BT-Drucksache 16/9313

Afrika beim Schutz der Umwelt, des Klimas und der Anpassung an den Klimawandel unterstützen

Vom 28. Mai 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9313
16. Wahlperiode 28. 05. 2008

Antrag
der Abgeordneten Ute Koczy, Thilo Hoppe, Kerstin Müller (Köln), Dr. Uschi Eid,
Bärbel Höhn, Undine Kurth (Quedlinburg), Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck
(Köln), Alexander Bonde, Winfried Nachtwei, Omid Nouripour, Claudia Roth
(Augsburg), Manuel Sarrazin, Rainder Steenblock, Jürgen Trittin und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Afrika beim Schutz der Umwelt, des Klimas und der Anpassung an den
Klimawandel unterstützen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Umwelt und Ressourcen – so stellen die Autoren des Africa Environment Out-
look 2007 des Umweltprogramms der Vereinten Nationen fest – sind der größte
Reichtum Afrikas. Diese können, so sie nachhaltig genutzt werden, zur Entwick-
lung Afrikas beitragen. Aktuell zeigen allerdings viele Trends in eine andere
Richtung. Besondere Herausforderungen bilden die fortschreitende Entwaldung
durch Abholzung und Nutzung von Holz zum Kochen und Heizen, das Vordrin-
gen der Wüste, der Verlust der Biodiversität, der nicht nachhaltige Umgang mit
Wasser in der Landwirtschaft, sowie die oftmals nicht nachhaltige Rohstoff-
gewinnung, sei sie legal oder illegal. Der weltweite Wettlauf um knapper wer-
dende Ressourcen kann bestehende negative Trends verschärfen.

Gerade aber der Klimawandel bedeutet für Afrika eine besondere Herausforde-
rung. Kein Kontinent wird so stark vom Klimawandel betroffen sein, wie Afrika.
Werden keine angemessenen Antworten auf die Umwelt- und Ressourcen-
probleme wie auch den Klimawandel gefunden, so drohen in den kommenden
Jahrzehnten verstärkt Nahrungsmittelknappheit, Hungerrevolten, Verteilungs-
konflikte und Zunahme von Umweltflüchtlingen.

Der Schutz der Umwelt muss weltweit, aber gerade auf dem afrikanischen Kon-
tinent einen höheren Stellenwert bekommen. Dabei kann man sich nicht allein
auf die Vielzahl von zivilgesellschaftlichen Initiativen, wie beispielsweise das
„Green Belt Movement“, welches die heutige Nobelpreisträgerin Waangari
Maathai ins Leben gerufen hat oder der „African Climate Appeal“, verlassen.
Laut des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) muss der Erhalt
der Umwelt auf Regierungsebene dramatisch an Bedeutung gewinnen.
Viele afrikanische Staaten haben zwar die Bedeutung des Umweltschutzes er-
kannt, so die Einschätzung des Berichts, doch aktuell gehören Umweltministe-
rien und Umweltinstitutionen zu den „schwachen Akteuren“ auf dem Kontinent.
Zudem fehlt es weiterhin auf vielen Gebieten an der notwendigen Expertise, um
schwerwiegende ökologische Problemfelder entsprechend anzugehen. Es fehlen
zudem wichtige internationale Schutzregelungen wie zum Beispiel die Umset-

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zung des UN-Abkommens zur biologischen Sicherheit beim Umgang mit gen-
technisch veränderten Organismen (Biosafety-Protokoll) in nationales Recht.

Aber es gibt auch Anzeichen, dass im Rahmen der Afrikanischen Union und der
Neuen Partnerschaft für Afrikas Entwicklung NEPAD vor allem durch den 2003
verabschiedeten NEPAD-Umweltaktionsplan dem Schutz der Umwelt ein höhe-
rer Stellenwert eingeräumt wird.

Die EU hat sich gegenüber Afrika verpflichtet, hierauf zu reagieren. Der ge-
meinsame Aktionsplan von EU und AU im Rahmen der in Lissabon Ende 2007
beschlossenen Gemeinsamen Strategie sieht explizit den Aufbau einer Partner-
schaft zur Bekämpfung des Klimawandels, einer Energiepartnerschaft wie auch
einer Partnerschaft zur Erreichung der Millenniumsziele vor.

Von afrikanischer, europäischer und deutscher Seite wird festgestellt, dass sich
bei gleichbleibender Entwicklung die Umweltparameter verschlechtern. Dieser
Befund muss als Weckruf dienen, die Anstrengungen zum Schutz und zum Er-
halt der Umwelt zu verstärken. Es kann dabei kein „entweder Umweltschutz und
nachhaltige Entwicklung oder Bekämpfung der Armut“ geben: Lange Zeit
dominierte im Entwicklungsdiskurs die Vorstellung, zuerst seien die sozialen
Probleme zu lösen und dann könne man sich – von einem höheren Wohlstands-
niveau ausgehend – auch dem Schutz der Umwelt verschreiben. Diese Trennung
ist in der heutigen Situation obsolet geworden. Auf einem Kontinent, auf dem
noch rund 70 Prozent der Bevölkerung vom Land und auf dem Land leben, hän-
gen Armutsbekämpfung und ein schonender Umgang mit der Umwelt unmittel-
bar zusammen.

Der Deutsche Bundestag sieht die Notwendigkeit der verstärkten Zusammenar-
beit mit Afrika in folgenden Bereichen:

1. Beim Kampf gegen den globalen Klimawandel und bei den Anstrengungen
zur Anpassung infolge des Klimawandels. Afrika ist mehr als andere Kon-
tinente vom Klimawandel betroffen, gleichzeitig aber auch durch seinen un-
geheuren Reichtum an biologischer Vielfalt und noch intakten Regenwäldern
für die Stabilisierung des Klimas weltweit von Bedeutung.

2. Bei der Fortentwicklung einer umwelt-, klima- und sozialverträglichen Land-
wirtschaft, die einen Schlüsselbereich für die Bekämpfung der Armut dar-
stellt. Insbesondere sollen auch konkrete Projekte und Programme zum
Schutz der Biologischen Vielfalt im Bereich der tropischen Regenwälder ent-
wickelt werden.

3. Bei der Rohstoffnutzung, deren Intensität in den vergangenen Jahren stark
zugenommen hat und auf lange Sicht weiter anhalten wird, ohne dass große
Teile der Bevölkerung in rohstoffreichen afrikanischen Staaten davon profi-
tiert hätten.

4. Bei der Verbesserung der Trinkwasserversorgung und des Zugangs zu sanitä-
rer Grundversorgung, ohne die wesentliche Entwicklungsziele nicht umge-
setzt werden.

5. Bei der Handels- und Umweltpolitik, bei denen Europa und Deutschland als
Hauptabsatzmärkte für afrikanische Produkte zur Verbesserung der Stan-
dards beitragen können, vor allem jedoch die eigene Kohärenz unterschied-
licher Politiken verbessern müssen.

6. Bei der Umsetzung internationalen Sicherheitsstandards zum Schutz der bio-
logischen Vielfalt beim Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen
(u. a. Biosafety-Protokoll) und bei Schutzregelungen im Zusammenhang der
Patentierung von genetischen Ressourcen;
7. Beim Aufbau nachhaltiger dezentraler Energiesysteme vorrangig durch die
Nutzung von Sonne, Wind, Geothermie und Wasser;

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Der Deutsche Bundestag verweist an dieser Stelle auch auf den Antrag „Tropen-
waldschutz braucht solide Finanzierung – Entwaldung vermeiden, Klima- und
Biodiversität schützen“ (Bundestagsdrucksache 16/9065) sowie den Antrag
„Erhalten, was uns erhält – Die UN-Konferenzen zur biologischen Sicherheit
und zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt zum Erfolg machen“
(Bundestagsdrucksache 16/8890).

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

Afrika im Klimawandel

1. Afrika bei den nötigen Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel
umfassend zu unterstützen;

2. Afrika bei der Entwicklung und Umsetzung nationaler Aktionspläne zur
Anpassung an den Klimawandel zu unterstützen;

3. sich für einen verbesserten Technologietransfer für die Vermeidung von Kli-
mawandel und die Anpassung an den Klimawandel einzusetzen;

4. sich dafür einzusetzen, dass wesentliche Mittel des Fonds zur Anpassung an
den Klimawandel für afrikanische Staaten zur Verfügung gestellt werden;

5. die Programme zum Erhalt der afrikanischen Tropenwälder bilateral aufzu-
stocken und sich ebenso in der Weltbank und der Afrikanischen Entwick-
lungsbank für einen Ausbau von Waldschutzprogrammen einzusetzen;

6. sich dafür einzusetzen, dass die afrikanischen Schutzgebiete und deren Ver-
netzung als zentrales Element zum Erhalt der biologischen Vielfalt und zur
Verminderung der Auswirkungen des Klimawandels auf die biologische
Vielfalt ausgebaut werden;

7. sicherzustellen, dass alle relevanten Programme der Entwicklungszusam-
menarbeit mit Afrika sowohl auf ihre Klimarelevanz überprüft werden, als
auch auf ihre Auswirkungen auf die biologische Vielfalt;

8. die Mittel für Programme der bilateralen Zusammenarbeit in Afrika für den
Erhalt der biologischen Vielfalt zu verdoppeln;

9. sicherzustellen, dass die Finanzierung des Klimaschutzes nicht zu Lasten
der Finanzierung anderer Millenniumsentwicklungszielen erfolgt;

10. anzuregen, dass im Rahmen von NEPAD und des African Peer Review Me-
chanism über eine länderübergreifende Politik zur Anpassung an den Kli-
mawandel und zum Klimaschutz beraten wird;

11. den Aufbau weiterer Forschungskapazitäten zum besseren Verständnis der
Auswirkungen des Klimawandels auf den afrikanischen Kontinent finan-
ziell zu fördern;

12. sich an der Einführung und Stärkung von Frühwarnungssystemen zu betei-
ligen;

13. den Aufbau zusätzlicher afrikanischer Kapazitäten („capacity building“),
der für die angemessene Beteiligung an den Klimaverhandlungen unerläss-
lich ist, zu fördern;

14. die grenzüberschreitende „Waldinitiative Kongobecken“ zu intensivieren
und gemeinsam mit den afrikanischen Partnern über neue Ansätze eines
verbesserten Waldschutzes zu verhandeln;

15. sich für verbindliche Regeln in Deutschland, der EU und der G8 einzuset-
zen, die den Handel mit illegal geschlagenem Holz wirkungsvoll unterbin-
den;

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16. sich dafür einzusetzen, dass die Bekämpfung des Klimawandels und die
Anpassung an den Klimawandel systematisch in die bilaterale und multi-
laterale Entwicklungspolitik und die Strategien zur Bekämpfung der Armut
integriert werden;

17. Afrikanische Nichtregierungsorganisationen und die afrikanische Zivilge-
sellschaft, die sich im Kampf gegen den Klimawandel engagieren, stärker
zu fördern;

Umweltverträgliche Landwirtschaft

18. sich für faire und gerechte Welthandelsabkommen, regionale Handelsab-
kommen und Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) einzusetzen und
jegliche Formen von Subventionen abbauen, die die afrikanische Landwirt-
schaft negativ beeinflussen;

19. den Marktzugang für afrikanische Produkte zu verbessern, sich für höhere
soziale und ökologische Standards einzusetzen und afrikanische Regierun-
gen mittels spezieller Schutzklauseln in die Lage zu versetzen, sensible Be-
reiche zu schützen;

20. keine landwirtschaftlichen Entwicklungsprogramme in Afrika zu fördern,
die den Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen vorsehen;

21. die Mittel für die Unterstützung der afrikanischen Landwirtschaft in der
bilateralen und multilateralen Entwicklungszusammenarbeit bis 2010 min-
destens zu verdoppeln und dabei besonders zur Stärkung der lokalen und
regional orientierten Landwirtschaft beizutragen;

22. bei allen Formen der Kooperation auf die besonderen Auswirkungen auf
Frauen zu achten und diese wo immer möglich einzubeziehen, da sie die
meiste Arbeit in der Landwirtschaft verrichten;

23. die Forschungsmittel für eine umwelt- und klimaangepasste afrikanische
Landwirtschaft aufzustocken und dabei besonders afrikanische Forschungs-
kapazitäten zu verbessern;

24. den Wissenstransfer aus der Forschung über nachhaltige Formen der Land-
wirtschaft zu verbessern;

25. den Schutz der biologischen Vielfalt und die Eindämmung der Wüsten-
ausbreitung durch nachhaltige Landnutzung zum obligatorischen Förder-
kriterium in allen hierfür relevanten Projekten und Programmen zu erheben;

26. Forschungskooperationen in den Bereichen Umwelt, erneuerbare Energien
zu schaffen und vorhandene auszubauen;

27. sich für verbindliche Regeln im Zusammenhang der Biopatentierung einzu-
setzen, so dass Patente auf Pflanzen, Tiere und biologische Züchtungsver-
fahren in der EU und international unterbunden werden und bei Patent-
anmeldungen die Herkunftsangabe zwingende Voraussetzung ist;

Umwelt und Rohstoffnutzung

28. die rohstoffreichen afrikanischen Partnerländer besonders in den Bereichen
gute Regierungsführung, Einhaltung sozialer und ökologischer Mindest-
standards in der Extraktionsökonomie, entwicklungsförderlicher Einsatz
der Rohstoffgewinne und in der Identifizierung und Entwicklung alternati-
ver Wirtschaftsbereiche zu unterstützen;

29. sich bei Privatbanken und Finanzinstitutionen dafür einzusetzen, mindes-
tens die sogenannten Equator Principles zu zeichnen und auf die Einhaltung

der dort festgelegten ökologischen und sozialen Standards zu achten;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/9313

30. sich in der G8 im Rahmen des „Heiligendamm-Prozesses“ dafür einzuset-
zen, mit den Schwellenländern ein Rohstoffregime auszuarbeiten, welches
Transparenzkriterien mit sozialen und ökologischen Standards kombiniert;

31. die afrikanischen Länder mit Kandidatenstatus bei der Transparenzinitiative
EITI technisch wie finanziell bei der Umsetzung der Kriterien zu unterstüt-
zen;

32. sich aktiv für EITI++ einzusetzen, so dass die Pilotphase mit Guinea und
Mauretanien erfolgreich abgeschlossen werden kann und zum integralen
Bestandteil des Gesamtkonzeptes werden kann;

33. sich dafür einzusetzen, dass die Rohstoffunternehmen aus den aufstreben-
den Schwellenländern, insbesondere China, am EITI-Prozess teilnehmen;

Umwelt und Wasser

34. eine internationale Initiative zu lancieren, um den UN-Generalsekretär da-
bei zu unterstützen, „Wasser und Entwicklung“ mit besonderem Fokus auf
Afrika 2008 zur Priorität auf der internationalen Agenda zu machen;

35. die für die Umsetzung der für ein nachhaltiges Wassermanagement beson-
ders relevanten Teile der Ministererklärungen der Afrikanischen Wasser-
woche von Tunis von März 2003 und der afrikanischen Sanitärkonferenz
„Africasan + 5“ sowie des Beschlusses des kommenden AU-Gipfels zu
Wasser und Sanitärversorgung entschlossen zu unterstützen;

36. sowie sich dafür einzusetzen, das Thema „Wasser und Abwasser in Afrika“
prominent auf die Tagesordnung des G8-Gipfels in Japan zu platzieren;

37. die Entwicklung und Implementierung von nationalen Plänen zum Integrier-
ten Wasserressourcenmanagement „Plänen zur Anpassung an den Klima-
wandel“ sowie das Integrierte Management von Wasser- und Landressour-
cen entschlossen zu unterstützen;

38. innovative und nachhaltige Konzepte bei Sanitärversorgung, Abwasser-
management und Wasserversorgung voranzutreiben, insbesondere die wie-
derverwertungsorientierten Ansätze der Sanitärversorgung von der Ebene
der Beispielprojekte zu breitenwirksamen Programmen auszubauen, die
Abwasserklärung in besonders kritischen Bereichen entschlossener zu un-
terstützen, und das gezielte „Ernten“ von sauberem Wasser (so genanntes
rainwater harvesting) als Wasserquelle zu fördern;

Handel und Umwelt

39. sich für eine „neue Generation“ von EU-Fischereiabkommen einzusetzen,
die zur fairen Beteiligung der lokalen und regionalen Bevölkerung an den
Vorteilen der Abkommen führt;

40. bei der Ausgestaltung von Fischereiabkommen den Aspekten der Ernäh-
rungssicherheit für die lokale und regionale Bevölkerung Vorrang einzuräu-
men;

41. gemeinsam mit den afrikanischen Partnern über nachhaltige Nutzungskon-
zepte vor Ort zu diskutieren.

Umwelt und Energie

42. sich im Rahmen der EU-Afrika Energiepartnerschaft für erhöhte Investitio-
nen im Bereich der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz einzu-
setzen und dabei jegliche Zusammenarbeit in Fragen der Nutzung der

Atomenergie auszuschließen;

Drucksache 16/9313 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

43. die Mittel für die bilateralen Programme der Förderung erneuerbarer Ener-
gien für afrikanische Staaten zu erhöhen;

44. die KfW-Sonderfazilität für erneuerbare Energien und Energieeffizienz in
Entwicklungsländern, deren Mittel aktuell durch Zusagen verausgabt sind,
aufzustocken und sicherzustellen, dass durch eine Mischfinanzierung jähr-
lich 800 Mio. Euro für die Fazilität generiert werden;

45. sich für die Fortsetzung des mit der Konferenz zu erneuerbaren Energien in
Bonn 2004 eingeleiteten Austauschs mit Entwicklungsländern, insbeson-
dere Stärkung des globalen Politiknetzwerks REN21 einzusetzen;

46. Einnahmen aus innovativen Formen der Entwicklungsfinanzierung auch
Energieprojekten in Afrika zugute kommen zu lassen;

47. sich dafür einzusetzen, dass Unternehmen, Banken, Fondsgesellschaften
und Pensionsfonds ihre Investitionen umlenken und einen wachsenden An-
teil in den Aufbau von erneuerbaren Energien in Entwicklungs- und
Schwellenländer lenken.

Berlin, den 28. Mai 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und die Fraktion

Begründung

Afrika im Klimawandel

Die Erkenntnisse des UN-Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate
Change – IPPC) über die Auswirkungen des Klimawandels sind eindeutig:
Afrika wird wie kein anderer Kontinent von den Folgen des Klimawandels be-
troffen sein. Die Fähigkeiten, aus eigener Kraft auf diese Herausforderungen zu
reagieren, sind eingeschränkt und machen den Kontinent besonders verletzlich.
Den Voraussagen der Forscher zu Folge wird damit ein Kontinent, der für keinen
relevanten Beitrag zur Erderwärmung verantwortlich ist, zu einem der Haupt-
leidtragenden.

In einem Aufruf von Afrikanerinnen und Afrikanern aus der Zivilgesellschaft
„Afrikas Stimme gegen den Klimawandel“ heißt es wie folgt: „In reichen Län-
dern ist der Klimawandel Anlass zur Sorge, weil er den Wohlstand der Bevölke-
rung gefährdet. Doch in Afrika, das zum Klimawandel kaum beiträgt, ist der
Klimawandel eine Frage von Leben und Tod.“

Missernten, Fortschreiten der Desertifikation, unregelmäßige Regenfälle, Über-
schwemmungen, Dürren – all diese Entwicklungen haben bereits begonnen. In
Teilen Afrikas steigen die Temperaturen doppelt so schnell wie in anderen Teilen
der Welt. Der Bericht des UN-Weltklimarats sagt, eine Verringerung der Ernten
bis zu 50 Prozent in der Getreideproduktion bis zum Jahr 2020 voraus. Ein er-
schreckendes Szenario.

Die Verfügbarkeit von Wasser wird unberechenbarer, dabei nehmen entweder
Überschwemmungen oder anhaltenden Dürren zu. Schon heute hat ein Viertel
der afrikanischen Bevölkerung keinen gesicherten Zugang zu ausreichendem
und sauberem Trinkwasser. Afrikas Landwirtschaft ist deshalb besonders klima-
sensibel, weil im wesentlichen Regenfeldbau betrieben wird. Sollte die Land-
nutzung durch die Folgen des Klimawandels eingeschränkt werden, schlägt die-

ses unmittelbar auf die Bevölkerung durch. Rund 70 Prozent der Bevölkerung

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/9313

arbeiten in der Landwirtschaft und leben von ihr. Zudem sind 40 Prozent der Ex-
porte agrarischer Natur.

Der Zusammenhang zwischen Klimawandel und Armut lässt sich auch an ande-
rer Stelle belegen. Da in der Regel keine angepassten sozialen Sicherungssys-
teme bestehen, bedeutet Ernteausfall fast automatisch die Einschränkung des
Nahrungsmittelverbrauchs, eine Zunahme von Unter- und Mangelernährung und
das Fehlen von Saatgut für die nächste Anbausaison. Zudem wird ein Vordringen
der Malaria und anderer Krankheiten infolge des Klimawandels beobachtet.

In jüngster Zeit wird vermehrt – beispielsweise im Bericht des Wissenschaft-
lichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU
2008) auf den Zusammenhang von Klimawandel und Sicherheit, sowie hierbei
die mögliche Zunahme von Konflikten hingewiesen. Die Verknappung von
nutzbaren Böden und Wasser kann zu Auseinandersetzungen innerhalb von
Staaten, aber auch zwischen Flussanrainerstaaten führen. Auch die Zahl inner-
afrikanischer Umweltflüchtlinge wird vermutlich infolge des Klimawandels zu-
nehmen.

Die Mehrzahl der afrikanischen Staaten emittiert geringe Mengen klimaschäd-
licher Gase infolge des vergleichsweise geringen Industrialisierungsgrades. Als
Ausnahme müssen die Abfackelung von Erdgas in Angola und Nigeria sowie
die starke Kohlenutzung in Südafrika betrachtet werden.

Der größte Ausstoß von CO2 ergibt sich aus der fortschreitenden Entwaldung
Äquatorialafrikas. Der in den afrikanischen Wäldern gebundene CO2-Vorrat
wird auf rund 60 Mrd. Tonnen geschätzt. Im globalen Vergleich speichert ledig-
lich das Amazonasbecken mehr CO2. Damit erfüllen die afrikanischen Wälder
eine unersetzbare Funktion zur Stabilisierung des Weltklimas. Entsprechende
finanzielle Anreize zum Erhalt des Regenwaldes müssten in naher Zukunft sys-
tematisch aufgebaut werden.

Deutschland unterstützt die „Waldpartnerschaft für das Kongobecken“ (CBFP)
und hat im vergangenen Jahr die Präsidentschaft dieser Initiative übernommen.
Im zentralafrikanischen Kongobecken befindet sich das weltweit zweitgrößte
Waldgebiet. Noch ist es nicht gelungen, die Bedrohung der Wälder durch illega-
len Holzeinschlag, Brandrodung und sonstige Übernutzung zu verhindern. Ur-
sächlich dafür sind unter anderem eine unkontrollierte Rohstoffausbeutung,
schwache Regierungen und die Nutzung von Holz zum Kochen und Heizen von
rund 500 Millionen Afrikanerinnen und Afrikanern.

Nach Angaben der Welternährungsorganisation (FAO) gehen weiterhin jährlich
1,3 Mio. ha Wald in der Region unwiederbringlich verloren. Erst jüngst (Dezem-
ber 2007) hat die Nichtregierungsorganisation Global Witness festgestellt, dass
keine annähernd ausreichende Überwachung zum Schutz der Wälder existiert.
Die materiellen Vorteile des Walderhalts für die relevanten lokalen und nationa-
len Akteure beim Waldschutz sind zu gering, als dass sie die Interessen eines un-
gebremsten Holzeinschlags ausgleichen könnten. Die Organisation spricht sich
daher für ein Moratorium industriell betriebener Waldnutzung aus, bis ein ver-
lässlicherer Rahmen für eine nachhaltige Nutzung besteht.

Auch wenn es selbstverständlich werden muss, alle entwicklungspolitischen
Programme auf ihre Klimaverträglichkeit zu überprüfen und gezielte Klima-
und Ressourcenschutzprogramme und Projekte auszuweiten, kann allein mit
den Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit keine adäquate Antwort auf die
Herausforderung des Klimawandels gegeben werden. Am Ende des Post-Kyoto-
Prozesses müssen neue Abkommen inklusive neuer Finanzierungsinstrumente
stehen, um wirkungsvoll die negativen Auswirkungen des Klimawandels zu
minimieren und die betroffenen Entwicklungsländer bei der Anpassung an den

Klimawandel zu unterstützen.

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Umweltverträgliche Landwirtschaft

Die globalen Nahrungsmittelpreise sind seit 2006 stark gestiegen. Nach Zahlen
des Amtes für humanitäre Angelegenheiten der Europäischen Kommission
(ECHO) stiegen die Preise für Grundnahrungsmittel im Durchschnitt um 40 Pro-
zent im Jahr 2007 und noch einmal um 20 Prozent in den ersten drei Monaten
des Jahres 2008. Seit 2000 hat sich der Weizenpreis verdreifacht, der Preis für
Mais und Reis verdoppelt. Von diesen Steigerungen sind afrikanische Staaten –
vor allem eine Vielzahl von Netto-Lebensmittel-Importeuren (Net-Food-Impor-
ting Countries) besonders betroffen. Zorn und Verzweiflung haben in einer
Reihe von Staaten – z. B. Kamerun, Senegal, der Elfenbeinküste, Mauretanien,
Äthiopien und Ägypten – zu Aufständen und gewaltsamen Protesten geführt.

Entscheidende Faktoren für die Preissteigerung – wie eine steigende Nachfrage
aus Asien, wachsender Konsum von tierischen Produkten, Ernteausfälle, hohe
Ölpreise und damit gestiegenen Kosten für Betriebsmittel und Transport, die
Nutzung von Biomasse als Agrokraftstoff – werden nach Ansicht von Experten
auch in der Zukunft relevant bleiben. Hinzu kommen die oben erwähnten nega-
tiven Auswirkungen der Klimawandels auf die landwirtschaftliche Produktion.
Steigende Preise für Agrarprodukte sind daher nach Einschätzung von OECD,
FAO und Weltbank kein vorübergehendes Phänomen. Auch wenn die Preise
volatiler werden, wird der Gesamttrend nach oben zeigen.

Die afrikanische Landwirtschaft ist heute von einer niedrigen Produktivität ge-
kennzeichnet. In der Getreideproduktion beträgt sie ein Viertel des globalen
Durchschnitts. Die Mehrheit der Armen lebt auf dem Lande, Bauern sind häufig
nicht in der Lage, die eigene Ernährung sicherzustellen. Auch wenn es – wie er-
wähnt – eine Reihe von Gründen für die aktuellen Preissteigerungen gibt, bleibt
festzuhalten, dass Afrika zu wenig Lebensmittel für den eigenen Kontinent pro-
duziert. Pro Kopf betrachtet ist die Produktion von Nahrungsmitteln im letzten
Jahrzehnt zurückgegangen. Wie belastend die hohen Preise für Nahrungsmittel
auch sein mögen, sie schaffen auch eine Gelegenheit in Entwicklungsländern,
die Produktion anzutreiben, da die Bauern mit entsprechend erhöhten Preisen
rechnen können.

Dies setzt allerdings voraus, dass die Bauern am regionalen Marktgeschehen
teilnehmen und von den höheren Preisen profitieren können. Oft fehlt es hierzu
allerdings an der einfachsten Infrastruktur wie nutzbaren Wegen oder einfachen
Lagern.

Umweltverträglichkeit und Wachstum gleichzeitig zu gewährleisten, darin be-
steht die Herausforderung. Eine dauerhafte Verbesserung der Lebensqualität
und die Bekämpfung der Armut müssen in erster Linie auf die Stärkung von
Kleinbauern setzen und ihre Produktivität steigern. In der jüngeren Vergangen-
heit wurde darauf entschieden zu wenig Wert gelegt. Strukturanpassungspro-
gramme von IWF und Weltbank haben notwendige Institutionen zur Stärkung
der Landwirtschaft geschwächt. Dieses mussten die internationalen Finanzinsti-
tutionen mittlerweile selber einräumen. Afrikanische Regierungen haben es
ihrerseits lange Zeit unterlassen, die Landwirtschaft systematisch zu fördern. Zu
diesem Ergebnis kamen zuletzt der Weltagrarbericht 2008, die Alliance for a
Green Revolution in Africa und der African Environment Outlook des Umwelt-
programms der Vereinten Nationen.

Um das Menschenrecht auf adäquate Nahrung erfüllen zu können, müssen inter-
nationale Institutionen und nationale Regierungen ihre Schwerpunkte neu set-
zen: nur eine umweltschonende und sozial gerechte Landwirtschaft wird Ernäh-
rungssicherheit in Afrika langfristig gewährleisten können.

Hierfür müssen Bäuerinnen und Bauern zunächst befähigt sein, für sich selbst

zu produzieren und Überschüsse lokal und regional zu vermarkten. Bei allen
Politikfragen muss die Beteiligung von Frauen gestärkt werden und die Auswir-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/9313

kungen einer jeden Intervention auf ihre Arbeit Berücksichtung finden. Denn
Frauen stellen die Mehrheit derjenigen, die in der Landwirtschaft arbeiten.

Der Ausbau der Infrastruktur markiert einen weiteren Schwerpunkt. Waren Stra-
ßen vormals auf die Verbindung zur Küste orientiert, wurden Verbindungen zu
anderen Regionen oder Nachbarländern vernachlässigt.

Eine weitere Voraussetzung für die Stärkung der Landwirtschaft bildet die Ver-
fügbarkeit von verbessertem Saatgut, das an die Standortbedingungen und ver-
änderte Klimaverhältnisse angepasst ist. Dazu muss die internationale For-
schung und gerade auch die eigene afrikanische Expertise über besonders geeig-
nete Nutzpflanzen und Nutztiere ausgebaut und der Wissenstransfer von bereits
bestehenden Ergebnissen massiv verbessert werden. Die Afrikanische Union hat
sich im Grundsatz auf die Förderung der Landwirtschaft verständigt. Im so ge-
nannten African Union‘s Comprehensive Agriculture Program wird eine jähr-
liche Wachstumsrate von 6 Prozent für die Landwirtschaft angestrebt. Damit
möglichst breite Teile der Bauernschaft ihre Produktivität steigern können, ist
der Zugang zu Krediten mit erschwinglichen Zinsraten notwendig.

Das asiatische Vorbild einer „grünen Revolution“ taugt nicht als Blaupause für
Afrika. Diese hat zwar zu einer Steigerung der Ernteerträge geführt, allerdings
mit extrem negativen Folgen für die einfachen Bauern, Arbeiter, die ländlichen
Gemeinden und die Umwelt weltweit. Stattdessen sollte der im Weltagrarbericht
vorgetragene Ansatz der multifunktionalen, nachhaltigen Landwirtschaft, die
eine Erhöhung der Produktion mit dem Schutz von Böden, Wald, Artenvielfalt
und Wasser zu verbinden sucht, unterstützt werden.

Afrika verfügt über eine große Zahl von Getreidesorten, die es unbedingt zu er-
halten und durch konventionelle Züchtung zu verbessern gilt. Die Orientierung
auf wenige Hochertragssorten als Monokultur ist keine Option. Es kommt ganz
entscheidend auf die Vielfalt landwirtschaftlich angebauter Pflanzen an, um
einen großen Genpool aufrechtzuerhalten, der in der Lage ist, auf veränderte
Klimabedingungen zu reagieren.

Anders als in Asien, werden in Afrika nur rund 5 Prozent der Agrarflächen be-
wässert, die Landwirtschaft basiert auf den „normalen Regenbedingungen“.
Diese Wettermuster werden sich infolge des Klimawandels allerdings erheblich
verändern. Bewässerungslandwirtschaft im großen Stil scheidet in vielen von
Wasserknappheit gekennzeichneten Staaten aus. Gleichwohl können angepasste
Bewässerungssysteme im Regenfeldbau ergänzend eingesetzt werden, wenn
sichergestellt ist, dass sie effizient mit Wasser umgehen und die Erosion von
Böden verhindert wird. Die Wiederverwendung geklärter Abwässer oder aufge-
fangenen Regenwassers sind weitere wichtige Optionen für bestimmte landwirt-
schaftliche Bereiche.

Entscheidend wird darum auch eine Verbesserung der Bodenqualität und damit
der Wasserbindefähigkeit sein. Eine höhere Bodenqualität reduziert gleichzeitig
den Druck zur Abholzung von Wäldern.

Generell muss in der Förderung der Landwirtschaft ein Trend umgekehrt wer-
den. Dieser zeigt einen Rückgang der Investitionen in die Landwirtschaft durch
die Gebergemeinschaft seit 20 Jahren. Der Anteil beispielsweise der offiziellen
Entwicklungshilfe (ODA) zur Unterstützung der ländlichen Entwicklung ging
von 18 Prozent 1979 auf 2,9 Prozent im Jahr 2006 zurück. Die Europäische
Union hat angekündigt, die Mittel für die Landwirtschaft im 10. Europäischen
Entwicklungsfonds für die Zeit von 2008 bis 2013 auf 1,2 Mrd. Euro zu verdop-
peln. Die Weltbank hat angekündigt, bis 20009 das Volumen zur Förderung der
afrikanischen Landwirtschaft von 400 Mio. US-Dollar auf 800 Mio. US-Dollar
zu verdoppeln.

Drucksache 16/9313 – 10 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die Betonung der Steigerung lokaler und regionaler Produktion bedeutet keine
Abwendung vom Weltmarkt. Sie steht nicht im Widerspruch zu der dringend
notwendigen faireren und gerechteren Ausgestaltung der Welthandelspolitik,
die parallel erfolgen muss. Handelsabkommen müssen den Marktzugang für
afrikanische Produkte verbessern. Afrikanische Regierungen müssen mittels
spezieller Schutzklauseln in der Lage sein, sensible Bereiche zu schützen. Ge-
fordert ist vor allem ein Ende aller Formen von Subventionen der EU und ande-
rer OECD-Staaten, welche die afrikanischen Märkte behindern und zerstören.

Da die Erfolge einer Förderung der Landwirtschaft sich erst mittel- und langfris-
tig einstellen werden, muss die internationale Gemeinschaft gemeinsam mit den
afrikanischen Regierungen parallel auf die aktuelle Krise reagieren. Ohne ein
angepasstes System sozialer Sicherheit, zielgerichtete Transfers (zum Beispiel,
Schulspeisung, Food for Work), Nahrungsmittelsubventionen für die Ärmsten,
verschärft sich die Krise und Destabilisierung in einer ganzen Reihe von Staa-
ten. Dabei gilt es auch den Zugang für die städtischen Armen mit bezahlbaren
Lebensmitteln zu verbessern.

Umwelt und Rohstoffnutzung

Viele afrikanische Staaten sind reich an natürlich vorkommenden Rohstoffen,
wie Erdöl und -gas, verschiedenen Metallen und Holz. Die Einnahmen aus dem
Handel mit diesen Rohstoffen bilden die mit Abstand größte Devisenquelle
dieser Staaten. Trotzdem hat sich die Lebenssituation vieler Menschen in den
ressourcenreichen Ländern nicht verbessert. Im Gegenteil leidet besonders die
lokale Bevölkerung unter den sozialen und ökologischen Auswirkungen der
Rohstoffförderung. Auf der anderen Seite hat sich in den rohstoffreichen
Ländern Afrikas eine gesellschaftliche und politische Elite etabliert, die über
Repression und Korruption die Pfründe unter sich aufteilt. Die ungleiche Vertei-
lung der Gewinne aus dem Rohstoffgeschäft führt über kurz oder lang zu starken
sozialen Spannungen in den Abbaugebieten und zu Auseinandersetzungen über
die Kontrolle rohstoffreicher Gebiete.

Die internationale Gemeinschaft muss langfristig ein Rohstoffregime errichten,
welches sich zu Transparenz und Einhaltung von sozialen und ökologischen
Standards verpflichtet. Erste Schritte dahingehend sind schon unternommen
worden, zum Beispiel durch die „Extractive Industries Transparency Initiative“
(EITI), die Transparenz und Rechenschaftspflichten im Rohstoffsektor einfüh-
ren will. Dafür legt EITI Kriterien fest, nach denen sowohl die Unternehmen als
auch die Regierungen ihre Einnahmen aus den Rohstoffgeschäften und die
Finanztransfers öffentlich zugänglich machen.

Aus Afrika nehmen 15 Staaten an der Initiative teil, die zurzeit Kandidatenstatus
haben und innerhalb von zwei Jahren die EITI-Kriterien implementieren müs-
sen. Zwei der afrikanischen Staaten, Mauretanien und Guinea, nehmen darüber
hinaus als Pilotländer an der so genannten Initiative „EITI++“ teil. EITI++ be-
zieht auch die Konzessionsvergabe, die Vertragverhandlungen und die Ausga-
benpolitik der Regierungen in die Transparenzverpflichtungen mit ein. Diese
Versuche werden durch das offensive Auftreten neuer Akteure, namentlich
China, auf dem afrikanischen Rohstoffmarkt gefährdet. Aber auch die Ölkon-
zerne und Finanzinstitutionen der westlichen Industriestaaten sind noch weit da-
von entfernt, einen nachhaltigen Umgang mit den Rohstoffen Afrikas zu för-
dern. Mehrere deutsche Banken sind in Afrika an der Finanzierung von Öl- und
Gasunternehmen beteiligt, u. a. in Angola und Nigeria. Beide Länder sind trotz
hoher Einnahmen aus dem Ölsektor unterentwickelt und gehören zu den korrup-
testen Staaten weltweit. Die Abhängigkeit vom Ölexport ist enorm und hemmt
im Zusammenspiel mit mangelhafter Regierungsführung eine nachhaltige, wirt-
schaftliche und soziale Entwicklung.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 11 – Drucksache 16/9313

Ein internationales Rohstoffregime muss flankiert werden durch die Stärkung
guter Regierungsführung und den verantwortungsvollen Umgang mit den Roh-
stoffgewinnen in den rohstoffreichen Ländern Afrikas. Darüber hinaus muss die
Entwicklungszusammenarbeit in entsprechenden afrikanischen Partnerländern
die notwendigen Impulse setzen, die auf lange Sicht die wirtschaftliche Abhän-
gigkeit afrikanischer Staaten von ihren Rohstoffen sukzessive mindert.

Wasser und Umwelt

Die Millenniumsziele bei Wasser und Sanitärversorgung sind Teil der Ziele zur
ökologischen Nachhaltigkeit. Dies weist darauf hin, dass Wasser eine zentrale
Funktion in den Ökosystemen erfüllt, auf die jede sozial und wirtschaftlich
nachhaltige Entwicklung angewiesen ist. Die Umsetzung der Millenniumsziele
bei Wasser und Abwasser muss daher auf Basis einer nachhaltigen Wasser-
bewirtschaftungsstrategie, dem Integrierten Management von Oberflächenge-
wässern und Grundwasser, vorangetrieben werden. Ziel ist es dabei, die Verfüg-
barkeit und Qualität der Wasserressourcen zu bewahren oder zu verbessern und
einen gesellschaftlichen Konsens über Prioritäten der Verwendung Wasserres-
sourcen herzustellen. Zudem müssen Maßnahmen zur Anpassung an den Klima-
wandel getroffen werden, denn Veränderungen im Wasserhaushalt, wie etwa zu-
nehmende Dürren oder Fluten, stehen bei den Folgen der globalen Erwärmung
an erster Stelle mit komplexen Folgen für die Wasserverfügbarkeit und Qualität.
Dies schadet nicht nur den Ökosystemen, sondern auch den stark agrarisch ge-
prägten Ökonomien Afrikas, da die Landwirtschaft ganz besonders auf Wasser
als Produktionsfaktor angewiesen ist.

Nüchterne Zahlen unterstreichen deutlich die herausragende Bedeutung von
Wasser und Abwasser für Afrika: Die Arbeitsausfälle und Gesundheitsausga-
ben, die südlich der Sahara wegen unhygienischer Wohn- und Lebensbedingun-
gen infolge unzureichender Wasser- und Sanitärversorgung auftreten, kosten
Afrika laut UNDP jährlich 5 Prozent der Wirtschaftskraft. Verschmutztes Was-
ser verursacht 80 Prozent der Krankheiten in Entwicklungsländern.

Die außerordentliche Bedeutung, die Wasser als Umwelt- und Entwicklungs-
thema für Afrika besitzt, hat der UN-Generalsekretär in seiner Rede beim Welt-
wirtschaftsforum in Davos im Januar 2008 unterstrichen: „Wir müssen diese
knappe Ressource besser managen. Darum versammeln wir die Führungsper-
sönlichkeiten der Welt diesen September bei den Vereinten Nationen für ein ent-
scheidendes hochrangiges Treffen zu den Millenniumzielen, das sich besonders
auf Afrika konzentriert. Wir müssen die Weltmeinung mobilisieren und den
politischen Willen fokussieren. Was wir letztes Jahr für den Klimawandel getan
haben, wollen wir 2008 für Wasser und Entwicklung tun.“ Zwei Ereignisse soll-
ten genutzt werden, um eine solche Initiative voranzutreiben: Der Gipfel der
Afrikanischen Union zum Thema „Wasser und Sanitärversorgung“ im Juli, für
den der Beraterkreis für Wasser- und Sanitärversorgung des UN-Generalsekre-
tärs (UNSGAB) geworben hatte, sowie der G8-Gipfel in Japan.

Besondere Aufmerksamkeit gilt im „UN-Jahr der sanitären Grundversorgung
2008“ dem Bereich des Abwassermanagements, bei dem die Defizite in Afrika
international am größten sind. Haushalts- und Industrieabwässer bleiben ganz
überwiegend ungeklärt und verschmutzen die Gewässer. Prognosen zufolge
wird das Sanitärversorgungsziel erst 2076 statt 2015 erreicht. Ökologisch und
ökonomisch vielversprechende Konzepte wie die wiederverwertungsorientierte
Sanitärversorgung, die Wiederverwertung von Abwässern zur landwirtschaft-
lichen Bewässerung, oder auch des „Erntens“ von Regenwasser (rainwater har-
vesting) müssen entschlossener unterstützt werden.

Drucksache 16/9313 – 12 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Umwelt und Handel

Gerade erst hat ein Bericht des Entwicklungsausschusses des Europäischen Par-
laments festgestellt (2007/2183, INI) festgestellt, dass die EU erheblich an der
Ausbeutung natürlicher Ressourcen in Afrika beteiligt ist und so zur Gefährdung
der Artenvielfalt und Bedrohung der Lebensgrundlagen von Teilen der Bevölke-
rung beiträgt.

Beispiel Westafrika: Dort ist die EU mit rund 80 Prozent Hauptabnehmer der
Fisch- und Holzexporte aus der Gemeinschaft Westafrikanischer Staaten
(ECOWAS). Doch diese Ressourcen fehlen den Menschen vor Ort. Darüber
hinaus beteiligen sich europäische Firmen an den in Westafrika weit verbreite-
ten illegalen und destruktiven Methoden zum Fischfang und Holzabbau.

Wald durchzieht Westafrika von Guinea bis Kamerun. Neben dem Kongobecken
ist dies das größte Forstgebiet des Kontinents. Vom ursprünglichen Wald stehen
aber nur noch 12,7 Prozent. Das meiste Holz wird exportiert und führt zu erheb-
lichen Deviseneinnahmen. Allerdings gehen noch mehr Einnahmen durch ille-
galen Raubau verloren. Von Äquatorialguinea bis Kamerun wird nach Unter-
suchungen des WWF 50 bis 80 Prozent des Holzes illegal, unregistriert und
unreguliert geschlagen.

Im Grundsatz hat die Europäische Kommission erkannt, dass eine Zertifizierung
und Begrenzung von Fischerei und Waldnutzung notwendig ist. Ebenso, dass
ein Vorrang für die lokale und regionale Bevölkerung bei der Nutzung von Fisch
oder der Nutzung des Waldes erforderlich ist. Das Beispiel zeigt jedoch auch,
dass der Erhalt der natürlichen Ressourcen mehr denn je auf globale Überein-
kommen angewiesen ist.

Umwelt und Energie

Die Tatsache, dass rund 70 Prozent der afrikanischen Bevölkerung ausschließ-
lich auf die Nutzung von Biomasse als Energiequelle angewiesen sind, unter-
streicht die Bedeutung eines verbesserten Zugangs zu modernen und bezahlba-
ren Formen der Energienutzung. Allein 400 000 Afrikaner – vor allem Frauen
und Kinder – sterben jährlich an Krankheiten, die durch die Energienutzung aus-
gelöst werden („in door air pollution“). Und selbst dort, wo nationale Leitungs-
systeme bestehen, sind sie nicht ausreichend, verlässlich und kontinuierlich bei
der Stromerzeugung. Im Zuge der gestiegenen Ölpreise verschärft sich die
Situation für Öl importierende Länder zusätzlich. Die Steigerung der Ölpreise
zwischen 2003 und 2005 führte zu einem um 3,5 Prozent verringertem BIP laut
Angaben der OECD.

Wirtschaftliche Aktivitäten sind fast immer abhängig von der Verfügbarkeit von
Energie. Innovative Energiepolitik und die Bekämpfung von Armut und Unter-
entwicklung hängen direkt zusammen.

Die afrikanischen Staaten zeigen ein verstärktes Interesse an der Kooperation
mit Industrieländern, um Energie aus Wasser, Wind, Sonne und Biomasse her-
zustellen. Das große Potential der Nutzung erneuerbarer Energien ist bei weitem
nicht ausgeschöpft. Die Staatengemeinschaft hat sich für die Förderung erneuer-
barer Energien auf der Bonner Konferenz für erneuerbare Energien 2004, dem
G8 Gipfel in Geneagles und zuletzt beim EU-Afrika Gipfel durch die so ge-
nannte EU-Afrika Energiepartnerschaft ausgesprochen.

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