BT-Drucksache 16/8312

Leistungsniveau der Rente bei der gesetzlichen Rentenversicherung und der so genannten Riesterrente

Vom 27. Februar 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8312
16. Wahlperiode 27. 02. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Klaus Ernst, Dr. Lothar Bisky, Dr. Martina Bunge, Dr. Barbara
Höll, Katja Kipping, Katrin Kunert, Elke Reinke, Volker Schneider (Saarbrücken),
Frank Spieth, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Leistungsniveau der Rente bei der gesetzlichen Rentenversicherung
und der so genannten Riesterrente

Die Bundesregierung hat mit Bundestagsdrucksache 16/8016 auf eine Kleine
Anfrage der Fraktion DIE LINKE. zum Leistungsniveau der gesetzlichen Alters-
rente und der Riesterrente geantwortet. Hinsichtlich der prognostizierten Er-
träge aus der Riesterrente ergeben sich Zweifel an der Realitätsnähe der von der
Bundesregierung formulierten Annahmen. Teilweise sind auch die Berech-
nungsverfahren anzuzweifeln. So wird die Riesterprämie rechnerisch auf einen
falschen Zeitpunkt bezogen (BE t statt BE t-1). Die Riesterprämien werden
aber faktisch zum 31. Dezember oder noch später gezahlt: damit verschiebt
sich aber auch der Zinseszinseffekt um mindestens ein Jahr. Im Ergebnis liegt
damit die Berechnung des Kapitalstocks um 1 780 Euro zu hoch. Konstatiert
man weiter, dass die Verwaltungskosten bei Lebensversicherungen bei ca. 15
Prozent und nicht wie angenommen bei 10 Prozent der eingezahlten Beträge
liegen, so sinkt der Kapitalstock weiter. Auch die Annahme, dass eine Verzin-
sung von 4 Prozent realisiert werden kann, erscheint aktuell unplausibel: der
Garantiezins liegt Anfang 2008 bei 2,25 Prozent. Es ist in der Summe daher da-
von auszugehen, dass das zukünftige Gesamtversorgungsniveau vor Steuern
von der Bundesregierung erheblich überschätzt wird.

Teilweise stehen aus der genannten Kleinen Anfrage (Bundestagsdrucksache
16/7829) noch Antworten aus, um deren Nachlieferung gebeten wird. Insbeson-
dere weigert sich die Bundesregierung Auskünfte zum Verhältnis des Rentenni-
veaus zur Grundsicherung im Jahr 2030 zu geben. Zuverlässige Quellen wie der
5. Bericht der Altenkommission sind da auskunftsfreudiger. Wörtlich heißt es
dort: „Geht man davon aus, dass zur Armutsvermeidung etwa weiterhin eine
Rente in Höhe von 40 Prozent des durchschnittlichen Nettoentgeltes angemessen
ist, dann brauchte ein Durchschnittsverdiener rund 35 Beitragsjahre, um eine
Rente gerade in Höhe z. B. einer armutsvermeidenden bedarfsorientierten
Grundsicherung zu erhalten“ (S. 214). Bezogen auf das derzeitige Grundsiche-
rungsniveau schreibt auch der Sachverständigenrat in seinem Jahresgutachten
2007/2008 wörtlich: „Bis zum Jahr 2030 wird nach aktuellen Berechnungen der
Deutschen Rentenversicherung das Nettorentenniveau vor Steuern von derzeit

52,7 Prozent auf 43,8 Prozent sinken. Bezogen auf das heutige Grundsicherungs-
niveau würde man dann 30 Entgeltpunkte für eine Rente in dieser Höhe benöti-
gen“ (S. 194).

Gleichzeitig stellen sich neue Fragen, die sich insbesondere auf einen Vergleich
der Effizienz von gesetzlicher und privater Alterssicherung, auf die angenom-
mene Verbreitung der Riesterrente sowie die damit verbundenen Kosten für den
Staatshaushalt richten.

Drucksache 16/8312 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Annahmen liegen der im Rentenversicherungsbericht zitierten Prog-
nose (B 8, S. 39) zu Grunde?

Insbesondere:

a) Von welcher Entwicklung der Abgabenquote der Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer nach § 154 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch geht die
Bundesregierung für den Zeitraum 2002 bis 2030 aus (bitte einzeln aus-
weisen: Steuerquote, Sozialversicherungsbeitragsquote und Riesterprä-
mienquote)?

b) Welcher Sozialversicherungsbeitrag für Rentner und Rentnerinnen wird
für die Jahre 2002 bis 2030 unterstellt (jährlich)?

c) Welche gesamtwirtschaftliche Riesterquote der Arbeiterinnen, Arbeiter
und Angestellten unterstellt die Bundesregierung 2002 bis 2030 (jähr-
lich)?

Dabei bitte separat ausführen: „riesternde“ Arbeiterinnen, Arbeiter und
Angestellten im Verhältnis zur Zahl aller förderberechtigten Arbeite-
rinnen, Arbeiter und Angestellten sowie Ausschöpfung der Förderquote
bei den „riesternden“ Arbeiterinnen, Arbeitern und Angestellten (volle
Förderung/anteilige Förderung)?

d) Wie hoch ist der Anteil derjenigen, die bei einem Mindesteigenbeitrag
von 60 Euro die maximale Grundzulage bzw. die maximale Kinderzulage
erhalten?

e) Wie hoch sind die Verwaltungskosten bei einer Riesterrente in der Aus-
zahlungsphase?

f) Von welcher Verzinsung des Riesterkapitals ab Verrentung geht die Bun-
desregierung aus?

g) Welchen Einfluss hat die Option der Teilkapitalisierung bei Verrentung
auf die Riesterrentenhöhe und das Gesamtversorgungsniveau?

2. a) Bestätigt die Bundesregierung die eingangs ausgeführten Informationen
der Altenkommission und des Sachverständigenrats zur Anzahl von Bei-
tragsjahren, die ein Durchschnittsverdiener im Jahr 2030 braucht, um
eine armutsvermeidende Rente (hier definiert als 40 Prozent des durch-
schnittlichen Nettoentgelts) bzw. eine gesetzliche Rente oberhalb des
aktuellen Grundsicherungsniveaus zu erhalten bzw. was kann sie dem
entgegenhalten?

b) Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Aussagen im Alten-
bericht und dem Bericht des Sachverständigenrats von 2007/2008 als
Indiz für eine vorhersehbare Wiederkehr von Altersarmut zu werten sind
(falls nein, bitte mit Begründung)?

c) Wie hoch schätzt die Bundesregierung den Anteil der Neurentnerinnen
und -rentner ab 2030, deren Einkommen aus der gesetzlichen Rente bzw.
deren Gesamteinkommen unterhalb der Armutsschwelle nach EU-Defi-
nition liegen?

3. a) Wie entwickelten sich die Sozialbeiträge der Arbeitnehmer zur Alters-
sicherung nach dem Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamt-
rechnungen (ESVG) seit 2000 im Vergleich zu den Arbeitgebern (bitte
für Arbeitnehmer differenziert nach Beitragssatz zur gesetzlichen Ren-
tenversicherung und der Riesterrente)?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/8312

b) Wie hätte sich der Beitragssatz der Arbeitnehmer entwickelt, wenn bei
gleichem Sicherungsniveau die paritätische Finanzierung der Alters-
sicherung beibehalten und auf die Riesterrente verzichtet worden wäre?

c) Welches Rentenniveau (Sicherungsniveau vor Steuern) wäre finanzierbar,
wenn bei einer paritätischen Finanzierung die Beitragssätze auf 24 Pro-
zent (2020) bzw. 26 Prozent (2030) steigen dürften?

d) Welcher Beitragssatz wäre im Jahr 2020 und 2030 erforderlich, um das
aktuelle Sicherungsniveau vor Steuern von 51 Prozent (2007) konstant zu
halten?

4. a) Welche Kosten der öffentlichen Förderung der privaten Altersvorsorge
sind unter Zugrundelegung der Antwort zu Frage 1c in der mittelfristigen
Finanzplanung der Bundesregierung unterstellt, und welche Kosten er-
wartet die Bundesregierung für die Jahre bis 2030 (jährlich)?

b) Wie erklärt die Bundesregierung die erhebliche Diskrepanz zwischen
ihren Aussagen (Bundestagsdrucksache 16/8016, S. 6) über die Höhe der
Altersvorsorgezulage für 2004 von 145,5 Mio. und den fast 390 Mio.
Euro, die Ulrich Stolz und Christian Rieckhoff (RV aktuell 9/2007,
S. 307) ausweisen?

c) Wie hoch wären die jährlichen Kosten ab 2008 (bis 2030), wenn 100 Pro-
zent der förderfähigen Personen in eine Riesterrente mit voller öffent-
licher Förderung einzahlen würden (bitte zusammen und getrennt nach
unmittelbar und mittelbar Zulagenberechtigten angeben)?

d) Wie bewertet die Bundesregierung die Informationen von Ulrich Stolz
und Christian Rieckhoff, dass bereits bei Erreichen der zweiten Förder-
stufe 2004 „die Ausschöpfung der maximal möglichen Zulagenförderung
deutlich erkennbar zurückgegangen ist“ (a. a. O., S. 311)?

e) Teilt die Bundesregierung die Erwartung, dass mit dem Ansteigen des
notwendigen Eigenbeitrags ein weiterer Rückgang zu erwarten ist?

f) Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung daraus im Hinblick auf das
von ihr prognostizierte Gesamtversorgungsniveau im Alter?

g) Bei wie vielen Riesterverträgen wurden in den Jahren 2002 bis 2007
keine Anträge auf Förderprämie mehr gestellt (insgesamt und getrennt
nach mittelbar und unmittelbar Zulageberechtigten)?

5. a) Wie hoch ist der Anteil der Verwaltungs- und Verfahrenskosten an den
eingezahlten Beiträgen bei der gesetzlichen Rentenversicherung im Ver-
gleich zu der Riesterrente?

b) Welche Faktoren erklären den erheblichen Unterschied in den Verwal-
tungs- und Verfahrenskosten zwischen den beiden Säule der Alterssiche-
rung?

c) Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass der Garantiezins
bei der privaten Alterssicherung – derzeit 2,25 Prozent – sich lediglich
auf den Sparanteil der eingezahlten Beiträge bezieht, und unterstützt sie
den Vorschlag, die Definition des Garantiezins auf die gesamten ein-
gezahlten Beiträge zu beziehen?

6. Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag, die Offenlegung der ein-
behaltenen anteiligen Abschluss- und Vertriebskosten nicht nur gegenüber
dem jeweiligen Vertragspartner, sondern zur öffentlichen Kontrolle auch ge-
genüber der Zertifizierungsstelle zur Pflicht für die Vertreiber von Riester-

produkten zu machen?

Drucksache 16/8312 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
7. Wie bewertet die Bundesregierung die Einschätzung, dass eine umfassende
Evaluation der Riesterrente notwendig ist, die über die Fragen nach Umfang
der Riesterförderung sowie die Verbreitung der privaten Altersvorsorge
hinausgeht und einen systematischen Leistungsvergleich von gesetzlicher
vs. Riesterrente anstellt sowie grundlegende Verteilungswirkungen und die
Auswirkungen auf die Vermögensbildung der Privathaushalte analysiert?

Berlin, den 26. Februar 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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