BT-Drucksache 16/8291

Auswirkungen der Regelungen durch das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz sowie des Wettbewerbsstärkungsgesetzes auf die ärztliche Versorgung und die Versorgungsdichte für Patientinnen und Patienten

Vom 20. Februar 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8291
16. Wahlperiode 20. 02. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Frank Spieth, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge,
Dr. Dagmar Enkelmann, Monika Knoche, Katrin Kunert, Elke Reinke, Volker
Schneider (Saarbrücken), Dr. Ilja Seifert und der Fraktion DIE LINKE.

Auswirkungen der Regelungen durch das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz
sowie des Wettbewerbsstärkungsgesetzes auf die ärztliche Versorgung und die
Versorgungsdichte für Patientinnen und Patienten

Seit dem 1. Januar 2007 sind infolge des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes
(VÄndG) neue Regelungen in Kraft, die für die niedergelassenen Ärztinnen
und Ärzte flexiblere Arbeitsmöglichkeiten eröffnen. Durch das VÄndG sowie
das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) mit Gültigkeit ab 1. April
2007 sind eine Vielzahl von Regelungen in Kraft getreten. Diese Regelungen
verfolgen unter anderem das Ziel, drohende oder schon bestehende ärztliche
Unterversorgung zu verhindern oder zu beseitigen. Insbesondere besteht Unter-
versorgung im hausärztlichen Bereich in den neuen Bundesländern und im
ländlichen Raum, aber nicht nur dort.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Ärztinnen und Ärzte, aufgeschlüsselt nach Arztgruppe sowie nach
Bundesland bzw. KV-Zugehörigkeit, haben nach Kenntnis der Bundesregie-
rung von der neugeschaffenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, an mehreren
Orten gleichzeitig tätig werden zu dürfen?

2. Wie viele davon arbeiten in eigener Praxis, wie viele als Angestellte?

3. Wie viele der Inhaberinnen und Inhaber von Zweigpraxen lassen nach
Kenntnis der Bundesregierung sich an diesen „weiteren Tätigkeitsorten“
durch angestellte Ärztinnen und Ärzte oder Psychotherapeutinnen und Psy-
chotherapeuten unterstützen?

4. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, dass Ärztinnen und
Ärzte die neugeschaffene Möglichkeit von Zweigpraxen dahingehend nut-
zen, dass sie sich in einer nicht überversorgten Region (beispielsweise Bran-
denburg; je nach Berufsgruppe) eine Zulassung besorgen, aber gleichzeitig
in Teilzeit in überversorgten Regionen (beispielsweise Berlin) tätig werden?

5. Wie viele der Zweigpraxen sind in Regionen eröffnet worden, obwohl dort

Zulassungsbeschränkungen für das Fachgebiet bestehen, da als entscheiden-
des Kriterium für die Genehmigung lediglich die Frage der Verbesserung der
Versorgung, nicht jedoch die Unterversorgung am Tätigkeitsort festgelegt
wurde und somit auch schon die Verkürzung langer Wartezeiten oder die
Verringerung von Anreisezeiten zur nächst erreichbaren geeigneten Praxis
für die Genehmigung ausreichend sein kann?

Drucksache 16/8291 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

6. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Auswirkungen der
Tätigkeit in Zweigpraxen am jeweiligen Stammsitz der Vertragsärztinnen
und -ärzte?

7. Kann die Bundesregierung Aussagen darüber machen, ob sich bei den ärzt-
lichen Verrechnungsstellen, insbesondere bei Teilniederlassungen außer-
halb ihrer Heimat-KV, Abrechnungsschwierigkeiten ergaben?

8. Wenn ja, wie sind diese gelöst worden, und in welchem Umfang existieren
diese?

9. Welche Richtlinien hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung für die
Qualitäts-, die Wirtschaftlichkeits- und Plausibilitätsprüfungen KV-über-
greifender Berufsausübungsgemeinschaften ausgearbeitet?

10. Wie viele Ärztinnen und Ärzte, wiederum aufgeschlüsselt nach Arzt-
gruppe sowie nach Bundesland bzw. KV-Zugehörigkeit, arbeiten nach
Kenntnis der Bundesregierung sowohl als niedergelassene Vertragsärztin-
nen bzw. -ärzte als auch als Angestellte im Krankenhaus oder in einem
Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ)?

11. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung hinsichtlich jetzt erlaubter
Zusammenschlüsse über Orts-, Praxis- und Fachgebietsgrenzen hinweg?

12. Wie verteilen sich derartige Zusammenschlüsse auf die unterschiedlichen
Vertragskonstellationen zwischen Vertragsärztinnen und -ärzten, Psycho-
therapeutinnen und -therapeuten sowie Medizinischen Versorgungszentren?

13. Welche berufsrechtlichen Regelungen sind für Zusammenschlüsse von
Vertragsärztinnen und -ärzten mit Medizinischen Versorgungszentren ge-
troffen worden für den Fall, dass das MVZ eine juristische Person des
Privatrechtes darstellt, um auch diese Form des Zusammenschlusses ge-
nehmigungsfähig zu gestalten?

14. Wie viele Ärztinnen und Ärzte, wiederum aufgeschlüsselt nach Arztgruppe
sowie nach Bundesland bzw. KV-Zugehörigkeit, haben nach Kenntnis der
Bundesregierung von den neuen Anstellungserlaubnissen Gebrauch ge-
macht?

15. Ist in den Bundesmantelverträgen die Konkretisierung der im Gesetz nicht
bestimmten Zahl von Anstellungsverhältnissen erfolgt?

Falls ja, welchen Inhalt hat die Regelung?

Falls nein, warum ist dies (noch) nicht erfolgt?

16. Welche weiteren Konkretisierungen und Spezifisierungen haben nach dem
Inkrafttreten des VÄndG und GKV-WSG erfolgen müssen?

Welche sind erfolgt und welche stehen noch aus?

17. Wie viele Vertragsärztinnen und -ärzte sowie Psychotherapeutinnen und
-psychotherapeuten haben nach Kenntnis der Bundesregierung eine so ge-
nannte Teilzulassung beantragt und haben ihren Versorgungsauftrag damit
auf die Hälfte vermindert?

18. Kann die Bundesregierung genauere Angaben hinsichtlich deren Ge-
schlecht, Alter, Familienstand, Region, (Fach-)Arztgruppe o. Ä. machen,
um daraus abzuleiten, wer von dieser Regelung in welchem Maße Ge-
brauch macht?

19. Wie viele davon sind inzwischen wieder zur Vollzulassung zurückgekehrt?

20. Wie viele Hausärzte haben von der neuen Sonderregel nach § 95 Abs. 9a
des Fünften Buches Sozialgesetzbuch Gebrauch gemacht und haben Hoch-

schullehrer der Allgemeinmedizin und deren wissenschaftliche Mitarbeiter
eingestellt?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/8291

21. Kann die Bundesregierung beziffern, wie sich der Wegfall der Altersgren-
zen von Vertragsärztinnen und -ärzten in Unterversorgungsregionen aus-
wirkt?

22. Wie viele Ärztinnen und Ärzte, aufgeschlüsselt nach KV-Bezirk und Fach-
arztzugehörigkeit, haben nach Kenntnis der Bundesregierung von der
Erlaubnis Gebrauch gemacht, sich auch erst nach dem 55. Lebensjahr erst-
malig zuzulassen?

23. Wie viele Ärztinnen und Ärzte, aufgeschlüsselt nach KV-Bezirk und Fach-
arztzugehörigkeit, haben nach Kenntnis der Bundesregierung in Gebieten
mit schon bestehender oder drohender Unterversorgung von der Erlaubnis
Gebrauch gemacht, über das 68. Lebensjahr vertragsärztlich tätig sein zu
dürfen?

24. Wie viele davon – aufgeschlüsselt nach KV-Bezirk und Facharztzugehö-
rigkeit – haben mittlerweile ihre vertragsärztliche Zulassung wieder ent-
zogen bekommen, da das Kriterium der latenten oder existierenden Unter-
versorgung zwischenzeitlich wieder entfallen ist?

25. Kann die Bundesregierung Angaben machen hinsichtlich der Höhe real
erfolgter Zu- und Abschläge bei der ärztlichen Vergütung in Über- bzw.
Unterversorgungsgebieten?

26. Gibt es belastbare Daten, die nahelegen, dass das Ziel, die Attraktivität der
hausärztlichen Tätigkeit zu steigern, erreicht wurde?

27. Wie viele Ärztinnen und Ärzte haben nach Kenntnis der Bundesregierung
seit Inkrafttreten der Liberalisierungen der vertragsärztlichen Regelungen
eine hausärztliche Tätigkeit neu aufgenommen, und wie ist dies im Ver-
gleich zu den Vorjahren zu bewerten?

28. In welchem durchschnittlichen Alter sind diese, und können sie damit
nachhaltig zur Verhinderung von Unterversorgung beitragen?

29. Sieht die Bundesregierung, dass große Planungsbereiche, wie im Falle von
Berlin oder Hamburg oder im Falle großer Landkreise, dazu führen
können, dass es Anhäufungen von Ärzten in gewissen Teilen der Planungs-
bereiche gibt, während andere Gebiete innerhalb der gleichen Planungs-
bereiche schlecht bzw. unterversorgt sind?

Wie könnte man diesem Problem begegnen?

Wie beurteilt die Bundesregierung Modelle, die kleinere Planungsbereiche
vorsehen?

30. Gibt es zur Überprüfung der Auswirkungen der Liberalisierung des Ver-
tragsarztrechts eine unabhängige Begleitforschung?

Ist von Seiten der Bundesregierung eine solche geplant, wann wird diese in
Auftrag gegeben, und wann ist mit Ergebnissen zu rechnen?

31. Wenn ja, wer führt diese durch?

32. Wenn nein, wie soll die Bundesregierung und die Öffentlichkeit erkennen
können, ob die Ziele, die sich die Bundesregierung mit der Liberalisierung
und Flexibilisierung des Vertragsarztrechts, insbesondere die bessere Ver-
sorgung schlecht versorgter Regionen, erreicht wurde?

Berlin, den 15. Februar 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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