BT-Drucksache 16/8370

Bundeswehr - Innere Führung konsequent umsetzen

Vom 5. März 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8370
16. Wahlperiode 05. 03. 2008

Antrag
der Abgeordneten Winfried Nachtwei, Alexander Bonde, Marieluise Beck
(Bremen), Volker Beck (Köln), Dr. Uschi Eid, Thilo Hoppe, Ute Koczy, Kerstin Müller
(Köln), Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Rainder Steenblock, Jürgen
Trittin und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Bundeswehr – Innere Führung konsequent umsetzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Grundsätze der Inneren Führung gehören zu den wesentlichen und unver-
zichtbaren Grundlagen der Bundeswehr. Die Einbindung der Bundeswehr in die
rechtsstaatliche Ordnung, die Unterordnung unter die parlamentarische Kon-
trolle und das Primat der Politik sowie der Anspruch, durch gesellschaftliche
Integration die Entwicklung einer militärischen Eigenkultur und eines solda-
tischen Sonderethos auszuschließen, bestimmen die Konzeption seit ihrer Ent-
wicklung.

Die Bundeswehr erlebt mit den Auslandseinsätzen und dem Voranschreiten der
multinationalen Zusammenarbeit den radikalsten Wandel seit ihrem Bestehen.
Riskante Auslandseinsätze in innenpolitischen Friedenszeiten prägen mittler-
weile den Alltag der Bundeswehr. Dieser Wandel hat nicht nur eine strukturelle,
sondern auch eine kulturelle Komponente und damit Auswirkungen auf das
innere Gefüge der Bundeswehr und auf das soldatische Selbstverständnis.

Die Grundsätze der Inneren Führung dürfen angesichts dieser Veränderungen
nicht in Frage gestellt oder ausgehöhlt werden. Sie sind sozialethisch auf eine
Weise begründet, dass der Geltungsanspruch der Inneren Führung unabhängig
von militärpolitischen Zielsetzungen, Wehrform und Struktur besteht. Innere
Führung ist keine statische Führungs- und Handlungsanweisung. Sie steht für
die Idee und den Anspruch auf der politisch-gesellschaftlichen Ebene, der orga-
nisatorischen sowie der individuellen Ebene, friedens- und demokratieverträg-
liche Streitkräfte zu gestalten. In diesem Sinne ist die Innere Führung ein zeitge-
mäßes und wegweisendes Konzept, das den reflexiven Umgang mit veränderten
Bedingungen herausfordert und auf die veränderten gesellschaftlichen, politi-
schen und militärischen Entwicklungen hin bezogen und aktualisiert werden
muss. Innere Führung ist dabei keine rein innermilitärische Angelegenheit, son-
dern bedarf des Dialogs und der Auseinandersetzung mit Politik und Gesell-

schaft.

Heute ist die Innere Führung aktueller und dringender denn je. Die Anforderun-
gen an die Soldaten und Soldatinnen sind mit den internationalen Einsätzen zur
Friedenssicherung enorm gestiegen. Heute kommt es nicht nur auf ihr militä-
risch-fachliches Wissen, sondern ebenso auf ihre interkulturelle Kompetenz und
ihr politisches Urteilsvermögen an. Staatsbürger in Uniform bringen am ehesten

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das zustande, was in den Stabilisierungseinsätzen unabdingbar ist: Respekt ge-
genüber der einheimischen Bevölkerung aus Achtung vor den Menschenrech-
ten. Der Schutz der Menschenwürde als erstes Gebot des Grundgesetzes ist für
die Bundeswehr und ihre Soldaten und Soldatinnen die rote Linie.

Nicht das Konzept ist das Problem, sondern die konkrete Realität und Praxis von
Innerer Führung. Vorfälle wie die in der Coesfelder Kaserne oder die so genann-
ten Schädelfotos sind für die Bundeswehr keine Regelfälle. Entwürdigende Be-
handlung von Untergebenen, körperliche Misshandlungen und menschenver-
achtende Ausbildungsmethoden haben aber eine weit über den Einzelfall hi-
nausgehende Bedeutung. Sie sind ebenso wie die Defizite der Inneren Führung,
die regelmäßig in den jährlichen Berichten des Wehrbeauftragten des Deutschen
Bundestages angeführt werden, ein deutliches Indiz dafür, dass die Innere Füh-
rung in der Praxis in der Bundeswehr nicht konsequent genug umgesetzt und in
den Köpfen auch tatsächlich immer angekommen ist. Dringend notwendig ist
eine strukturelle Verbesserung der Inneren Führung. Glaubwürdige und wirk-
same Innere Führung stellt auch erhebliche Anforderungen an die politische
Führung. Soldaten und Soldatinnen müssen wissen und verstehen, wofür sie ein-
gesetzt werden. Die Innere Führung darf nicht von oben ausgehöhlt werden.
Wohlmeinende Indifferenz gegenüber der Bundeswehr ist dabei ebenso kontra-
produktiv wie ein nur floskelhaftes Bekenntnis zur Inneren Führung. Sollen die
Grundsätze der Inneren Führung heute stil- und verhaltensbildend wirken, dann
sind neben einer klaren politischen Legitimation der neuen Aufgaben und ange-
messenen organisatorischen Voraussetzungen mehr Investitionen in die politi-
sche Bildung notwendig. Sonst besteht die Gefahr, dass die Innere Führung
lediglich als Gütesiegel die Bundeswehr von außen schmückt.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● im Dialog mit Parlament und Öffentlichkeit eine integrative Sicherheitsstra-
tegie mit zivilem Primat zu entwickeln, die klare Voraussetzungen und Gren-
zen für Auslandseinsätze der Bundeswehr definiert;

● durch einen zurückhaltenden Streitkräfteeinsatz und den Ausbau der zivilen
Handlungsinstrumente den Friedensauftrag des Grundgesetzes glaubwürdig
umzusetzen und dadurch einem wechselseitigen Entfremdungsprozess von
Bundeswehr und Gesellschaft entgegenzuwirken;

● sicherzustellen, dass die Grundsätze der Inneren Führung konsequent umge-
setzt, kontinuierlich weiterentwickelt und im Zuge einer verstärkten Integra-
tion der Bundeswehr in multinationale Strukturen von EU und NATO nicht
untergraben, sondern gestärkt und ausgebaut werden;

● dafür zu sorgen, dass innerhalb der Streitkräfte effiziente und verlässliche Re-
gelungen eingeführt werden, die bewirken, dass die Grundsätze und Stan-
dards der Inneren Führung auch bei der Erfüllung der neuen Aufgaben nicht
vernachlässigt und diese im Truppenalltag konsequent umgesetzt werden;

● sicherzustellen, dass die Prinzipien der Inneren Führung mit Blick auf die
Führungs- und Organisationsstrukturen im Auslandseinsatz hin überprüft so-
wie gestärkt und die Auftragstaktik als grundlegendes Führungsprinzip der
Bundeswehr im Einsatz umgesetzt wird;

● dafür zu sorgen, dass gemäß der Konzeption der Inneren Führung eine die
Grundrechte schützende Rechtsstellung von Soldaten und Soldatinnen im
Auslandseinsatz gewährleistet ist;

● sicherzustellen, dass Soldaten und Soldatinnen ein am Leitbild des Staatsbür-
gers in Uniform orientiertes Selbstverständnis entwickeln, in dem sich nicht

nur militärisch-handwerkliche, sondern auch politische und rechtliche As-
pekte der neuen Aufgaben wiederfinden;

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● darauf hinzuwirken, dass neben dem Anteil für die militärfachliche Ausbil-
dung einsatz- und problembezogene Ausbildungsabschnitte zur konkreten
Anwendung der Grundsätze der Inneren Führung ausreichend berücksichtigt
werden;

● dafür zu sorgen, dass der politischen Bildung und vor allem der ethischen Bil-
dung, verstanden als Menschenrechtsbildung, ein größerer Stellenwert in der
Ausbildung eingeräumt und entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen
sowie Ausbildungsmodule entwickelt werden und hierfür auch den lebens-
kundlichen Unterricht mit einzubeziehen;

● sicherzustellen, dass in der Bundeswehr ein aus den demokratischen und
rechtsstaatlichen Normen und Werten heraus begründetes modernes Selbst-
und Traditionsverständnis ausgebildet wird;

● dafür zu sorgen, dass Struktur und Umfang der Bundeswehr an den Erforder-
nissen der neuen Aufgaben ausgerichtet und durch Rekrutierung und Perso-
nalauswahl der gesellschaftliche Pluralismus in der Zusammensetzung der
Streitkräfte in höherem Maße als bisher abgebildet wird;

● Maßnahmen zu ergreifen, damit die Sensibilisierung für die Geschlechterper-
spektive stärker in die Ausbildungsprogramme integriert wird.

Berlin, den 5. März 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

1. Die Grundsätze der Inneren Führung sind verbindlich. Ihren rechtlichen Rah-
men finden sie im Grundgesetz, der Wehrgesetzgebung und weiteren dienst-
lichen Regelungen. Die neugefasste zentrale Dienstvorschrift zur Inneren
Führung verweist zu Recht auf den dreifachen Bezug der Inneren Führung:
Sie bindet Auftrag und Aufgaben, innere Ordnung und militärisches Handeln
sowie soldatisches Selbstverständnis an die rechtsstaatlichen und demokrati-
schen Werte und Normen. Das Friedensgebot unserer Verfassung und das
Verbot eines Angriffskrieges begrenzen Einsatz und Aufgaben der Bundes-
wehr. Die Beteiligung an Auslandseinsätzen unterliegt daher spezieller
Rechtsprüfung. Damit verbunden ist die Bindung der Rechtsordnung der
Bundeswehr an die unveränderbaren Verfassungsartikel, in denen die Men-
schen- und Bürgerrechte festgehalten sind. Die Rechtsstellung des Soldaten
ist durch den Grundrechtsschutz bestimmt. Der Staatsbürger in Uniform
bleibt im Besitz seiner vollen Grundrechte. Grundrechtseinschränkungen, die
sich aus den Besonderheiten des Dienstes ergeben, sind begründungspflichtig
und müssen gesetzlich festgelegt sein. Das gilt auch für das Prinzip von Be-
fehl und Gehorsam. Die Gehorsamspflicht endet dort, wo rechtswidrige
Handlungen befohlen werden.

2. Angesichts der neuen Aufgaben und eines deutlichen Ansehensverlustes der
Politik ist die Sinnvermittlung über die politischen Vorraussetzungen und
normativen Grundbedingungen des soldatischen Dienstes schwieriger ge-
worden. Der politischen Führung mangelt es an Überzeugungskraft. Aus-
landseinsätze werden fast nur ad hoc und reaktiv, aber nicht kontinuierlich
begründet und erläutert. Dabei wird die Diskrepanz zwischen hehrem Auf-
trag und nüchterner Realität, Einsatzland und Heimat, zivilem und militä-

rischem Engagement oft ausgeblendet. Die Öffentlichkeit sowie Soldaten

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und Soldatinnen haben ein Recht darauf, zu erfahren, welchen Beitrag Streit-
kräfte im Rahmen einer umfassenden Friedens- und Sicherheitspolitik leisten
können, dürfen und sollen und welchen eben nicht. Das muss die Politik leis-
ten, sonst wird die Innere Führung von oben ausgehöhlt. Die Einsätze der
Bundeswehr im multilateralen Rahmen sind überwiegend komplexe zivile,
polizeiliche und militärische Missionen. Im Rahmen dieser Einsätze leistet
die Bundeswehr einen sinnvollen Beitrag zur multilateralen Krisenbewälti-
gung und Gewalteindämmung im Rahmen kollektiver Sicherheit. Daraus
müssen differenzierte Anforderungs- und Kompetenzprofile sowie Ausbil-
dungsziele abgeleitet werden. In diesem Sinne bedürfen Ausbildung und
Bildung einer situations- und aufgabengemäßen Realisierung. Zu Recht wur-
den daher, wenn auch mit deutlicher zeitlicher Verzögerung, die Zentralen
Dienstvorschriften zur Inneren Führung sowie zur politischen Bildung neu-
gefasst und an die Anforderungen der neuen Aufgaben angepasst. Das aber
reicht bei weitem nicht; entscheidend ist, dass Innere Führung im Alltag in
der Truppe auch umgesetzt und realisiert wird.

3. Strukturellen Aspekten der Inneren Führung im Einsatz ist bislang zu wenig
Bedeutung beigemessen worden. Deshalb muss den Führungs- und Organi-
sationsstrukturen mehr Beachtung geschenkt werden. Führen mit Auftrag ist
keine Schönwetterangelegenheit, sondern wesentliche Grundlage für das
gute Agieren im Auslandseinsatz. Das Primat der Politik enthebt Soldaten
und Soldatinnen nicht der Verantwortung. Technokratischer Pragmatismus
ist fehl am Platz. Innere Führung fordert, dass die Bundeswehr in die rechts-
staatliche Ordnung und Gesellschaft integriert sein muss. Dieses Integrati-
onspostulat umfasst nicht nur das Primat der Politik, sondern die angemessen
spezifizierte Beachtung demokratischer Werte und Normen bei der Gestal-
tung des inneren Gefüges und im sozialen Umgang der Soldaten im Einsatz
wie am Heimatstandort. Konstitutives Führungsprinzip für die Bundeswehr
ist nicht Befehlstaktik, sondern Auftragstaktik. Das muss auch für den Aus-
landseinsatz gelten, sonst besteht die Gefahr, dass die Bundeswehr ihre Auf-
gaben nicht angemessen erfüllen kann.

4. Das Leitbild des Staatsbürgers in Uniform verpflichtet Soldaten und Sol-
datinnen zum Respekt der Menschenrechte und Toleranz. Hierzu gehört ein
die Organisationskultur tragendes modernes Selbst- und Traditionsverständ-
nis, das sich aus den demokratischen und rechtsstaatlichen Normen und
Werten heraus begründet. Ein neotraditionalistisches, rückwärtsgewandtes
Selbst- und Traditionsverständnis ist mit der Inneren Führung nicht verein-
bar. Die Grundsätze der Inneren Führung fordern von Soldaten und Soldat-
innen politisch und moralisch zu verantwortendes Handeln. Das sind genau
jene Basisorientierungen und Verhaltensstandards, die heute in den oft auch
komplexen Einsätzen zur Friedenssicherung unerlässlich sind. Sie zu stärken
und zu fördern ist Aufgabe von Ausbildung und Bildung.

5. Eine überwiegend militärfachliche Ausbildung ist für die heutigen Aufgaben
der Bundeswehr nicht mehr ausreichend. Soldaten und Soldatinnen leisten
ihren Dienst immer häufiger in multinationalen Stäben und Verbänden und
müssen sich in fremden Ländern und Kulturen zurechtfinden. Professionali-
sierung und Spezialisierung für die neuen Aufgaben ist daher nur die halbe
Wahrheit. Das soldatische Anforderungsprofil ist heute komplexer gewor-
den. Klassische Gefechtsqualitäten müssen kombiniert werden mit vielfälti-
gen Fähigkeiten der Stabilisierung. Stabilisieren können ohne kämpfen zu
müssen ist die heutige Kernherausforderung der Bundeswehr im Einsatz. Die
komplexen Aufgaben des sog. nation- bzw. statebuilding setzen eine enge
zivilgesellschaftliche Bodenhaftung militärischer Fähigkeiten voraus. Dafür
müssen Soldaten zusätzliche Kooperations- und Handlungsfähigkeiten ent-

wickeln. Hinzu kommt, dass Soldaten heute vermehrt angemessen in
ethischen Grenzsituationen handeln müssen. Das stellt in einem oftmals

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/8370

fremden kulturellen Umfeld hohe Anforderungen an die Entscheidungs- und
Urteilskompetenz. Werte und Haltungen lassen sich aber nicht einfach vor-
schreiben, sondern müssen in Auseinandersetzung mit anderen Vorstellungen
entwickelt werden. Ethische Bildung muss daher für alle Soldaten verpflich-
tend sein. Heute brauchen wir den umfassend ausgebildeten Soldaten, der um
die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen unserer Zeit und die
normativen Grundbedingungen des soldatischen Handelns weiß. Das kann
nicht Privatsache sein, sondern muss in die Ausbildungsinhalte integriert
werden. In besonderer Weise gilt dies für die Ausbildung von Führungs-
personal. Diese müssen in der Lage sein, auch in komplexen und unüber-
sichtlichen Einsatzsituationen konkrete Probleme rasch zu analysieren und
adäquat darauf zu reagieren. Dies lässt sich wahrlich nicht mit einfachen
Führungs- und Handlungstechniken beibringen. Um Eigenständigkeit und
Problemlösungskompetenz zu stärken, ist für Offiziere eine wissenschaft-
liche Ausbildung entscheidend.

6. In zunehmendem Maße kooperieren Bundeswehrsoldaten mit Soldaten ande-
rer Streitkräfte in multinationalen Verbänden und Einheiten. Sie arbeiten eng
mit Angehörigen anderer Streitkräfte zusammen, die auf der Basis unter-
schiedlicher Rechtsnormen und Führungskulturen ihren Dienst versehen. Die
verschiedenen rechtlichen Rahmenbedingungen und Führungskonzeptionen
führen zu Belastungen und Unsicherheiten, die zu Frustration, Demotivation
und Fehlverhalten beitragen können. Soldaten und Soldatinnen müssen daher
auf Situationen und den Umgang mit unterschiedlichen Rechts- und Füh-
rungskulturen vorbereitet werden. Entscheidend ist, dass die Rechtsstellung
von Bundeswehrsoldaten gemäß der Konzeption der Inneren Führung ge-
währleistet wird und auf die Entwicklung gemeinsamer Rechtsgrundlagen
und Führungsphilosophien hingewirkt wird. Auf keinen Fall dürfen mit Ver-
weis auf die Effizienz und Interoperabilität mit anderen Streitkräften die ethi-
schen und rechtlichen Grundsätze der Inneren Führung aufgegeben werden.

7. Bundeswehrsoldaten und -soldatinnen sind nicht mehr wie zu Zeiten des
Kalten Krieges klassische Landesverteidiger, sondern agieren im Rahmen
kollektiver Sicherheitsvorsorge in weit entfernten Regionen. Die Wehr-
pflicht, die nur noch von maximal 15 Prozent eines männlichen Geburtsjahr-
gangs als Wehrdienst abgeleistet werden kann, ist auch von daher nicht mehr
zu legitimieren. Zu Recht werden Grundwehrdienstleistende daher auch nicht
in Auslandseinsätzen eingesetzt. Freiwilligkeit ist das Prinzip. Mit dem Ar-
gument möglicher Rekrutierungsschwierigkeiten ist die allgemeine Wehr-
pflicht ebenfalls nicht zu legitimieren. Die Wehrpflicht hat sich längstens
überlebt. Sie ist sicherheitspolitisch nicht mehr gerechtfertigt und gesell-
schaftlich nicht mehr vermittelbar. Für eine zukunftsfähige und tragfähige
Nachwuchsgewinnung ist vielmehr die Einführung eines freiwilligen und fle-
xiblen militärischen Kurzdienstes für junge Männer und Frauen sinnvoll.
Dieser kann dazu beitragen, dass die Streitkräfte mehr als bisher aus allen
Schichten der Gesellschaft, auch aus milieufremden Gruppen, Personal ge-
winnen. Gerade für die neuen Aufgaben braucht die Bundeswehr gut qualifi-
ziertes und motiviertes Personal. Eine wichtige Rolle spielt daher die Per-
sonalauswahl. Anspruchsvolle Eignungsprüfungen, die auch die Prüfung
sozialer und interkultureller Kompetenz bzw. die Entwicklungsfähigkeit
daraufhin beinhalten, sind unerlässlich. Damit kann verhindert werden, dass
Soldaten und Soldatinnen einseitigen Weltanschauungen anhängen und die
politische Aufgabe der Bundeswehr in nicht vollem Maße erfasst wird. Die
weitere Einbeziehung von Frauen und eine Sensibilisierung für die Ge-
schlechterperspektive ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund der internationa-
len Stabilisierungseinsätze unverzichtbar.

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