BT-Drucksache 16/8197

20 Jahre nach Halabja - Unterstützung für die Opfer der Giftgasangriffe

Vom 20. Februar 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8197
16. Wahlperiode 20. 02. 2008

Antrag
der Abgeordneten Claudia Roth (Augsburg), Winfried Nachtwei, Marieluise Beck
(Bremen), Volker Beck (Köln), Alexander Bonde, Dr. Uschi Eid, Thilo Hoppe, Ute
Koczy, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour, Rainder Steenblock, Jürgen Trittin
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

20 Jahre nach Halabja – Unterstützung für die Opfer der Giftgasangriffe

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Im Gedenken an die Giftgasangriffe auf Halabja, bei denen vor 20 Jahren über
5 000 Kurden im Nordirak ums Leben kamen und weitere Tausende verletzt
wurden, sowie die weiteren Tausenden Opfer der anderen Giftgasangriffe unter
Saddam Hussein

– drückt der Deutsche Bundestag allen Opfer und ihren Angehörigen, die bis
heute unter den Folgen der Angriffe leiden und vielfach keinerlei Zuwendun-
gen und Entschädigungen erhalten haben sein Mitgefühl aus;

– äußert der Bundestag sein Bedauern, dass das C-Waffenarsenal Saddam
Husseins auch mithilfe der teils widerrechtlichen, teils nach damaliger Geset-
zeslage möglichen Lieferungen deutscher Firmen aufgebaut werden konnte.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– Mittel für zivilgesellschaftliche Initiativen zur medizinischen und psycholo-
gischen Nachsorge der Opfer und ihrer Angehörigen bzw. Entwicklungsmaß-
nahmen in Halabja und den von Giftgasangriffen und Gewaltverbrechen un-
ter Saddam Hussein besonders betroffenen Gebieten im gesamten Irak zur
Verfügung zu stellen.

Berlin, den 20. Februar 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

Am 16. März 1988 fand der Giftgasangriff auf Halabja im kurdischen Nordirak
nahe der iranischen Grenze statt. Bei dem Angriff der irakischen Armee auf die
damals iranisch besetzte Stadt während des Iran-Irak-Krieges kamen bis zu
5 000 Menschen ums Leben. Zahlreiche Verletzte flohen in den Iran. Verant-
wortlich für den Angriff war der ehemalige irakische Verteidigungsminister und

Drucksache 16/8197 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Armeekommandeur Ali Hassan Al-Madjid. Ali Hassan Al-Madjid wurde im
Juni 2007 im Zusammenhang mit den so genannten Anfal-Angriffen auf kur-
dische Dörfer von dem irakischen Sondergericht zum Tode verurteilt. Bei den
Anfal-Angriffen kamen nach Schätzungen von Human Rights Watch zwischen
50 000 und 100 000 Menschen ums Leben, nach Angaben kurdischer Quellen
sogar bis zu 182 000. Das irakische Gericht stufte diese Angriffe, die den Höhe-
punkt der systematischen Unterdrückungspolitik gegen die irakischen Kurden
darstellte, als Genozid ein.

Die Folgen der Saddam-Zeit sind in der Region Kurdistan-Irak allgegenwärtig.
Das trifft insbesondere für jene teils ländlichen und abgelegenen Gebiete zu, die
besonders unter der Gewaltpolitik Saddam Husseins und den Giftgasangriffen
gelitten haben. Krebs-, Haut-, Atemwegserkrankungen und Missbildungen ge-
hören zu den noch heute virulenten Folgen. Viele Opfer und ihre Angehörigen
leiden unter den physischen und psychischen Spätfolgen der Gewalt, noch
immer sind Tausende von Schicksalen von Vermissten und Ermordeten unge-
klärt. Viele Überlebende leben in wirtschaftlich schwierigen Verhältnissen, lei-
den unter der unzureichenden Gesundheitsversorgung und mangelnden hygie-
nischen Verhältnissen.

Das C-Waffenarsenal Saddam Husseins hätte nicht ohne die Lieferungen inter-
nationaler, darunter auch deutscher Firmen aufgebaut werden können. Deutsche
Firmen handelten gegen bestehende Rüstungsexportbestimmungen oder nutzten
ihre damaligen Lücken mit der Lieferung von Dual-Use-Gütern (vgl. Bericht der
Bundesregierung vom 8. Mai 1991, Bundestagsdrucksache 12/487). Einige Fir-
men wurden gerichtlich belangt, das Strafmaß blieb mit Geld- und Bewährungs-
strafen zumeist gering; die Opfer erhielten keinerlei Zuwendungen. Die Opfer
vor Ort erinnern die Rolle internationaler und deutscher Firmen beim Aufbau
des Chemiewaffenprogramms Saddam Husseins. Sie fordern keine Entschädi-
gungszahlungen, aber zumindest eine Anerkennung ihrer Leiden. Am 16. März
2008 jährt sich zum 20. Male der Giftgasangriff auf das irakisch-kurdische
Halabja auf Befehl Saddam Husseins. Nach 20 Jahren ist es angemessen, einen
zumindest symbolischen Beitrag zu leisten für die Opfer und ihre Angehörigen.
Das gilt auch für die in noch größerer Zahl betroffenen Opfer der systematischen
Anfal-Kampagne gegen die kurdische Bevölkerung.

Darüber hinaus sind im ganzen Land auch außerhalb der kurdischen Gebiete
Menschen von den Spätfolgen der Gewaltherrschaft Saddam Husseins betrof-
fen. Auch für diese Menschen sollte über bereits existierende Projekte hinaus
stärkere Unterstützung bereitgestellt werden, die nicht zuletzt ein wichtiger Bei-
trag zu Versöhnung und Stabilisierung im Irak ist.

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