BT-Drucksache 16/7895

Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Europäischen Union und Belarus über Visumserleichterungen

Vom 24. Januar 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7895
16. Wahlperiode 24. 01. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Alexander
Bonde, Dr. Uschi Eid, Thilo Hoppe, Ute Koczy, Kerstin Müller (Köln), Winfried
Nachtwei, Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Rainder Steenblock,
Jürgen Trittin und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Europäischen Union und
Belarus über Visumerleichterungen

Am 19. August 2004 richtete sich die Regierung der Republik Belarus in einem
Schreiben an den Generaldirektor für Außenbeziehungen der Europäischen
Kommission, Eneko Landaburu, mit der Bitte um Aufnahme von Verhandlun-
gen zum Abschluss eines Abkommens über Visumerleichterungen zwischen der
Europäischen Union und Belarus. In diesem Schreiben wurde die Bereitschaft
zu Gesprächen über Rücküberführungsvereinbarungen angesichts der steigen-
den Zahl von Fällen illegaler Migration bekräftigt. Zusätzlich wurde auf die
bereits von Belarus einseitig zum 1. Oktober 2004 eingeführten Maßnahmen zur
Visumerleichterung für EU-Bürger als eines Aktes des guten Willens verwiesen.

In einem Schreiben vom 7. Mai 2007 an den Ratspräsidenten der Europäischen
Union, den deutschen Bundesminister des Auswärtigen Dr. Frank-Walter Stein-
meier und an die Europäische Kommissarin für Außenbeziehungen und europä-
ische Nachbarschaftspolitik, Benita Ferrero-Waldner, bekräftigte die belarussi-
sche Regierung noch einmal ihren Willen zur Eröffnung von Verhandlungen
über Visumerleichterungen zwischen Belarus und der Europäischen Union.

Solche Verträge über Visumerleichterungen bestehen derzeit zum Beispiel mit
der Russischen Förderation und der Ukraine, mit der Republik Moldau werden
hierzu derzeit Verhandlungen geführt. Auch wenn diese Verträge jeweils indivi-
duell ausgehandelt werden, sind die Absenkung der Visumsgebühren von 60 auf
35 Euro, sowie Vereinfachung der Visumsverfahren Kernelemente solcher Ab-
kommen.

Der Ausschuss der Ständigen Vertreter vereinbarte am 20. Dezember 2005 einen
„Common approach on visa facilitation“ (Ratsdokument 16030/05), der die
Grundlagen und Ausgestaltung solcher Abkommen auf eine gemeinsame Basis
stellte. In diesem gemeinsamen Ansatz werden als wichtigste Voraussetzung für
solche Abkommen Verhandlung über Rückübernahme illegaler Flüchtlinge und
der Grundsatz der Gegenseitigkeit genannt.
In zwei Verbalnoten der Europäischen Kommission vom 8. Mai 2007 und der
portugiesischen Ratspräsidentschaft vom 25. Oktober 2007 an die Regierung
von Belarus wird auf den „Common approach on visa facilitation“ verwiesen
und bekräftigt, man sei zu engeren und besseren Beziehungen zu Belarus im
Rahmen eines Partnerschafts- und Kooperationsabkommens und der Euro-
päischen Nachbarschaftspolitik bereit. In diesem Kontext bemerkt die portugie-

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sische Ratspräsidentschaft, dass aufgrund der politischen Situation in Belarus
bisher kein Aktionsplan mit dem Nachbarland abgeschlossen werden konnte
und deshalb auch die Eröffnung von Verhandlungen über Visumerleichterungen
und Rückübernahme nicht möglich sei.

Nach Anhebung der Gebühren für Schengenvisa von 35 auf 60 Euro zum
1. Januar 2007 erreichen diese nun ca. ein Drittel eines Belarussischen Monats-
einkommen und sind damit für einen Großteil der unter dem autoritären Regime
leidenden Bevölkerung nicht mehr finanzierbar. Durch die Ausweitung des
Schengenraums zum 21. Dezember 2007 auf die direkten belarussischen Nach-
barn Lettland, Litauen, Polen, für die bisher Visa für 5 Euro erhältlich waren, ist
der rege nachbarschaftliche Austausch mit der EU stark eingeschränkt.

In zwei Anträgen vor und nach den Präsidentschaftswahlen in Belarus am
19. März 2006 hat der Deutsche Bundestag in breiter Übereinstimmung den
demokratischen Kräften in Belarus seine Unterstützung zugesichert. In ihrem
Antrag zur Ermäßigung der Visumgebühren für Belarus äußert die Koalition von
CDU/CSU und SPD die Überzeugung, „dass gerade der jungen Generation in
Belarus das Reisen in das westliche Ausland ermöglicht werden soll, um so die
Entwicklung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu fördern“ und dass da-
her für Reisen in das westliche Ausland „keine finanziellen Hürden errichtet
werden“ sollten.

Am 8. Dezember 2003 billigte der Rat für allgemeine Angelegenheiten die Leit-
linien zur Umsetzung und Bewertung restriktiver Maßnahmen (Sanktionen) im
Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU (15535/03
(Presse 356)), wonach es „wünschenswert ist, dass die getroffenen Maßnahmen
so gezielt wie möglich auf diejenigen ausgerichtet sind, deren Politik oder Ver-
halten die EU veranlasst hat, restriktive Maßnahmen zu verhängen, nicht zuletzt
mit Rücksicht auf humanitäre Konsequenzen.“

Dieser Richtlinie entsprechend richten sich die restriktiven Maßnahmen (Sank-
tionen) der EU gegenüber Belarus ausschließlich gegen die politisch Verant-
wortlichen des Landes und nicht gegen die unter dem autoritären Regime leiden-
de Bevölkerung. So wurde vom Rat der Europäischen Union beschlossen, die
Kontakte auf ministerieller Ebene auf ein Minimum zu beschränken. Weiterhin
wurden Reisebeschränkungen gegen 37 und die Einfrierung von Guthaben von
36 Mitglieder der Regierung und anderer für Repressionen gegen Opposition
und Bevölkerung Verantwortlicher veranlasst (Gemeinsame Position des Rates
2006/362/CFSP und 2006/276/CFSP).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Stimmt die Bundesregierung mit der Entscheidung der Europäischen Kom-
mission überein, die in ihrer Verbalnote vom 8. Mai 2007 das Ersuchen der
belarussischen Regierung zur Aufnahme von Verhandlungen über Visum-
erleichterungen mit der EU ablehnte und diese Entscheidung mit einer Ver-
balnote der portugiesischen Ratspräsidentschaft am 25. Oktober 2007 be-
kräftigte, und falls ja, welche Kriterien widersprechen nach Ansicht der
Bundesregierung dem in den Antworten der Kommission und Ratspräsident-
schaft erwähnten „Common approach on visa facilitation“?

2. Anerkennt die Bundesregierung, dass die belarussische Regierung sich in
Ihren Schreiben zur Aufnahme von Verhandlungen über Visumerleichterun-
gen vom 19. August 2004 und vom 7. Mai 2007 zu den beiden im „Common
approach on visa facilitation“ formulierten Grundvoraussetzungen für Visum-
erleichterungsabkommen, dem Gegenseitigkeitsprinzip und Vereinbarungen
zur Rücküberführung illegaler Flüchtlinge, bereit erklärt hat?

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3. Teilt die Bundesregierung die Meinung, dass von der Entscheidung der EU,
im Gegensatz zu den Abkommen mit Russland und der Ukraine mit Belarus
keine Verhandlungen über Visumerleichterung zu führen, die gesamte Bevöl-
kerung von Belarus betroffen ist, nachdem diese nun fast ein Drittel ihres
Monatseinkommens für Visumsgebühren in Höhe von 60 Euro aufbringen
muss, und inwiefern sieht sie in dieser Entscheidung die Vereinbarkeit mit
den Leitlinien zur Umsetzung und Bewertung restriktiver Maßnahmen
(Sanktionen) im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik
der EU vom 3. Dezember 2003 gewahrt?

4. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass die Verhinderung von Erleichte-
rungen für die belarussische Bevölkerung infolge von Sanktionen gegen die
Regierung des Landes mit der von der Europäischen Union erklärten Politik
gegenüber Belarus im Einklang steht, und falls ja, wie begründet sie diese
Ansicht?

5. Welche Position bezog die Bundesregierung in den Beratungen des Rats der
Europäischen Union über das Anliegen der belarussischen Regierung zur
Eröffnung von Verhandlungen über Visumerleichterungen?

6. In welcher Weise wird sich die Bundesregierung in Zukunft innerhalb der
Europäischen Union für die Eröffnung von Verhandlungen über Visum-
erleichterungen mit Belarus einsetzen, um den internationalen Austausch mit
Belarus und damit eine Öffnung der unter dem autoritären Regime des Präsi-
denten Lukaschenko leidenden Gesellschaft zu fördern?

Berlin, den 24. Januar 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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