BT-Drucksache 16/9307

Wirksame Begrenzung des CO2-Ausstoßes neuer Personenkraftwagen

Vom 28. Mai 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9307
16. Wahlperiode 28. 05. 2008

Antrag
der Abgeordneten Lutz Heilmann, Eva Bulling-Schröter, Hans-Kurt Hill, Dorothee
Menzner, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch, Karin Binder, Heidrun Bluhm,
Roland Claus, Katrin Kunert, Michael Leutert, Dr. Ilja Seifert, Dr. Kirsten Tackmann
und der Fraktion DIE LINKE.

Wirksame Begrenzung des CO2-Ausstoßes neuer Personenkraftwagen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Bundesregierung hat während der EU-Ratspräsidentschaft und dem G8-
Vorsitz im Jahr 2007 eine Vorreiterrolle im Klimaschutz angekündigt. Den
Reden und Ankündigungen folgen aber zu wenige Taten. Dies gilt insbesondere
für den Verkehrssektor. Der Anteil von Pkw an den gesamten CO2-Emissionen,
der im Jahr 2006 bei 12 Prozent lag, wächst aufgrund der deutlichen Reduzie-
rung anderer Sektoren bei weitgehender Stagnation der absoluten Emissionen
des motorisierten Individualverkehrs beständig, weshalb wirkungsvolle klima-
politische Maßnahmen für den Personenverkehr unerlässlich sind. Durch den
deutlich zu verstärkenden Ausbau sowie attraktive Preise des landgebundenen
öffentlichen Verkehrs sind die Angebote zum Umsteigen vom Pkw weiter zu
verbessern.

Die von der Bundesregierung im Integrierten Energie- und Klimaprogramm
(IEKP) der Bundesregierung ursprünglich vorgesehenen nationalen Maßnah-
men zum Klimaschutz im Verkehr sind bei weitem nicht ausreichend. Die sich
auf den Personenverkehr beziehenden Maßnahmen – Umstellung der Basis der
Kfz-Steuer auf den CO2-Ausstoß und Änderung der Pkw-Energieverbrauchs-
kennzeichnungsverordnung – würden in der bislang diskutierten Ausgestaltung,
wenn überhaupt, nur eine sehr geringe CO2-Reduktion zur Folge haben. Beide
Maßnahmen würden in dieser Form kaum Anreize zum Kauf neuer, verbrauchs-
armer Fahrzeuge setzen.

Die trotz Aussetzens der Biokraftstoffverordnung weiterhin geplante Steigerung
des Anteils von Agrotreibstoffen am Gesamtkraftstoffverbrauch macht einen
zunehmenden Import von Biomasse und Agrotreibstoffen erforderlich, deren
Anbau und Produktion in vielen Fällen nicht sozial und umweltgerecht erfolgt.
Importierte Agrotreibstoffe haben zudem oft eine negative Klimabilanz; ihr
Anbau steht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion und ist oftmals die

Ursache für die Abholzung von Regenwäldern. Wegen der Probleme bei der
Durchsetzung eines wirksamen Zertifizierungssystems für den nachhaltigen
Anbau von Biomasse sollte ein Importmoratorium für Agrotreibstoffe ausge-
sprochen werden.

Die freiwillige Selbstverpflichtung der europäischen, japanischen und koreani-
schen Automobilhersteller zur Reduzierung der CO2-Emissionen neuer Pkw bis

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zum Jahr 2008/2009 auf durchschnittlich 140 Gramm pro Kilometer ist geschei-
tert. Im Jahr 2006 stießen neue Pkw EU-weit mit durchschnittlich 161 Gramm
CO2 pro Kilometer zu viel CO2 aus, um die freiwillige Selbstverpflichtung noch
einhalten zu können. In Deutschland zugelassene Fahrzeuge stießen im Jahr
2007 mit 170 Gramm CO2 pro Kilometer sogar deutlich mehr CO2 aus und lagen
damit sogar um 30 Gramm über dem in der freiwilligen Selbstverpflichtung für
das Jahr 2008 versprochenen Wert. Da der CO2-Ausstoß neuer Fahrzeuge deut-
scher Automobilhersteller nochmals deutlich darüber liegt, tragen insbesondere
die deutschen Automobilhersteller die Verantwortung für das Scheitern der frei-
willigen Selbstverpflichtung und die unzureichenden Fortschritte im Klima-
schutz. Die Hersteller haben zu wenig unternommen, um verbrauchsarme Fahr-
zeuge zu entwickeln, auf den Markt zu bringen und durch geeignete Marke-
tingstrategien den Absatz der wenigen tatsächlich angebotenen verbrauchs-
armen Modelle zu forcieren. Die freiwillige Selbstverpflichtung hat sich als
ungeeignetes Instrument erwiesen.

Die verbindliche Begrenzung der CO2-Emissionen neuer Pkw auf EU-Ebene ist
das bei weitem wirksamste Instrument zum Klimaschutz im motorisierten Indi-
vidualverkehr. Dies belegt auch der Forschungsbericht „Politikszenarien für den
Klimaschutz IV“ im Auftrag des Umweltbundesamtes, in dem für diese Maß-
nahme die umfangreichsten CO2-Einsparungen aller zehn untersuchten mög-
lichen Maßnahmen im Verkehr berechnet wurden. Eine deutliche und konti-
nuierliche Reduzierung des Kraftstoffverbrauches ist angesichts des drama-
tischen Ölpreisanstiegs, dessen Ende nicht absehbar ist, auch zur langfristigen
Gewährleistung von Mobilität erforderlich.

Der Vorschlag der EU-Kommission für eine Verordnung zur Reduzierung der
CO2-Emissionen neuer Personenkraftwagen und leichter Nutzfahrzeuge,
KOM(2007) 856, ist sachgerecht, enthält keine unerreichbaren Vorgaben und
würde bei seiner Verabschiedung keine unzumutbaren Belastungen für die deut-
schen oder europäischen Automobilhersteller bewirken.

Die Abkehr vom ursprünglichen Ziel, den durchschnittlichen CO2-Ausstoß aller
ab dem Jahr 2012 neu zugelassenen Pkw auf 120 Gramm pro Kilometer zu sen-
ken, ist zu bedauern. Der Zielwert von 130 Gramm CO2 pro Kilometer liegt nur
10 Gramm unter dem der freiwilligen Selbstverpflichtung der europäischen
Automobilindustrie aus dem Jahr 1996, obwohl er erst vier bzw. drei Jahre spä-
ter einzuhalten und sogar seine Überschreitung, wenn auch mit finanziellen
Sanktionen behaftet, zulässig und möglich wäre.

Das Ziel der EU, zum Erreichen des 120-Gramm-Zieles verstärkt Agrotreib-
stoffe (so genannten Biosprit) den herkömmlichen Treibstoffen beizumischen,
ist ebenso abzulehnen wie die entsprechende Absicht der Bundesregierung zur
Steigerung der Agrotreibstoffquote bis zum Jahr 2020.

Das Gewicht als ein Parameter für die Ermittlung der zulässigen fahrzeugspezi-
fischen Emissionen ist nur bedingt zielführend. Die Fahrzeuggrundfläche wäre
ein wesentlich besserer Parameter, da diese anders als das Gewicht weniger
leicht manipulierbar ist und zudem große, verbrauchsstarke Fahrzeuge weniger
begünstigen würde. Die Vorbeugung einer möglichen Gewichtszunahme der ge-
samten Pkw-Flotte durch den „Autonomous Mass Increase“ (AMI)-Faktor ist zu
begrüßen. Dieser ist allerdings dahingehend zu verändern, dass sich bei einer
möglichen Gewichtsabnahme der gesamten Pkw-Flotte nicht die fahrzeugge-
wichtsbezogenen CO2-Reduktionsanforderungen verringern, sondern mindes-
tens konstant bleiben.

Das Ziel der Verbrauchsminderung von Pkw und der Reduktion des CO2-Aus-
stoßes ist schneller und einfacher zu erreichen, wenn nicht nur die spezifischen
CO -Emissionen in allen Fahrzeugsegmenten und -klassen reduziert werden,
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sondern eine Gewichtsabnahme der gesamten Pkw-Flotte mit einem Schwenk

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zu leichteren, langsameren und verbrauchsärmeren Fahrzeugen erreicht wird.
Größere Reduktionsanforderungen an schwerere Fahrzeuge sind schon deswe-
gen sachgerecht.

Die Wirksamkeit der Verordnung KOM(2007) 856 ist nur dann gewährleistet,
wenn durch spürbare finanzielle Sanktionen bei Zielverfehlung eine tatsächliche
Reduzierung der CO2-Emissionen der neuen Pkw erreicht werden kann. Zu
niedrige Strafen würden die klimapolitischen Ziele der EU wie der Bundesregie-
rung gefährden, da es für die Automobilhersteller wirtschaftlich rationaler wäre,
die Zahlung der Sanktionen in Kauf zu nehmen als verstärkte Anstrengungen zur
tatsächlichen Verbrauchsreduzierung zu unternehmen. Durch die in den Jahren
2012 bis 2015 vorgesehene Staffelung der Sanktionszahlungen ist zudem ge-
währleistet, dass den Automobilherstellern keine unzumutbaren Belastungen
entstehen. Ferner ist angesichts der Vielzahl bereits vorhandener verbrauchs-
armer Fahrzeuge verschiedenster Hersteller grundsätzlich kein allgemeiner
fünfjähriger oder noch längerer Zeitraum zur Entwicklung neuer Fahrzeugmo-
delle erforderlich.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

sich auf EU-Ebene im Rahmen der Verhandlungen um den Entwurf der EU-Ver-
ordnung KOM(2007) 856 dafür einzusetzen, dass

1. als Zielwert für den durchschnittlichen CO2-Ausstoß aller ab dem Jahr 2012
neu zugelassenen Personenkraftwagen 120 Gramm pro Kilometer festgelegt
wird; die daraus entstehenden zusätzlichen Anforderungen zur Emissions-
reduktion sind dabei durch höhere Anforderungen an leichtere Pkw zu erzie-
len;

2. ein weiteres Reduktionsziel für das Jahr 2020 in Höhe von 80 Gramm pro
Kilometer festgelegt wird – auch, um den Herstellern langfristige Planungs-
sicherheit zu geben;

3. die vorgesehenen Abgabensätze bei Emissionsüberschreitungen in Artikel 7
nicht reduziert werden und die Abgaben ab 2012 zu zahlen sind;

4. der AMI-Faktor so verändert wird, dass bei einer Gewichtsabnahme der
gesamten Pkw-Flotte keine Anpassung des fahrzeuggewichtsabhängigen
spezifischen Zielwertes erfolgt;

5. die Einnahmen aus der Abgabe bei Emissionsüberschreitungen nicht unge-
bunden dem Haushalt der EU zufließen, sondern mindestens 50 Prozent der
Einnahmen für die Förderung von umwelt- und sozialgerechter Mobilität ver-
wendet werden;

6. die Verordnung noch im Jahr 2008 verabschiedet wird.

Berlin, den 27. Mai 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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