BT-Drucksache 16/8559

Weiterbeschäftigung des Personals des Bundesverbandes der Innungskrankenkassen

Vom 12. März 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8559
16. Wahlperiode 12. 03. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Frank Spieth, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge, Dr. Barbara Höll,
Elke Reinke, Dr. Ilja Seifert, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Weiterbeschäftigung des Personals des Bundesverbandes der
Innungskrankenkassen

Durch das von der Koalition beschlossene „GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz“
verlieren die Bundesverbände der Krankenkassen zum 1. Juli 2008 ihre gesetz-
lichen Aufgaben und werden zum 1. Januar 2009 von Körperschaften des öffent-
lichen Rechts in Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) umgewandelt. Wäh-
rend des Gesetzgebungsverfahrens hat die Bundesregierung mehrfach darauf
hingewiesen, dass im Gesetz für die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbei-
ter Regelungen zur Sicherung der Arbeitsplätze eingefügt würden.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des IKK-Bundesverbandes befürchten je-
doch, dass diese Regelungen nicht ausreichend sind und zum Teil auch nicht
greifen: Die Mehrheit der Mitgliedskassen des Bundesverbandes der Innungs-
krankenkassen (IKK-BV) wird, so schreibt der Personalrat, die neu entstehende
GbR voraussichtlich als reine Abwicklungsgesellschaft für die Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter nutzen.

Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat den Bundesverbänden bzw.
dem IKK-Bundesverband mehrfach seine Rechtsauffassung deutlich gemacht.
Demnach

● gilt bei einer Umwandlung in eine GbR für die Mitarbeiterinnen und Mitar-
beiter § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), der sie für ein Jahr vor
Entlassung aus Anlass des Rechtsformwechsels schützt;

● sind Kündigungen von „unkündbaren“ Angestellten der GbR in extremen
Ausnahmefällen (vollständiger Fortfall aller Aufgaben) zulässig;

● sind Kündigungen von Tarifangestellten der GbR möglich, wenn deren Auf-
gaben vollständig entfallen;

● ist bei einer Auflösung der GbR den Beschäftigten von den Krankenkassen
bzw. den Landesverbänden eine entsprechende Anstellung anzubieten;

● ist bei einer neu gegründeten Organisation (GmbH oder Verein) zu prüfen, ob
evtl. ein Teil-Betriebsübergang vorliegt.
Die Rechtsauffassung des BMG wird von den Mitgliedskassen des IKK-Bun-
desverbandes nicht geteilt. Die Mitgliedskassen planen derzeit die Gründung
eines Vereins mit ca. 15 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, ein Teil-Betriebs-
übergang soll so umgangen werden. Die Arbeitsverhältnisse der zum 1. Januar
2009 in der GbR verbliebenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen restlos
abgewickelt werden.

Drucksache 16/8559 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die Arbeitgeber sähen sich nach Darstellung des Personalrats nicht in der
Pflicht, Verantwortung für die Beschäftigten zu übernehmen und – wie vom Ge-
setzgeber vorgesehen – bei einer Auflösung der GbR den Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern entsprechende Arbeitsangebote bei den Kassen zu machen. Die
Arbeitgeberseite verweigere Gespräche mit dem Personalrat über sozialverträg-
liche Lösungen. Die Große Tarifkommission der Arbeitgeber habe die Tarifver-
handlungen zur Beschäftigungssicherung auf unbestimmte Zeit vertagt.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehen die Gefahr, dass sie ihre Ansprüche
im Ernstfall vor Gericht erstreiten müssen. Es ist zu befürchten, dass sich derar-
tige Arbeitsgerichtsverfahren über Jahre hinziehen und damit enden, dass die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter trotzdem ihre Arbeitsplätze verlieren und ihre
Ansprüche abgefunden werden.

Das BMG ist aber – so der Personalrat – derzeit zu aufsichtsrechtlichen Schritten
nicht bereit.

Nach Ansicht des Personalrates sind auch die weiteren, im Gesetz enthaltenen
Folgeregelungen für die Beschäftigung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter un-
zureichend und greifen nur bei einer kleinen Minderheit der Betroffenen:

● Eine Beschäftigung bei dem neu geschaffenen Spitzenverband Bund besteht
nur für wenige der 260 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des IKK-Bundes-
verbandes. Der Spitzenverband Bund wolle insgesamt nur etwa 150 Stellen
besetzen, die den derzeit ca. 1 500 Beschäftigten der Spitzenverbände ange-
boten würden.

● Die im Gesetz festgeschriebenen Regeln, wonach die Dienstordnungsange-
stellten (DO-Angestellte) Anspruch auf Beschäftigung bei einem Landesver-
band ihrer Wahl haben, betreffen beim IKK-BV nur maximal 10 Beschäf-
tigte.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Trifft es zu, dass das BMG dem IKK-BV deutlich gemacht hat, dass keine
Entlassungen zu erfolgen haben, und wird das BMG für den Fall, dass den-
noch Kündigungen erfolgen sollten, aufsichtsrechtliche Schritte einleiten?

2. Wie viele Stellen werden bei dem neuen Spitzenverband Bund entstehen?

Wie viele Beschäftigte der derzeit 260 Beschäftigten des derzeitigen IKK-BV
werden dort in etwa realistischerweise weiterbeschäftigt werden können?

3. Ist es denkbar, dass aus betrieblichen Gründen ein derzeit noch beim IKK-BV
Beschäftigter seinen Arbeitsplatz ohne Ersatz verlieren wird?

Sind Kündigungen anlässlich des Aufgabenentzugs möglich?

Sind Kündigungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bereits im Jahre
2008 möglich?

4. Konnten und können die tariflich Unkündbaren davon ausgehen, dass sie be-
züglich des Kündigungsschutzes den DO-Angestellten gleichgestellt sind?

5. Sind die Mitgliedskassen des derzeitigen IKK-BV verpflichtet, die momen-
tan beim IKK-BV Beschäftigten zu übernehmen?

In welchen Fällen sind sie dazu verpflichtet?

Für den Fall, dass die GbR aufgelöst wird, § 164 Abs. 3 Satz 3 des Fünften
Buches Sozialgesetzbuch Anwendung findet und den bei der GbR Beschäf-
tigten durch die Landesverbände oder durch die Krankenkassen eine entspre-
chende Stellung angeboten werden muss: Welcher Landesverband bzw. wel-

che Kasse ist juristisch verantwortlich, falls es hier zu einem Rechtsstreit
kommen sollte?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/8559

6. Hält die Bundesregierung eine Abwicklung der GbR, ohne dass der Versuch
gemacht wird, diese mit Leben zu erfüllen, für zulässig?

7. Ist die GbR verpflichtet, dem Anspruch der Beschäftigten auf Weiterbe-
schäftigung durch Schaffung entsprechender Beschäftigungsmöglichkeiten
Rechnung zu tragen?

8. Hält die Bundesregierung es für verfassungsrechtlich zulässig, dass Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeiter ohne die Möglichkeit, ein Widerspruchsrecht
auszuüben, in eine Abwicklungsgesellschaft verschoben werden?

9. Hält die Bundesregierung die im Gesetz getroffenen Regelungen für ausrei-
chend, um die Beschäftigten vor einer Abwicklung zu schützen?

10. Was wird die Bundesregierung unternehmen, wenn die Mitgliedsverbände
die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des IKK-Bundesverbands abwickeln?

11. Sieht die Bundesregierung Anlass, die gesetzlichen Regelungen bezüglich
der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu konkretisieren?

12. Was gedenkt die Bundesregierung gegen die mögliche Umgehung eines
(Teil-)Betriebsübergangs durch die Vorabgründung eines Vereins oder einer
GmbH zu unternehmen?

Berlin, den 10. März 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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