BT-Drucksache 16/7933

Auswirkungen der staatsangehörigkeitsrechtlichen Optionsregelung

Vom 25. Januar 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7933
16. Wahlperiode 25. 01. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Josef Philip Winkler, Volker Beck (Köln), Monika Lazar,
Jerzy Montag, Wolfgang Wieland und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Auswirkungen der staatsangehörigkeitsrechtlichen Optionsregelung

Mit Beginn dieses Jahres werden die ersten jungen Deutschen volljährig, die
nach dem im Jahr 2000 reformierten Staatsangehörigkeitsrecht der so genannten
Optionsregelung des § 29 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) unterwor-
fen sind.

Jedes in der Bundesrepublik Deutschland geborene Kind wird seit der damali-
gen Staatsangehörigkeitsrechtsreform – unabhängig von der ausländischen
Staatsangehörigkeit der Eltern – nach § 4 Abs. 3 StAG automatisch Deutsche
oder Deutscher, wenn wenigstens ein Elternteil seit acht Jahren rechtmäßig in
der Bundesrepublik Deutschland lebt und eine Niederlassungserlaubnis besitzt
(Geburtsrecht). Wie bei den Kindern aus binationalen Ehen hindert der gleich-
zeitige gesetzliche Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit nach dem Recht
eines anderen Staates diesen Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nicht.

Im Zuge einer Übergangsregelung wurde zudem ermöglicht, dass auch solche
Kinder, die vor dem Inkrafttreten des Geburtsrechtes geboren waren, die aber
bei ihrer Geburt die Voraussetzungen erfüllt haben, unproblematisch auf Antrag
gleichfalls deutsche Staatsangehörige werden konnten, ohne dass es auch hier
auf andere Staatsangehörigkeiten ankam (siehe § 40b StAG).

Die Staatsangehörigkeitsrechtsreform aus dem Jahr 2000 umfasst auch eine so
genannte Optionsregelung. Danach müssen deutsche Staatsangehörige, die ih-
ren deutschen Pass durch das Geburtsortprinzip nach § 4 Abs. 3 StAG oder
durch Einbürgerung nach § 40b StAG erhalten haben, mit Beginn der Volljäh-
rigkeit und spätestens bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres erklären, ob sie
die deutsche oder die andere Staatsangehörigkeit behalten möchten.

Einer Berechnung des Bundesministeriums des Innern zufolge sollen in diesem
Jahr 3 100 Personen mit ihrem 18. Geburtstag unter diese Optionsregelung fal-
len. Bis zum Jahr 2025 würden sich – so das Bundesministerium des Innern
weiter – insgesamt 330 000 Personen zwischen ihrer deutschen und der jeweils
anderen Staatsangehörigkeit entscheiden müssen (FAZ, 7. Januar 2008).

Anlässlich einer Anhörung des Bundestagsinnenausschusses zu Gesetzent-
würfen und Anträgen zum Staatsangehörigkeitsrecht erhoben am 10. Dezember
2007 drei Sachverständige verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber dieser

Optionsregelung, u. a. mit Hinweis auf einen möglichen Verstoß gegen das
Grundrecht auf Gleichbehandlung aus Artikel 3 des Grundgesetzes im Hinblick
auf Kinder aus binationalen Familien. Sie befürchteten zudem – ebenso wie
drei weitere Sachverständige – gravierende Anwendungsprobleme bei der Um-
setzung der Optionsregelung – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der bestehen-
den Unterschiede in den Bundesländern, etwa bei der behördlichen Genehmi-
gung von Mehrstaatigkeit:

Drucksache 16/7933 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Auf folgende offene Fragen wurde im Rahmen dieser Innenausschussanhörung
exemplarisch hingewiesen:

● Was passiert z. B., wenn junge Doppelstaatler ihre/seine deutsche Staats-
angehörigkeit an ihr(e)/sein(e) Kind(er) „vererben“, selber aber die deutsche
Statsangehörigkeit im Zuge der Optionsregelung aufgeben?

● Wie soll mit Unionsbürgerinnen und -bürgern verfahren werden, denen
durch Inkrafttreten des EU-Richtlinienumsetzungsgesetzes im August 2007
ein gesetzlicher Anspruch auf Beibehaltung der Mehrstaatigkeit eingeräumt
wurde?

● Welche praktischen Folgen hat es, wenn eine Beamtin bzw. ein Beamter
oder eine Abgeordnete bzw. ein Abgeordneter eines Landtages oder des
Deutschen Bundestages im Zuge der Optionsregelung die deutsche Statsan-
gehörigkeit aufgibt?

Auf diese und andere Problemkomplexe bieten die vorläufigen Anwendungs-
hinweise des Bundesministeriums des Innern zum Staatsangehörigkeitsrecht
vom 19. Oktober 2007 keine Antwort.

Bis auf einen Sachverständigen empfahlen alle Sachverständigen anlässlich der
genannten Innenausschussanhörung eine Abkehr von der Optionsregelung
zugunsten einer erleichterten Zulassung von Mehrstaatigkeit.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Mit wie vielen Personen rechnet die Bundesregierung, die sich im Zeitraum
von 2008 bis 2025 gemäß § 29 StAG zwischen ihrer deutschen und der je-
weils anderen Staatsangehörigkeit entscheiden müssen (bitte nach Jahren
und der jeweils parallelen Staatsangehörigkeit aufschlüsseln)?

2. Wie viele der unter Frage 1 aufgeführten Personen verfügen über eine paral-
lele Staatsangehörigkeit, bei der gemäß § 29 Abs. 4 StAG von vornherein ein
Anspruch auf Erteilung einer Beibehaltungsgenehmigung besteht? Welche
Maßnahmen empfiehlt die Bundesregierung den das Staatsangehörigkeitsge-
setz ausführenden Länderverwaltungen, um mit sparsamstem Verwaltungs-
aufwand diesen Rechtsanspruch auf Beibehaltung der Mehrstaatigkeit unbü-
rokratisch umzusetzen (hierzu enthalten die Anwendungshinweise des Bun-
desministeriums des Innern zum Staatsangehörigkeitsrecht vom 19. Oktober
2007 keine Hinweise)?

3. a) Warum enthalten die Anwendungshinweise des Bundesministeriums des
Innern zum Staatsangehörigkeitsrecht vom 19. Oktober 2007 unter Ziffer
29.3 eine so genannte Ausschlussfrist, wonach erklärungspflichtige Deut-
sche, die ihre ausländische Staatsangehörigkeit beibehalten wollen, bereits
mit Vollendung des 21. Lebensjahres – also volle zwei Jahre vor Ablauf der
Erklärungsfrist – einen Antrag auf Erteilung einer Genehmigung zur Bei-
behaltung der deutschen Staatsangehörigkeit stellen müssen?

b) Was sind – nach Ansicht des Bundesministeriums des Innern – die
Rechtsfolgen, etwa im Hinblick auf eine verspätete Antragstellung für die
Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit?

c) Wieso enthalten die vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesminis-
teriums des Innern keine Verpflichtung an die Staatsangehörigkeitsbe-
hörde, auf diese Ausschlussfrist und deren Rechtsfolgen hinzuweisen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/7933

4. Mit welchen Maßnahmen will die Bundesregierung sicherstellen, dass in-
nerhalb des fünfjährigen Erklärungszeitraums bei Umzügen innerhalb des
Bundesgebiets die Informations- und Unterrichtspflichten der ausführenden
Behörden untereinander bzw. gegenüber der erklärungspflichtigen Person
sichergestellt werden (hierzu enthalten die Anwendungshinweise des Bun-
desministeriums des Innern zum Staatsangehörigkeitsrecht vom 19. Oktober
2007 keine Hinweise)?

5. Mit welchen Maßnahmen will die Bundesregierung sicherstellen, dass bei im
Ausland lebenden erklärungspflichtigen Personen bzw. bei solchen, die
innerhalb des fünfjährigen Erklärungszeitraums ins Ausland wegziehen oder
in die Bundesrepublik Deutschland ziehen, die Informations- und Unter-
richtspflichten der ausführenden Behörden untereinander bzw. gegenüber der
erklärungspflichtigen Person sichergestellt wird (hierzu enthalten die An-
wendungshinweise des Bundesministeriums des Innern zum Staatsangehö-
rigkeitsrecht vom 19. Oktober 2007 keine Hinweise)?

6. Was empfiehlt die Bundesregierung den das Staatsangehörigkeitsgesetz aus-
führenden Ländern, um z. B. die in der Vorbemerkung wiedergegebenen
möglichen Anwendungsprobleme zu lösen?

7. Beabsichtigt die Bundesregierung hierzu zeitnah ergänzende bzw. überarbei-
tete Anwendungshinweise; wenn ja, wann, und wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 25. Januar 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.