BT-Drucksache 16/8402

Für klare menschen- und völkerrechtliche Bindungen bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr

Vom 5. März 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8402
16. Wahlperiode 05. 03. 2008

Antrag
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Winfried Nachtwei, Marieluise Beck
(Bremen), Alexander Bonde, Dr. Uschi Eid, Thilo Hoppe, Ute Koczy, Kerstin Müller
(Köln), Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Rainder Steenblock, Jürgen
Trittin und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Für klare menschen- und völkerrechtliche Bindungen bei Auslandseinsätzen der
Bundeswehr

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. über die völkerrechtlich korrekte und parlamentsrechtlich eindeutige Man-
datierung von Auslandseinsätzen hinaus Klarheit über die menschen- und
völkerrechtlichen Bindungen und die Grenzen zulässigen Vorgehens bei Aus-
landseinsätzen der Bundeswehr zu schaffen;

2. sicherzustellen, dass bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr grund- und
menschenrechtliche Verpflichtungen sowie die Normen des humanitären
Völkerrechts eingehalten werden;

3. sicherzustellen, dass an Auslandseinsätzen beteiligte deutsche Soldatinnen
und Soldaten nicht zu bestimmten Handlungen angeleitet werden, für die sie
sich später möglicherweise strafrechtlich verantworten müssen;

4. sicherzustellen, dass deutsche Soldatinnen und Soldaten bei gemeinsamen
Operationen mit Streitkräften anderer Staaten sich nicht an Operationen be-
teiligen, die nach den für deutsches staatliches Handeln geltenden Normen
nicht zulässig wären.

Berlin, den 5. März 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung
Auslandseinsätze der Bundeswehr sind zwingend an das Völkerrecht und die
Menschenrechte gebunden. Das ist auch das Selbstverständnis der Soldatinnen
und Soldaten. Zu Recht stellt die neue Zentrale Dienstvorschrift 10/1 „Innere
Führung“ fest, dass die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr als „Staats-
bürger in Uniform“ „den Werten und Normen des Grundgesetzes in besonderer
Weise verpflichtet“ sind. Die Erfahrungen gerade mit den konkreten Einsatzbe-
dingungen in Afghanistan und insbesondere bei der Operation Enduring Free-

Drucksache 16/8402 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
dom zeigen aber: Der Bundesregierung ist es bisher nicht gelungen, die men-
schen- und völkerrechtlichen Grenzen und Bindungen bei Auslandseinsätzen
klar zu definieren und erlaubtes von unerlaubtem Handeln deutlich abzugren-
zen. Im Zusammenhang mit dem Einsatz in Afghanistan geht es dabei um so ent-
scheidende Fragen wie die, was mit festgenommenen Personen zu geschehen
hat, und ob und unter welchen Bedingungen eine Übergabe dieser Personen an
andere Institutionen zulässig ist. Es geht aber auch darum, ob deutsche Soldatin-
nen und Soldaten z. B. über Luftaufklärung zur Auswahl und Identifizierung
von Personen und Zielobjekten einen aktiven Beitrag zu gezielten Tötungen
leisten dürfen.

Eine Bestimmung des zulässigen Vorgehens im Einzelfall setzt Klarheit über die
geltenden rechtlichen Grundsätze voraus. Sogar innerhalb des Bundesministe-
riums der Verteidigung (BMVg) gab es dazu allerdings in der Vergangenheit
konträre Auffassungen, die beispielsweise im Jahre 2002 in zwei sich widerspre-
chenden Rechtsgutachten Niederschlag fanden. Innerhalb der Bundesregierung
führten Versuche der Abstimmung zwischen den beteiligten Häusern nicht zur
Auflösung des Dissenses. In der Konsequenz wird die Verantwortung bei den
Soldatinnen und Soldaten abgeladen.

Zur Frage der Behandlung von festgenommenen Personen hat das BMVg nun-
mehr in einem Befehl vom 26. April 2007 zumindest grundlegende Regelungen
niedergelegt. Es fällt jedoch auf, dass dieser Befehl jegliche Bezugnahme auf
grund- und menschenrechtliche Standards oder Normen des humanitären Völ-
kerrechts vermeidet. So fehlt jeder Hinweis auf die Garantien des Grundgeset-
zes, die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) oder die Regelungen
des humanitären Völkerrechts. Dabei ist alle staatliche Gewalt an das Grund-
gesetz und die menschenrechtlichen Verpflichtungen, die die Bundesrepublik
Deutschland völkerrechtlich eingegangen ist, gebunden.

Der so genannte bewaffnete Kampf gegen Straftäter, wie der Einsatz in Afgha-
nistan von der Rechtsabteilung des BMVg bezeichnet wird, findet mangels Fest-
legung daher weiterhin in einer rechtlichen Grauzone statt. Das Konstrukt der
Strafverfolgung mit militärischen Mitteln führt dazu, die rechtlichen Grund-
lagen des Einsatzes zu vernebeln und sich von rechtlichen Bindungen zu lösen.
Gerade Auslandseinsätze der Bundeswehr aber bedürfen einer klaren recht-
lichen Grundlage: Nicht nur der Deutsche Bundestag braucht Klarheit über den
Umfang und die – rechtlichen – Grenzen eines von ihm zu verantwortenden
Auslandseinsatzes. Insbesondere die beteiligten Soldatinnen und Soldaten benö-
tigen Rechtssicherheit. Sie dürfen nicht in rechtlichen Grauzonen operieren, und
sie dürfen nicht im Unklaren gelassen werden, ob ihr Vorgehen rechtlich zuläs-
sig ist oder einen Rechtsverstoß darstellt.

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