BT-Drucksache 16/7983

Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Sicherstellung des Embryonenschutzes im Zusammenhang mit menschlichen embryonalen Stammzellen (Stammzellgesetz - StZG)

Vom 6. Februar 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7983
16. Wahlperiode 06. 02. 2008

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Hubert Hüppe, Marie-Luise Dött, Maria Eichhorn, Dr. Günter
Krings, Philipp Mißfelder, Jens Spahn, Peter Weiß (Emmendingen), Peter Albach,
Dr. Wolf Bauer, Volker Beck (Köln), Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen), Cornelia
Behm, Veronika Bellmann, Peter Bleser, Alexander Bonde, Wolfgang Bosbach,
Michael Brand, Georg Brunnhuber, Gitta Connemann, Leo Dautzenberg, Hubert
Deittert, Thomas Dörflinger, Dr. Stephan Eisel, Ingrid Fischbach, Axel E. Fischer
(Karlsruhe-Land), Klaus-Peter Flosbach, Erich G. Fritz, Norbert Geis, Dr. Wolfgang
Götzer, Markus Grübel, Manfred Grund, Jürgen Herrmann, Monika Knoche,
Norbert Königshofen, Stefan Müller (Erlangen), Henry Nitzsche, Beatrix Philipp,
Peter Rauen, Klaus Riegert, Johannes Röring, Franz Romer, Hermann-Josef
Scharf, Karl Schiewerling, Dr. Konrad Schily, Dr. Andreas Schockenhoff,
Dr. Harald Terpe, Antje Tillmann, Gerald Weiß (Groß-Gerau), Klaus-Peter Willsch,
Willy Wimmer (Neuss), Elisabeth Winkelmeier-Becker, Josef Philip Winkler

Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Sicherstellung
des Embryonenschutzes im Zusammenhang mit menschlichen embryonalen
Stammzellen (Stammzellgesetz – StZG)

A. Problem

Die zur Herstellung menschlicher embryonaler Stammzellen erforderliche
Tötung von Embryonen ist durch das Embryonenschutzgesetz verboten. Einfuhr
und Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen sind in Deutschland
durch das 2002 verabschiedete Stammzellgesetz grundsätzlich verboten. Doch
sieht das Gesetz vor, dass zu Forschungszwecken und bei Vorliegen bestimmter
Voraussetzungen Einfuhr und Verwendung ausnahmsweise genehmigt werden
können. Eine dieser Voraussetzungen ist die Bedingung, dass die menschlichen
embryonalen Stammzellen vor dem 1. Januar 2002 (Stichtag) im Ausland ge-
wonnen wurden. Weiterhin prüfen die Genehmigungsbehörde (RKI) sowie die
Zentrale Ethik-Kommission für Stammzellenforschung jedes zur Genehmigung
eingereichte Forschungsprojekt dahin gehend, ob es hochrangige Forschungs-
ziele verfolgt und ob die im Forschungsvorhaben vorgesehenen Fragestellungen
so weit wie möglich mit anderen Methoden z. B. im Tierversuch vorgeklärt

wurden und ob der mit dem Forschungsvorhaben angestrebte Erkenntnisgewinn
sich voraussichtlich nur mit menschlichen embryonalen Stammzellen erreichen
lässt.

Der Weg des Stammzellgesetzes begegnet jedoch der Sorge, in ihm komme die
Achtung der Menschenwürde nicht im gebotenen Maße zum Ausdruck. Indem
das Gesetz Einfuhr und Verwendung von Stammzellen unter bestimmten Be-
dingungen zulässt, obwohl diese durch würdewidrige Zerstörung menschlicher

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Embryonen gewonnen wurden, kann es dem Verständnis Vorschub leisten, die
Achtung der Würde dieser Embryonen habe gegenüber den mit der Forschung
an embryonalen Stammzellen verbundenen Interessen zurückzutreten. Die Posi-
tion der Achtung der Würde des Menschen, die eine Gewinnung embryonaler
Stammzellen mit den Vorgaben des Grundgesetzes für unvereinbar erklärt, ist
inkonsistent mit der Rechtslage, die eine Nutzung der so gewonnen Stamm-
zellen zulässt, solange nur die Tötung der Embryonen im Ausland geschehen ist
und nicht unmittelbar von deutscher Seite aus veranlasst wurde.

Die Rechtfertigung der Entscheidung des Gesetzgebers im Jahre 2002 lag, neben
dem zum Zeitpunkt der Gesetzgebung bereits in der Vergangenheit liegenden
Stichtag, einerseits vor allem in der hohen Erwartung von Therapien für bisher
unheilbare Krankheiten sowie andererseits in der Alternativlosigkeit der pluri-
potenten menschlichen embryonalen Stammzellen für die hierzu als erforderlich
angesehene Forschung.

Einerseits konnten in den zehn Jahren seit Beginn der Forschung mit mensch-
lichen embryonalen Stammzellen weder irgendwelche Therapien unheilbarer
Krankheiten gefunden noch angesichts des unbeherrschbaren Tumorrisikos em-
bryonaler Stammzellen überhaupt klinische Studien am Menschen mit ihnen
durchgeführt werden. Andererseits konnten auf ethisch unbedenkliche Art er-
reichbare menschliche pluripotente Stammzellen etwa im Nabelschnurblut oder
im Fruchtwasser gefunden sowie durch genetische Reprogrammierung mensch-
licher Hautzellen erzeugt werden. Daher sind menschliche embryonale Stamm-
zellen heute nicht mehr alternativlos.

Angesichts der schwerwiegenden ethischen Bedenken gegen die Forschung mit
menschlichen embryonalen Stammzellen kann daher auf ihre Zulässigkeit ver-
zichtet werden, ohne damit die Möglichkeit der Forschung mit pluripotenten
menschlichen Stammzellen oder Chancen auf mögliche Therapien zu verlieren.

B. Lösung

Das Stammzellgesetz wird so geändert, dass der Genehmigungsvorbehalt für
Einfuhr und Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen entfällt. Die
zur Prüfung und Bewertung entsprechender Forschungsvorhaben errichtete
Zentrale Ethik-Kommission für Stammzellenforschung kann entfallen, die für
die Genehmigung der Einfuhr und Verwendung embryonaler Stammzellen zu-
ständige Behörde von dieser Aufgabe entlastet werden.

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Durch den Wegfall des mit dem bisherigen Genehmigungsverfahren verbun-
denen und durch Gebühren nur teilweise finanzierten Vollzugsaufwandes sowie
der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung werden Kosten
eingespart. Auswirkungen auf das allgemeine Preisniveau sind nicht zu erwar-
ten.

Hubert Hüppe
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Dr. Günter Krings
Philipp Mißfelder
Jens Spahn
Peter Weiß (Emmendingen)
Peter Albach
Dr. Wolf Bauer
Volker Beck (Köln)
Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)
Cornelia Behm
Veronika Bellmann
Peter Bleser
Alexander Bonde
Wolfgang Bosbach
Michael Brand

Georg Brunnhuber
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Thomas Dörflinger
Dr. Stephan Eisel
Ingrid Fischbach
Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land)
Klaus-Peter Flosbach
Erich G. Fritz
Norbert Geis
Dr. Wolfgang Götzer
Markus Grübel
Manfred Grund
Jürgen Herrmann
Monika Knoche
Norbert Königshofen

Stefan Müller (Erlangen)
Henry Nitzsche
Beatrix Philipp
Peter Rauen
Klaus Riegert
Johannes Röring
Franz Romer
Hermann-Josef Scharf
Karl Schiewerling
Dr. Konrad Schily
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Harald Terpe
Antje Tillmann
Gerald Weiß (Groß-Gerau)
Klaus-Peter Willsch
Willy Wimmer (Neuss)
Elisabeth Winkelmeier-Becker
Josef Philip Winkler
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/7983

Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Sicherstellung
des Embryonenschutzes im Zusammenhang mit menschlichen embryonalen
Stammzellen (Stammzellgesetz – StZG)

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderungen des Stammzellgesetzes

1. Die Bezeichnung des Gesetzes wird wie folgt geändert:

In der Bezeichnung des Gesetzes werden die Wörter „im
Zusammenhang mit Einfuhr und Verwendung mensch-
licher embryonaler Stammzellen“ durch die Wörter „im
Zusammenhang mit menschlichen embryonalen Stamm-
zellen“ ersetzt.

2. § 1 wird wie folgt geändert:

a) In Nummer 1 wird das Wort „grundsätzlich“ gestri-
chen.

b) Nummer 3 wird gestrichen.

3. In § 4 werden die Absätze 2 und 3 aufgehoben.

4. Die §§ 5 bis 12 werden aufgehoben.

5. § 13 wird § 5 und wie folgt geändert:

a) Absatz 1 wird wie folgt geändert:

aa) In Satz 1 werden die Wörter „ohne Genehmigung
nach § 6 Abs. 1“ gestrichen.

bb) Satz 2 wird aufgehoben.

b) Absatz 2 wird aufgehoben.

6. § 14 wird aufgehoben.

7. § 15 wird zu § 6.

8. § 16 wird zu § 7.

Artikel 2

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.

Berlin, den 18. Januar 2008

Erkenntnis und gesetzlich fundiert im Embryonenschutzge- Demgegenüber haben zahlreiche in den vergangenen Jahren

setz mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle. Die
Tötung menschlicher Embryonen ist ethisch nicht vertretbar
und von der Verfassung missbilligt. Eine besondere Schutz-

durchgeführte Tierstudien das enorme und unbeherrschbare
Tumorrisiko embryonaler Stammzellen aufgezeigt. Wäh-
rend embryonale Stammzellen in ihrer „natürlichen Um-
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Begründung

A. Allgemeines

Die Entscheidung des Gesetzgebers zum Stammzellgesetz
im Jahre 2002 stand im Spannungsfeld zwischen der Ach-
tung der Würde des Menschen hinsichtlich der zur Stamm-
zellgewinnung getöteten menschlichen Embryonen und der
Erwartung neuer Therapien für bisher unheilbare Krank-
heiten.

1998 hatte eine amerikanische Arbeitsgruppe um James
Thomson erstmals humane embryonale Stammzellen (hES)
publiziert. Dies löste eine euphorische Erwartungshaltung
der Machbarkeit neuer regenerativer Therapien für bisher
unheilbare Krankheiten aus.

Diese Erwartungshaltung wurde teilweise auch von Vertre-
tern der Naturwissenschaft genährt. So wurde im Jahre 2000
argumentiert, uneingeschränkte Vermehrbarkeit und Pluri-
potenz machten hES-Zellen zu einer unerschöpflichen
Spenderquelle für die Transplantationsmedizin. Dabei seien
Nervenzellen für Parkinson-Patienten, Herzmuskulatur für
Infarktopfer, insulinbildende Zellen für Diabetiker und blut-
bildende Zellen für Leukämiekranke nur einige der Visio-
nen, die sich an die neue Technologie knüpften, und diese
seien im Tierversuch bereits erfolgreich von mehreren For-
schergruppen in Deutschland realisiert worden.

Neben den in der Öffentlichkeit diskutierten Heilungserwar-
tungen für bislang unheilbare Krankheiten war die Alter-
nativlosigkeit der hES ein ausschlaggebendes Moment der
Stammzelldebatte. Es waren zu dieser Zeit neben den hES
noch keine anderen pluripotenten menschlichen Stammzel-
len bekannt, die zur Bildung aller Zelltypen des erwachsenen
menschlichen Organismus fähig sind (Pluripotenz).

Um eine begrenzte Grundlagenforschung mit hES auch in
Deutschland zu ermöglichen, hat der Gesetzgeber 2002 das
Stammzellgesetz beschlossen. Das Stammzellgesetz verbie-
tet grundsätzlich Einfuhr und Verwendung menschlicher em-
bryonaler Stammzellen, sieht jedoch eine ausnahmsweise
Genehmigung des Imports und der Verwendung von hES für
hochrangige Forschungszwecke vor, wenn die Tötung der
menschlichen Embryonen zur Stammzellgewinnung bereits
vor der Beschlussfassung des Deutschen Bundestages lag
(Stichtag 1. Januar 2002). Damit sollte zum Ausdruck ge-
bracht werden, dass die missbilligte, jedoch bereits in der
Vergangenheit liegende Tötung menschlicher Embryonen
zum Zeitpunkt der deutschen Gesetzgebung nicht mehr
rückgängig gemacht werden konnte, mithin durch den Ge-
nehmigungsvorbehalt nicht gebilligt wird.

Dieser politische Kompromiss begegnete von Anfang an
dem Einwand, dass das Grundgesetz aus historischer Erfah-
rung eine fundamentale Wertentscheidung zugunsten der
Würde des Menschen und des Lebensrechts getroffen hat.
Menschliches Leben beginnt nach gesicherter biologischer

Zugehörigkeit zur Menschheit und die damit verbundene
Schutzwürdigkeit sind nicht davon abhängig, in welchem
Umfeld das Leben beginnt.

Aus Sicht des Grundgesetzes kommt dem menschlichen Em-
bryo Menschenwürde zu, die der Staat zu achten und zu
schützen hat. Dies gilt unabhängig davon, ob der mensch-
liche Embryo im Inland oder im Ausland lebt. Wo der an das
Grundgesetz gebundene deutsche Staat – etwa im Ausland –
diesen Schutz nicht entfalten kann, ist er dennoch von der
Achtung der Würde des Menschen nicht entbunden. Auch
die postmortale Achtung der Würde der zum Zweck der
Stammzellgewinnung getöteten embryonalen Menschen ist
durch das Grundgesetz geboten. Die Würde des Menschen
ist einer Abwägung – etwa gegen hypothetische, für die Zu-
kunft erhoffte Heilungschancen – nicht zugänglich. Daher
begegnet auch bereits die im Stammzellgesetz vorgesehene
ausnahmsweise Einfuhr menschlicher embryonaler Stamm-
zellen von dafür im Ausland getöteten menschlichen Em-
bryonen und ihre Verwendung zu Forschungszwecken in
Deutschland der Sorge, hierin komme die Achtung der Men-
schenwürde nicht im gebotenen Maße zum Ausdruck.

Im mittlerweile zehnten Jahr der hES-Forschung hat sich
keine einzige der seit 1998 anfänglich vorhandenen Hei-
lungserwartungen mit menschlichen embryonalen Stamm-
zellen bestätigt. Selbst in Ländern mit unbeschränktem
Zugang zu menschlichen embryonalen Stammzellen oder
gesetzlich nicht eingeschränkter Embryonenforschung und
Stammzellgewinnung konnten keine Forschungsergebnisse
erzielt werden, die Therapien auf Basis menschlicher em-
bryonaler Stammzellen erwarten lassen.

Weltweit gibt es bis heute keine einzige klinische Studie mit
menschlichen embryonalen Stammzellen am Menschen,
während gegenwärtig allein im öffentlichen Register der
US-Gesundheitsbehörde National Institutes of Health (NIH)
über 1700 klinische Studien mit ethisch unbedenklichen
adulten Stammzellen geführt werden (www.clinicaltri-
als.gov).

Die Transplantation adulter Stammzellen des Knochenmarks
ist seit mehreren Jahrzehnten lebensrettende klinische Pra-
xis, der auch tausende deutsche Patienten ihr Leben verdan-
ken. Die Entwicklung dieser Therapie war Grundlage der
Verleihung des Medizinnobelpreises an Edward Donnall
Thomas bereits im Jahre 1990. Aus adulten Stammzellen der
Haarwurzel wird seit Jahren klinisch einsetzbarer patienten-
eigener Hautersatz gezüchtet. Die seit 2001 von deutschen
Wissenschaftlern entwickelte Therapie des Herzinfarkts mit
patienteneigenen adulten Stammzellen des Knochenmarks
ist nachgewiesenermaßen therapeutisch wirksam und wird
mittlerweile von den Krankenkassen finanziert. Zunehmend
werden weltweit adulte Stammzellen aus Nabelschnur-
restblut klinisch erfolgreich eingesetzt.
pflicht des Staates gegenüber dem Embryo in vitro ergibt
sich aus seiner prinzipiell schutzlosen Daseinsform. Die

gebung“, dem intakten Embryo, die Aufgabe erfüllen, alle
Zelltypen zu bilden und den Organismus koordiniert aufzu-

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bauen, verhalten sie sich, aus dieser natürlichen Umgebung
herausgerissen, wie Tumorzellen: In einen erwachsenen Or-
ganismus verpflanzt bilden sie Teratome. Diese bestehen
zwar auch aus verschiedenen Zellarten des Körpers, integrie-
ren sich aber nicht in den Körper des Empfängers, sondern
wachsen bösartig. Die Bildung von Teratomen nach Injek-
tion embryonaler Stammzellen in Versuchstiere ist eines der
weitestverbreiteten Testverfahren, um die Pluripotenz em-
bryonaler Stammzellen zu belegen.

Neuerdings spricht auch die Deutsche Forschungsgemein-
schaft (DFG) nicht mehr von therapeutischen Erwartungen
an menschliche embryonale Stammzellen. Vielmehr, so die
DFG Ende 2007, erhofften sich Wissenschaftler von der Ar-
beit mit ihnen neue Erkenntnisse zur Entstehung bisher nicht
behandelbarer Erkrankungen.

Die Zahl der deutschen Forschern zur Verfügung stehenden
embryonalen Stammzelllinien hat in der Zeit seit Verab-
schiedung des Stammzellgesetzes im Jahre 2002 deutlich zu-
genommen. Alle in Deutschland genehmigten Forschungs-
projekte verwenden menschliche embryonale Stammzellen,
die im Stammzellregister der US-Gesundheitsbehörde Na-
tional Institutes of Health (NIH) aufgeführt sind und die so-
wohl dem amerikanischen als auch dem deutschen Stichtag
genügen (http://stemcells.nih.gov/research/registry).

Während es nach Angaben der NIH (http://stemcells.
nih.gov/info/faqs.asp) im April 2002 nur eine tatsächlich
beziehbare Stammzelllinie im NIH-Register gab, waren im
Jahre 2004 bereits 17 beziehbar, heute existieren im
NIH-Register 21 tatsächlich beziehbare Stammzelllinien.
Um die Verfügbarkeit etablierter Stammzelllinien zu er-
höhen, hatte NIH Infrastrukturzuschüsse an „providers“
menschlicher embryonaler Stammzelllinien gewährt, die es
ihnen ermöglichten, ihre Stammzelllinien auch anderen For-
schungsgruppen zur Verfügung zu stellen.

Die relative Erfolglosigkeit embryonaler Stammzellen kann
auch nicht mit Kontamination durch tierische Sialinsäure-
moleküle begründet werden. Selbst die DFG-Stellungnahme
schildert diese tierische Kontamination nicht als ein Hinder-
nis für die Grundlagenforschung, sondern für die Transplan-
tation auf Menschen: Da die meisten Menschen gegen solche
Moleküle Antikörper entwickelt hätten, würden derartig
kontaminierte Zellen nach Transplantation zu Abstoßungs-
reaktionen führen. Eine klinische Anwendung steht aber gar
nicht zur Debatte. Zudem hatte der Pionier der embryonalen
Stammzellforschung James Thomson, der 1998 die weltweit
ersten menschlichen embryonalen Stammzelllinien etabliert
hatte, im Februar 2006 publiziert, dass sich die tierischen
Sialinsäuremoleküle durch Wechsel des Nährmediums rest-
los entfernen lassen.

Auch die für die Grundlagenforschung besonders interes-
sante Pluripotenz stellt heute kein Alleinstellungsmerkmal
menschlicher embryonaler Stammzellen mehr dar. In den
seit Verabschiedung des Stammzellgesetzes vergangenen
Jahren konnten international durch mehrere Forschungs-
gruppen Quellen pluripotenter Stammzellen nachgewiesen
werden, die keinen ethischen Bedenken begegnen, darunter
menschliches Fruchtwasser oder Nabelschnurblut.

Vor allem aber konnte im vergangenen Jahr nachgewiesen

Eigenschaften menschlicher embryonaler Stammzellen auf-
weisen („induced pluripotent stem“ cells, iPS). Dies wurde
von den führenden Wissenschaftsjournalen „Science“ und
„Nature“ unter die wichtigsten wissenschaftlichen Erfolge
des Jahres 2007 gerechnet. Mit humanen iPS-Zellen stehen
der Grundlagenforschung ethisch unbedenkliche, gerade
auch patientenspezifische, pluripotente menschliche Stamm-
zellen zur Verfügung, die unter anderem Untersuchungen zur
Entstehung bisher nicht behandelbarer Erkrankungen er-
lauben.

Angesichts der schwerwiegenden ethischen und verfas-
sungsrechtlichen Bedenken gegen die Forschung mit impor-
tierten menschlichen embryonalen Stammzellen, die sich in
der anhaltenden Ablehnung dieser Forschung durch die
große Mehrheit der deutschen Bevölkerung widerspiegelt,
sowie angesichts der mit ethisch unbedenklichen adulten
Stammzellen erzielten medizinischen Fortschritte, denen
unerfüllt gebliebene Erwartungen an neue Therapien mit
menschlichen embryonalen Stammzellen und ihr inhärentes
Tumorrisiko gegenüberstehen, und nicht zuletzt angesichts
der aufgrund wissenschaftlichen Fortschritts heute zur Ver-
fügung stehenden alternativen und ethisch unbedenklichen
Quellen pluripotenter menschlicher Stammzellen kann auf
die Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen
verzichtet werden, ohne zugleich die Möglichkeit der For-
schung mit pluripotenten menschlichen Stammzellen oder
Chancen auf mögliche Therapien zu verlieren.

B. Einzelbegründung

Zu Artikel 1 (Änderungen des Stammzellgesetzes)

Zu Nummer 1

Die Bezeichnung des Gesetzes wird wie folgt geändert:

In der Bezeichnung des Gesetzes werden die Worte „im Zu-
sammenhang mit Einfuhr und Verwendung menschlicher
embryonaler Stammzellen“ durch die Wörter „im Zu-
sammenhang mit menschlichen embryonalen Stammzellen“
ersetzt. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass künftig
Einfuhr und Verwendung menschlicher embryonaler
Stammzellen nicht mehr genehmigungsfähig sind.

Zu Nummer 2

Die Streichung des Wortes „grundsätzlich“ in § 1 Nr. 1 sowie
die Streichung von § 1 Nr. 3 bringen zum Ausdruck, dass
künftig der Zweck des Gesetzes das ausnahmslose Verbot
von Einfuhr und Verwendung embryonaler Stammzellen ist.
Daher entfallen insbesondere auch die Voraussetzungen ei-
ner solchen Ausnahme.

Zu Nummer 3

Die bisherigen Absätze 2 und 3 in § 4 regeln die ausnahms-
weise Einfuhr und Verwendung embryonaler Stammzellen.
Da diese Ausnahme entfällt, sind diese Absätze verzichtbar
und zu streichen.

Zu Nummer 4
werden, dass sich erwachsene menschliche Hautzellen zu
pluripotenten Stammzellen reprogrammieren lassen, die die

Die bisherigen §§ 5 bis einschließlich 12 regeln Voraus-
setzungen und Verfahren der ausnahmsweisen Einfuhr und

Drucksache 16/7983 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Verwendung embryonaler Stammzellen. Da diese Ausnahme
entfällt, sind die genannten Bestimmungen verzichtbar und
zu streichen.

Zu Nummer 5

Durch Wegfall der §§ 5 bis einschließlich 12 wird als redak-
tionelle Folgeänderung der bisherige § 13 zu § 5. Die Strei-
chung der Wörter „ohne Genehmigung nach § 6 Abs. 1“
Absatz 1 Satz 1 sowie die Streichung von Absatz 1 Satz 2
und Absatz 2 sind Folgen des Wegfalls des Genehmigungs-
vorbehalts.

Zu Nummer 6

§ 14 der bisherigen Fassung regelt die Bußgeldvorschriften
bei Verstößen gegen Pflichten zu Angaben und Anzeigen im

Rahmen des vorgeschriebenen Verfahrens zur ausnahms-
weisen Einfuhr und Verwendung embryonaler Stammzellen.
Da diese Ausnahme entfällt, sind die genannten Bestimmun-
gen verzichtbar und zu streichen.

Zu Nummer 7

Als redaktionelle Folgeänderung der Streichung der §§ 5 bis
einschließlich 12 wird § 15 zu § 6.

Zu Nummer 8

Als redaktionelle Folgeänderung der Streichung der §§ 5 bis
einschließlich 12 wird § 16 zu § 7.

Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.

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