BT-Drucksache 16/783

Einsatz von so genannten Ein-Euro-Jobbern in bestreikten Betrieben

Vom 28. Februar 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/783
16. Wahlperiode 28. 02. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Werner Dreibus, Dr. Barbara Höll, Kornelia Möller, Sabine
Zimmermann, Dr. Axel Troost, Ulla Lötzer, Dr. Herbert Schui und der Fraktion
DIE LINKE.

Einsatz von so genannten Ein-Euro-Jobbern in bestreikten Betrieben

Laut Presseberichten und Pressemitteilungen der Dienstleistungsgewerkschaft
ver.di sowie des Deutschen Gewerkschaftsbundes Hamburg wurden im Zusam-
menhang mit dem aktuellen Arbeitskampf im öffentlichen Dienst in verschiede-
nen Städten (bspw. Osnabrück, Karlsruhe, Hamburg) Arbeitsgelegenheiten mit
Mehraufwandsentschädigung (so genannte „Ein-Euro-Jobs“) in Betrieben der
städtischen Müllabfuhr bzw. der Stadtreinigung eingesetzt, die bestreikt werden.

Die Tarifautonomie und das Streikrecht stellen hohe Güter unserer demokra-
tischen Verfassung dar. In einem Urteil vom 25. Juli 1957 hat das Bundesarbeits-
gericht klargestellt, dass es einem „Arbeitnehmer nicht zuzumuten (ist), den
Streikenden in den Rücken zu fallen. Es würde sich bei der direkten Streikarbeit
um eine unmittelbare Beeinträchtigung der Aussichten des Streiks handeln, die
der in den Kreisen der Arbeitnehmer mit Recht herrschenden Anschauung
widerspricht“. Aus den geschilderten Vorfällen leiten sich daher grundsätzliche
Fragen ab.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie positioniert sich die Bundesregierung zum Einsatz von sog. Ein-Euro-
Jobbern in bestreikten Betrieben?

2. In wie vielen Städten bzw. Gemeinden und in welchem Umfang wurden Ar-
beitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung in bestreikten Betrie-
ben eingesetzt?

3. Wie ist der beschriebene Einsatz von sog. Ein-Euro-Jobbern mit dem grund-
rechtlich verbrieften Recht auf Tarifautonomie und Streik vereinbar?

4. Inwiefern wird für die Zukunft gewährleistet, dass das oben genannte Urteil
des Bundesarbeitsgerichts auch im Hinblick auf den Einsatz sog. Ein-Euro-
Jobber zu Geltung kommt?

5. Inwiefern unterstützen die Bundesagentur für Arbeit bzw. die Arbeitsge-
meinschaften, die die sog. Ein-Euro-Jobber bezahlen und ihnen gegenüber

Weisungsbefugnis besitzen, einen Streikbruch?

Inwiefern sind sie juristisch berechtigt, Streikbruch zu unterstützen?

Inwiefern wird die „Neutralitätspflicht“ gewahrt, zu der der Staat verfas-
sungsrechtlich verpflichtet ist?

Drucksache 16/783 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
6. Was wird die Bundesregierung dagegen unternehmen, wenn Grundrechte,
wie die Tarifautonomie und das Streikrecht durch den Einsatz von sog. Ein-
Euro-Jobbern ad absurdum geführt werden und öffentliche Arbeitgeber Ar-
beitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung nutzen, um Streik-
bruch zu organisieren?

7. Wie wird in den berichteten Fällen die gesetzlich verlangte „Zusätzlichkeit“
von Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung begründet,
wenn sie in regulären Arbeitsfeldern eingesetzt werden, die bestreikt wer-
den (Beispiel: Müllabfuhr in Hamburg)?

8. Wie wird begründet, dass der Einsatz von sog. Ein-Euro-Jobbern in be-
streikten Betrieben die persönlichen Eingliederungschancen der betroffenen
Personen verbessert, was eine Voraussetzung für den Einsatz von Arbeits-
gelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung ist?

9. Mit welchen Sanktionen müssen sog. Ein-Euro-Jobber rechnen, wenn sie
Tätigkeiten in bestreikten Betrieben ablehnen?

10. Inwiefern besteht bei Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädi-
gung, die keine Beschäftigungsverhältnisse darstellen, ein Streikrecht?

In welchem Verhältnis steht dieses Streikrecht zu den Sanktionsmöglichkei-
ten, die bei Ablehnung einer Maßnahme greifen?

11. Plant die Bundesregierung, die Bundesagentur für Arbeit mit der Erarbei-
tung von Durchführungshinweisen zur Vermeidung von Streikbrecherarbei-
ten zu beauftragen?

Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 23. Februar 2006

Werner Dreibus
Dr. Barbara Höll
Kornelia Möller
Sabine Zimmermann
Dr. Axel Troost
Ulla Lötzer
Dr. Herbert Schui
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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