BT-Drucksache 16/8973

Haushaltswirksame Folgen des NATO-Gipfels

Vom 24. April 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8973
16. Wahlperiode 24. 04. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Alexander Bonde, Anja Hajduk, Anna Lührmann, Winfried
Nachtwei, Dr. Uschi Eid, Thilo Hoppe, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour,
Claudia Roth (Augsburg), Christine Scheel, Rainder Steenblock, Jürgen Trittin
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Haushaltswirksame Folgen des NATO-Gipfels

In der Gipfelerklärung von Bukarest erklärten die Staats- und Regierungschefs
der Mitgliedstaaten des Nordatlantischen Bündnisses:

„Transformation ist ohne ausreichende, richtig priorisierte Ressourcen nicht
möglich. Wir sind bereit, auch weiterhin einzeln und gemeinsam die Ressour-
cen zur Verfügung zu stellen, die unser Bündnis benötigt, um die Aufgaben,
die wir von ihm fordern, durchführen zu können. Wir ermutigen daher die
Nationen, deren Verteidigungsausgaben rückläufig sind, diese Entwicklung
aufzuhalten und eine reale Steigerung der Verteidigungsausgaben anzustre-
ben.“

Neben der Ankündigung, bestehende Lücken erforderlicher Fähigkeiten, insbe-
sondere bei strategischen Transportmitteln und Lufttransportmitteln, vernetzte
Fähigkeiten und Führungssysteme schließen zu wollen, identifizieren die
Staats- und Regierungschefs die zunehmende Bedrohung durch die Verbreitung
ballistischer Flugkörper. Nachdem die geplante europäische Komponente des
US-Raketenabwehrsystems als „substanzieller Beitrag zum Schutz der Bünd-
nispartner“ begrüßt wird, erklären sie: „Unter Berücksichtigung des Grund-
satzes der Unteilbarkeit der Sicherheit der Bündnispartner sowie der NATO-
Solidarität beauftragen wir den Rat in Ständiger Sitzung, Optionen für eine um-
fassende Raketenabwehrarchitektur zu entwickeln, um den Abdeckungsbereich
auf das gesamte Bündnisgebiet und alle Bevölkerungen zu erstrecken, die nicht
anderweitig durch das US-System abgedeckt sind; …“.

Ein solches NATO-Raketenabwehrsystem, das als Ergänzung zum amerika-
nischen Raketenabwehrsystem dienen soll, wird erhebliche zusätzliche Kosten
für das Bündnis, und damit auch für den deutschen Bundeshaushalt führen.
Nachdem der Bundesminister der Verteidigung, Dr. Franz Josef Jung, in Inter-
views die Notwendigkeit eines NATO-Raketenabwehrsystems hervorgehoben
und eine deutsche Beteiligung an der Finanzierung angekündigt hat, stellt sich
die Frage, welche haushalterischen Konsequenzen die internationalen Zusagen

im Rahmen des NATO-Bündnisses haben werden.

Drucksache 16/8973 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

I. Erhöhung des Verteidigungshaushalts

1. Hat das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) nach Ansicht der
Bundesregierung die Ressourcen im Rahmen der Bundeswehrtransforma-
tion richtig priorisiert?

Wo besteht Umsteuerungsbedarf?

2. Welche Ressourcen benötigt nach Auffassung der Bundesregierung das
NATO-Bündnis, um die ihm übertragenen Aufgaben durchführen zu kön-
nen?

Was ist die Bundesregierung konkret bereit, einzeln und gemeinsam dazu
beizutragen?

3. Hat die Bundesregierung auf dem NATO-Gipfel in Bukarest konkrete
finanzielle Zusagen gemacht bzw. ist sie konkrete finanzwirksame Ver-
pflichtungen eingegangen, und wenn ja, welche?

4. Hat die Bundesregierung oder hat der Bundesminister der Verteidigung in
Bukarest Zusagen zur Steigerung der deutschen Verteidigungsausgaben ge-
macht, wenn ja, welche?

5. Teilt der Bundesminister der Verteidigung die in Bukarest von den Ver-
teidigungsministern aufgestellte Forderung nach einer – stufenweisen –
Steigerung der Verteidigungsausgaben auf 2 Prozent des Bruttoinlands-
produktes?

Wenn ja, warum sollte ausgerechnet der Verteidigungshaushalt weiter an-
steigen und was würde das für den Bundeshaushalt und den Einzelplan 14
konkret bedeuten?

Ist diese Auffassung mit dem Bundesminister der Finanzen und innerhalb
des Kabinetts abgestimmt?

6. Gibt es zur Erreichung des 2-Prozent-Zieles im BMVg oder in der Bundes-
regierung einen Stufenplan zur weiteren schrittweisen Erhöhung des Ver-
teidigungshaushaltes?

Wenn ja, wie sieht dieser in den kommenden Jahren konkret aus und woher
sollen die Geldmittel kommen?

II. Raketenabwehr

7. Seit wann und warum ist das Auswärtige Amt der Auffassung, dass es eine
zunehmende Raketenbedrohung gibt, der man mit einer Raketenabwehr
militärisch entgegentreten muss?

An welche Bedrohung ist dabei konkret gedacht und was kann das geplante
Raketenabwehrsystem zur Beseitigung oder Eindämmung dieser Gefahr
beitragen?

8. Seit wann und warum befürwortet das Auswärtige Amt – im Gegensatz zu
skeptischen Äußerungen der vergangenen Jahre – nun sowohl das US-ame-
rikanische Raketenabwehrsystem als auch die Errichtung eines zusätz-
lichen, das US-System ergänzenden, NATO-Raketenabwehrsystems für
Europa?

9. Welche Erwägungen haben dazu geführt, dass die Bundesregierung ihre
politischen Bedenken hinsichtlich der Bedrohungslage und der (ab)rüs-
tungspolitischen Folgen revidiert hat?

10. Wurde in der Bundesregierung vor der folgenreichen politischen Unterstüt-

zungszusage auf dem NATO-Gipfel eine belastbare politische, technische
und finanzielle Risikoanalyse durchgeführt?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/8973

11. Wurden im Bundeskabinett vor dem NATO-Gipfel die Folgen einer deut-
schen Unterstützung des US- und eines erweiterten NATO-Raketenab-
wehrsystems diskutiert?

Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis?

12. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass ein Raketenabwehrsystem
angesichts der hohen politischen, technischen und finanziellen Risiken des
Projekts auf der einen Seite und den Aufgaben und Defiziten z. B. im
sozialen, bildungspolitischen und entwicklungspolitischen Bereich auf der
anderen Seite, zu den prioritären Vorhaben Deutschlands gehört?

13. Welche Kostenschätzungen hat die Bundesregierung bei ihrer Zustimmung
für das US- bzw. ergänzende Raketenabwehrsystem zugrunde gelegt?

Welche Optionen wurden dabei im Einzelnen bewertet?

14. Welche geschätzten Kostenanteile für die Bundesrepublik Deutschland
sind dabei gemäß dem gültigen NATO-Finanzierungsschlüssel zu erwarten
und wann werden voraussichtlich auf der Zeitachse welche Kosten für
Deutschland bzw. das NATO-Bündnis anfallen?

15. Inwieweit ist im Haushalt 2008 bzw. im Bundeswehrplan bereits Vorsorge
für das Raketenabwehrprogramm getroffen?

Welche Auswirkungen hätte das Eingehen von Verpflichtungen zur Mit-
finanzierung eines NATO-Raketenabwehrsystems und der Steigerung der
Verteidigungsaufgaben für den kommenden Finanzplan und den kommen-
den Bundeswehrplan?

16. Inwieweit gibt es formelle oder informelle Zusagen des Bundesministers
der Finanzen auf Grund der politischen Zusage der Bundeswehr zu den
Raketenabwehrplänen, den Einzelplan 14 oder Einzelpläne außerhalb des
Etats des Bundesministers der Verteidigung künftig zu erhöhen?

Woher sollen diese Mittel kommen?

Berlin, den 24. April 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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