung der Lissabon-Strategie. Die OKM setzt auf die freiwillige
Kooperation der EU-Mitgliedstaaten in verschiedenen Politikfeldern und bietet

Drucksache 16/9386 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

spezielle Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit zwischen den Mitglied-
staaten. Ihr Zweck ist es, die nationalen Politiken auf die Realisierung be-
stimmter gemeinsamer Ziele auszurichten. Bei dieser Form der Regierungszu-
sammenarbeit werden Mitgliedstaaten auf der Basis gemeinsam festgelegter
Messinstrumente (Leitlinien, Indikatoren, Statistiken) sowie anhand von
„Benchmarking“ durch andere Mitgliedstaaten bewertet („Peer Pressure“).
Zentraler Akteur ist der Rat der Europäischen Union, die EU-Kommission soll
den Prozess überwachen.

Der Bundesrat hat sich in seinem Beschluss vom 6. Juli 2007 (Bundesrats-
drucksache 325/07) nachdrücklich gegen die Einführung der offenen Koordi-
nierungsmethode ausgesprochen. Der Bundesrat weist insbesondere darauf hin,
dass die EU zwar im Kulturbereich einen eigenen Beitrag leisten könne, dieser
jedoch rein subsidiär, als Ergänzung zur Kulturpolitik der Mitgliedstaaten erfol-
gen müsse. Für eine eigene europäische Kulturpolitik gebe es über Artikel 151
EGV hinaus keine Rechtsgrundlage. Auch im Entwurf für eine Entschließung
des Rates zur EU-Kommissionsmitteilung (Ratsdok. 14045/07) finden sich auf
der Ebene der Mitgliedstaaten erkennbare Einwände gegenüber dem EU-Kom-
missionstext. So dürfe die Anwendung der OKM nur im Rahmen eines flexi-
blen Konzepts erfolgen, das zudem speziell auf den Kultursektor zugeschnitten
sei. Die Kompetenzen der Mitgliedstaaten – auch ihrer lokalen und regionalen
Ebenen – müssten ausreichend berücksichtigt und auch das Prinzip der Freiwil-
ligkeit müsse eingehalten werden.

Die Entschließung des Rates ist am 16. November 2007 in Kraft getreten und in
die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 14. Dezember 2007 auf-
genommen worden. Die Ziele der europäischen Kulturagenda wurden außer-
dem in den Entwurf für den künftigen dreijährigen Arbeitsplan des Rates im
Kulturbereich 2008 bis 2010 eingefügt. Im Rahmen des Kulturministerrates
wurden die Schlussfolgerungen des Rates zum Arbeitsplan im Kulturbereich
2008 bis 2010 am 21. Mai 2008 angenommen.

Am 7. Mai 2008 wurde die Mitteilung der EU-Kommission zum ersten Mal im
Ausschuss für Kultur und Medien und damit zum allerersten Mal im Deutschen
Bundestag behandelt. Obwohl Kulturstaatsminister Bernd Neumann im Kultur-
ausschuss einen Bericht zur Europäischen Kultur- und Medienpolitik lieferte
und sich danach eine Fragerunde der Abgeordneten anschloss, wurden die Fra-
gen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur EU-Mitteilung über eine
europäische Kulturagenda sowie zum Arbeitsplan des Rates im Kulturbereich
2008 bis 2010 nicht zufriedenstellend beantwortet.

Wir fragen deshalb die Bundesregierung:

1. Wie ist die Position der Bundesregierung zur Mitteilung der EU-Kommis-
sion über eine europäische Kulturagenda im Zeichen der Globalisierung und
deren Bedeutung für die Kultur?

2. Welche Schwerpunkte setzt die Bundesregierung bei der Umsetzung der in
der EU-Kommissionsmitteilung angesprochenen Ziele?

3. Wie beurteilt die Bundesregierung die Einführung der offenen Koordinie-
rungsmethode zur Umsetzung der in der EU-Mitteilung formulierten Ziele?

4. Wie geht die Bundesregierung mit dem Bundesratsbeschluss zur EU-Mittei-
lung um, insbesondere mit den Vorbehalten der Länder gegenüber der offe-
nen Koordinierungsmethode sowie der Forderung, einem vom Bundesrat
benannten Vertreter der Länder die Verhandlungsführung zur Umsetzung der
Vorschläge der EU-Kommission zu übertragen, da dies in die Kulturhoheit
der Länder fiele?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/9386

5. Wie stellt die Bundesregierung unter Berücksichtigung der offenen Koordi-
nierungsmethode eine funktionierende Zusammenarbeit mit den Ländern
zur Umsetzung der Mitteilung sicher?

6. Wie bewertet die Bundesregierung die in der Mitteilung angesprochene
Gründung eines EU-AKP-Kulturfonds, und welche Kenntnisse hat sie über
den derzeitigen Stand dieser Planung sowie die Resonanz der anderen Mit-
gliedstaaten darauf?

7. Welche Schwerpunkte, Vorschläge und Forderungen hat die Bundesregie-
rung im Vorfeld in den Entwurf für den Arbeitsplan des Rates im Kultur-
bereich 2008 bis 2010 eingebracht?

8. An welchen Arbeitsgruppen (Mitgliedschaft auf Basis des Freiwilligkeits-
prinzips) zur Umsetzung des Arbeitsplans des Rates im Kulturbereich 2008
bis 2010 nimmt die Bundesregierung teil, und durch welche Personen ist
sie darin vertreten (aufgeschlüsselt nach den einzelnen Arbeitsgruppen):

● Arbeitsgruppe zur Mobilität von Künstlern und sonstigen Kulturschaf-
fenden,

● Arbeitsgruppe zur Mobilität von Kunstsammlungen und zu den Tätig-
keiten von Museen

● Arbeitsgruppe für Synergien zwischen Kultur und Bildung

● Arbeitsgruppe zur Kultur- und Kreativwirtschaft

● Dienststellenübergreifende Gruppe für Kultur zur Gewährleistung der
Umsetzung des UNESCO-Übereinkommens über den Schutz und die
Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen?

9. Welches sind die konzeptionellen Vorschläge, die die Bundesregierung laut
ihrer Mitteilung vom 7. Mai 2008 zur „Initiative Kultur- und Kreativwirt-
schaft der Bundesregierung“ in die entsprechende Arbeitsgruppe der EU
einbringen wird?

10. In welcher Form wird die Bundesregierung dazu beitragen, die Tätigkeiten
der statistischen Arbeitsgruppe „Kultur“ wieder in Gang zu bringen, und
welche Schwerpunkte will sie in diese Arbeitsgruppe einbringen?

11. Wird die Bundesregierung den Vorsitz einer Arbeitsgruppe übernehmen?

Mit welcher Begründung?

12. In welcher Form und in welchen Zeitabständen wird die Bundesregierung
den Deutschen Bundestag über die Tätigkeit der Arbeitsgruppen informie-
ren?

Berlin, den 28. Mai 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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