BT-Drucksache 16/8683

Polarisierung der Einkommen - schrumpfende Mittelschicht

Vom 31. März 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8683
16. Wahlperiode 31. 03. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Ulla Lötzer, Kornelia Möller, Dr. Herbert Schui,
Dr. Axel Troost, Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Polarisierung der Einkommen – schrumpfende Mittelschicht

Im Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) vom
5. März 2008 wird eine zunehmende Polarisierung der verfügbaren Einkom-
men, im Besonderen in der Periode zwischen 2000 und 2006, festgestellt. Wäh-
rend im Jahr 2000 noch über 60 Prozent der Bevölkerung zur Mittelschicht zu
zählen waren, d. h. zwischen 70 und 150 Prozent des Medianeinkommens zur
Verfügung hatten (das Medianeinkommen liegt an der Grenze zwischen der
oberen und der unteren Hälfte der Einkommen), sank dieser Anteil auf 54 Pro-
zent im Jahre 2006, wobei der Rückgang der Gruppe mit einem Einkommen
zwischen 90 und 110 Prozent des Medianwertes am größten ausfiel. An den
Rändern nahm die Zahl derjenigen, die mehr als das doppelte des Median-
einkommens beziehen, auf fast 10 Prozent stark zu, noch stärker wuchs die Zahl
derer, die mit weniger als der Hälfte des Medianeinkommens auskommen müs-
sen. Diese Gruppe machte 2006 11,4 Prozent der Bevölkerung aus. Über 25 Pro-
zent der Bevölkerung müssen mit weniger als 70 Prozent des Medianeinkom-
mens auskommen.

Darüber hinaus ist eine Verfestigung der Einkommensschichten an den Rän-
dern festzustellen, die Einkommensmobilität der Mittelschicht nahm hingegen
zu, mit einer klar stärkeren Tendenz der Abwärtsmobilität.

Als Gründe für das Anwachsen der einkommensschwachen Schichten wird
vom DIW neben der Einführung des Arbeitslosengeldes II auch ein starker
Rückgang der Vollzeitbeschäftigung bei gleichzeitigem Ausbau der Teilzeit-
oder geringfügigen Beschäftigung ausgemacht. Besonders Alleinerziehende
seien armutsgefährdet, weil Kindererziehung nach wie vor mit Vollzeittätigkeit
schwer zu vereinbaren sei. Auch wenn die Daten von 2007 noch nicht vorlie-
gen, ist im Zuge des Aufschwungs nicht von einer Umkehr der oben beschrie-
benen Trends auszugehen. Das DIW schlussfolgert in Anbetracht der jüngsten
Umfragen: „Offenbar hat die große Masse der Bevölkerung bisher nicht den
Eindruck, von der konjunkturellen Erholung zu profitieren.“

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wird die empirisch festzustellende Polarisierung der verfügbaren Einkom-
men von der Bundesregierung begrüßt, oder mit Sorge beobachtet?

Wie begründet die Bundesregierung ihre Position?

2. Teilt die Bundesregierung die Meinung des DIW, dass die Absenkung der
Lohnersatzleistungen zur wachsenden Ungleichheit der Einkommen beige-
tragen hat, und wie begründet die Bundesregierung ihre Position?

Drucksache 16/8683 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
3. Welche anderen politischen Entscheidungen von 2000 bis heute haben nach
Einschätzung der Bundesregierung zu der Polarisierung der Einkommen
beigetragen?

4. Falls das Auseinanderklaffen der Schere zwischen Arm und Reich von der
Bundesregierung nicht begrüßt wird, welche konkreten Maßnahmen sind in
Vorbereitung, um in Zukunft die Einkommensunterschiede zu verkleinern?

5. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um dem festgestellten
Zusammenhang von der Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse und einem
erhöhten Armutsrisiko sozialpolitisch entgegenzuwirken?

6. Liegen der Bundesregierung Studien vor, die die Auswirkungen eines ge-
setzlichen Mindestlohns in Höhe von ca. 8 Euro auf die Einkommensvertei-
lung untersuchen?

Falls ja, zu welchem Ergebnis kommen die Studien?

Falls nein, wie schätzt die Bundesregierung selbst die Effekte eines gesetz-
lichen Mindestlohns in besagter Höhe auf die Einkommensverteilung ein?

7. Wie beurteilt die Bundesregierung die neuerlich festgestellte, und bereits
seit langer Zeit bekannte Korrelation von Teilzeit- und geringfügiger Be-
schäftigung mit einem erhöhten Armutsrisiko aus geschlechterpolitischer
Sicht?

8. Liegen der Bundesregierung empirische Belege dafür vor, dass die positiven
binnenkonjunkturellen Effekte einer Erhöhung des Arbeitslosengeldes II, das
zudem der Polarisierung der Einkommen entgegenwirken würde, durch
negative Effekte überkompensiert würden?

Falls ja, welche?

Falls nein, aus welchem Grund/aus welchen Gründen wird das Arbeitslosen-
geld II nicht zumindest analog zur Preissteigerungsrate angehoben?

9. Liegen der Bundesregierung empirische Belege dafür vor, dass auf Grund
einer Anhebung des Spitzensteuersatzes, etwa auf das Niveau von 1998, also
auf über 50 Prozent, negative ökonomische Auswirkungen zu befürchten
wären?

Falls ja, welche?

Falls nein, warum wird der Spitzensteuersatz nicht angehoben?

Berlin, den 26. März 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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