BT-Drucksache 16/8260

Reformbedarf in Deutschland nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Adoptionsrechten Homosexueller

Vom 20. Februar 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8260
16. Wahlperiode 20. 02. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Petra Pau, Dr. Kirsten Tackmann,
Karin Binder, Dr. Martina Bunge, Diana Golze, Katja Kipping, Jan Korte,
Katrin Kunert, Kersten Naumann, Wolfgang Neskovic, Elke Reinke,
Dr. Ilja Seifert, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Reformbedarf in Deutschland nach der Entscheidung des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte zu Adoptionsrechten Homosexueller

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat Frankreich in
einer am 22. Januar 2008 veröffentlichten Entscheidung zur Zahlung eines
Schmerzensgelds verurteilt, weil die zuständigen Behörden den Adoptions-
antrag einer lesbischen Lehrerin abgelehnt hatten. Mit dem Hinweis auf die
Homosexualität der Adoptionsbewerberinnen und Adoptionsbewerber dürfe der
Wunsch, ein Kind zu adoptieren, nicht zurückgewiesen werden, urteilte das Ge-
richt (vgl. http://cmiskp.echr.coe.int). Gesetze oder Regeln, die die Genehmi-
gung einer Adoption aufgrund der homosexuellen Orientierung der Adoptions-
willigen ablehnen, verstoßen laut EGMR gegen den Artikel 14 (Diskriminie-
rungsverbot) und Artikel 8 (Schutz der Familie) der Europäischen Menschen-
rechtskonvention (EMRK).

Bisher ist Lesben und Schwulen in Deutschland nur als Einzelperson erlaubt,
ein Kind zu adoptieren. Das hat zur Folge, dass nur ein Partner oder eine Part-
nerin allein das Sorgerecht in einer Beziehung hat und der andere Elternteil
rechtlich gesehen in keinem Elternverhältnis zum Kind steht. Heterosexuelle
Ehepaare haben stattdessen die Möglichkeit der gemeinsamen Adoption
(§ 1741 Abs. 2 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Anknüpfend an ihre
Paarbeziehung haben Homosexuelle stattdessen ausschließlich das Recht zur so
genannten Stiefkindadoption, die Adoption eines leiblichen Kindes des Part-
ners/der Partnerin aus einer früheren Heterobeziehung.

In der Antwort auf die schriftliche Frage 18 des Abgeordneten Lutz Heilmann
auf Bundestagsdrucksache 16/7965 wies das Bundesministerium der Justiz auf
das Europäische Adoptionsabkommen von 1967 hin, welches derzeit über-
arbeitet werde und voraussichtlich in Zukunft die gemeinsame Adoption nicht
mehr allein auf Ehepaare beschränken werde. Deutschland plane eine zügige
Zeichnung und Ratifizierung des revidierten Abkommens.
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie beurteilt die Bundesregierung die Bedeutung der zitierten Entscheidung
des EGMR für die weitere Durchsetzung der Menschenrechte homosexu-
eller Menschen in Europa?

Drucksache 16/8260 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
2. Welche Reformen sind nach Auffassung der Bundesregierung hinsichtlich
der rechtlichen Gleichstellung im Bereich des Adoptionsrechts von Ehe-
paaren und gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerinnen und Lebenspartnern
in Deutschland als Konsequenz aus der Entscheidung des EGMR notwendig?

3. Plant die Bundesregierung eine Reform, die Ehegatten, Lebenspartnerinnen
und Lebenspartner im Adoptionsrecht gleichstellt, und wenn nein, warum
nicht?

4. Wann rechnet die Bundesregierung mit dem Abschluss der Überarbeitung des
Europäischen Adoptionsabkommens von 1967, welches eine gemeinsame
Adoption nur für Ehepaare vorsieht?

Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass das Abkommen derzeit einer
Gleichstellung von eingetragener Lebenspartnerschaft und Ehe im Adop-
tionsrecht entgegensteht, und wenn ja, warum?

5. Besteht in Deutschland in der Praxis der Adoptionsvermittlung an Einzel-
personen die Gefahr, dass homosexuelle Alleinstehende als weniger geeig-
net betrachtet werden, ein Kind zu adoptieren als heterosexuelle Allein-
stehende oder Ehepaare?

6. Welche Untersuchungen über Diskriminierungen homosexueller Menschen
in der Praxis der Adoptionsvermittlung sind der Bundesregierung bekannt,
bzw. sieht sie hier Forschungsbedarf?

7. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung generell über die Anzahl
und Lebenssituation von „Regenbogenfamilien“ (Familien mit homosexuel-
len Elternpaaren bzw. Elternteilen) vor?

Berlin, den 15. Februar 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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