BT-Drucksache 16/7903

Volkswirtschaftliche Kosten der Agro-Gentechnik ermitteln und offen legen

Vom 24. Januar 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7903
16. Wahlperiode 24. 01. 2008

Antrag
der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch,
Karin Binder, Heidrun Bluhm, Eva Bulling-Schröter, Roland Claus, Lutz Heilmann,
Hans-Kurt Hill, Katrin Kunert, Michael Leutert, Dorothee Menzner, Dr. Ilja Seifert
und der Fraktion DIE LINKE.

Volkswirtschaftliche Kosten der Agro-Gentechnik ermitteln und offenlegen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Agro-Gentechnik verursacht direkte und indirekte volkswirtschaftliche
Kosten. Diese Kosten werden nicht von den Verursachern, sondern von der Ge-
sellschaft oder unbeteiligten Dritten getragen. In der kontroversen Debatte über
die Vor- und Nachteile der Agro-Gentechnik werden sie bisher kaum berück-
sichtigt. Zu ihrer Höhe gibt es bislang nur wenige Angaben. Auch die Antwort
der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. im Bun-
destag ließ viele Fragen unbeantwortet (Bundestagsdrucksache 16/7441). Die
Kenntnis über die volkswirtschaftlichen Kosten der Agro-Gentechnik ist aber
Teil der wirtschaftlichen und politischen Folgeabschätzung und damit eine
wichtige Grundlage für gesetzliche Regelungen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● die volkswirtschaftlichen Kosten aller Inverkehrbringungen gentechnisch
veränderter Organismen (GVO) in der Zeit seit der Novellierung des Gen-
technikgesetzes im Jahr 2004 bis heute zu ermitteln und offenzulegen;

● die jährlichen volkswirtschaftlichen Kosten für Freisetzungsversuche seit der
Novellierung des Gentechnikgesetzes im Jahr 2004 bis heute zu ermitteln
und offenzulegen;

● die jährlichen volkswirtschaftlichen Kosten, die entstehen, wenn außer Mais
MON 810, auch andere gentechnisch veränderte Pflanzen, z. B. Amflora-
Kartoffeln oder gentechnisch veränderter Raps in Verkehr gebracht werden
können, zu ermitteln und offenzulegen. Als Grundlage für eine jährliche Pro-
gnose sollte von 3 000 Hektar je Frucht und in einer zweiten Rechnung von
z. B. 10 Prozent bzw. 30 Prozent GVO-Anbau der anteiligen durchschnitt-
lichen landwirtschaftlichen Nutzfläche der entsprechenden Frucht ausgegan-

gen werden.

Berlin, den 23. Januar 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Drucksache 16/7903 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Begründung

Die Agro-Gentechnik ist eine Risikotechnologie. Viele Folgewirkungen für
Natur und Umwelt einerseits und bezüglich der Verträglichkeit aus GVO herge-
stellter Lebensmittel andererseits sind noch unbekannt. Das Gentechnikgesetz
sieht eine Koexistenz der konventionellen Landwirtschaft, des ökologischen
Landbaus und der Agro-Gentechnik vor.

Kosten der „Koexistenz“ sind nach der Gesetzeslage vor allem Zusatzkosten für
die Gesellschaft, für die gentechnikfreie Landwirtschaft und Imkerei. Bei der
Diskussion der rechtlichen Rahmenbedingungen wird davon ausgegangen, dass
Kosten der Agro-Gentechnik durch die Gesellschaft und die gentechnikfrei wirt-
schaftenden Landwirtinnen und Landwirte getragen werden müssen.

Gesetzesvorschläge und Gesetzesänderungen werden zur Darstellung der wirt-
schaftlichen Auswirkungen die voraussichtlichen Kosten der Verwaltung und
die Kosten der von der Regelung Betroffenen vorangestellt. Die volkswirt-
schaftlichen Kosten finden in der Gesetzesbegründung keine Erwähnung. Diese
Kosten müssen zusätzlich aufgeführt werden. Die Ermittlung und Offenlegung
der bekannten und die Prognose der zukünftigen Kosten sind für die Entschei-
dung über die Vor- und Nachteile der Agro-Gentechnik notwendig.

Die volkswirtschaftlichen Kosten entstehen unter anderem als:

a) Kosten des Bundes und der Länder

● für Sicherheitsforschung zur Agro-Gentechnik (unabhängig von der Finan-
zierungsquelle)

● für Genehmigungsverfahren für die Freisetzung und das Inverkehrbringen
gentechnisch veränderter Sorten

● für das Monitoring gentechnisch veränderter Pflanzen

● für das Standortregister

● für die Überwachung des Vollzugs des Gentechnikgesetzes

● für die Überwachung der Lebensmittel und Futtermittel auf Gentechnikfrei-
heit

● für die Sortenzulassung aufgrund von Koexistenzanforderungen bzw. Über-
wachung der Einhaltung der Kennzeichnungsvorschriften

● für die Sicherung pflanzlicher Genreserven vor Kontamination

● für den Schutz von ökologisch wertvollen Gebieten vor Kontamination.

b) Kosten Dritter

● für die Prüfung der Saatgutbetriebe für GVO-Freiheit des Saatguts (sowie
Kosten zur Sicherstellung der GVO-Freiheit des Saatgutes)

● für die Prüfung und Kontrolle der landwirtschaftlichen Betriebe zum Nach-
weis der Freiheit von GVO (insbesondere für ökologisch zertifizierte Be-
triebe)

● für die Prüfung der Lebensmittelhersteller zum Nachweis der Freiheit von
GVO

● für die getrennte Nutzung von Ernte- und Bearbeitungsmaschinen sowie
Transportmittel bzw. deren Zwischenreinigung

● für die Prüfung der Imkerinnen und Imker zum Nachweis der Freiheit des
Honigs und der Pollen von GVO

● für die getrennte Lagerung bei Handel und Verarbeitung
● für die Folgen nach einer Aberkennung des Bio-Status

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/7903

● für Verlust und Neusuche von Handelspartnerinnen und Handelspartnern

● für die Reinigung von Maschinen und Transportmitteln

● für die Arbeitszeit für Verhandlungen zwischen Landwirtschaftsbetrieben,
die Agro-Gentechnik verwenden einerseits und konventionellen bzw. ökolo-
gischen Landwirtschaftsbetrieben andererseits über die erforderliche Ab-
stimmung zur Sicherung der so genannten Koexistenz

● für die Arbeitszeit für Informationszugänge und die Reaktion von Landwir-
tinnen und Landwirten einerseits und Imkerinnen und Imkern andererseits
gegenüber GVO-Anbau in der Nachbarschaft bzw. in der Nutzungsregion

● für den Rückruf von Nahrungsmitteln, die nicht den gesetzlichen Anforde-
rungen entsprechen.

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