BT-Drucksache 16/7763

zu der Abgabe einer Erklärung durch die Bundesregierung zu den Ergebnissen des Klimagipfels auf Bali

Vom 16. Januar 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7763
16. Wahlperiode 16. 01. 2008

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch,
Karin Binder, Heidrun Bluhm, Roland Claus, Lutz Heilmann, Hans-Kurt Hill, Katrin
Kunert, Michael Leutert, Dorothee Menzner, Dr. Ilja Seifert, Dr. Kirsten Tackmann
und der Fraktion DIE LINKE.

zu der Abgabe einer Erklärung durch die Bundesregierung
zu den Ergebnissen des Klimagipfels auf Bali

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die 2007 veröffentlichten Klimaberichte der Vereinten Nationen (VN) haben in
dramatischer Weise die Dringlichkeit schnellen Handelns im globalen Klima-
schutz aufgezeigt. Um die globale Erwärmung um 2 bis 2,4 Grad Celsius ge-
genüber vorindustriellen Temperaturen zu begrenzen, muss laut VN-Klima-
bericht der globale Ausstoß an Kohlendioxid (CO2) bis 2050 um 50 bis 85 Pro-
zent gegenüber dem Emissionsniveau von 2000 vermindert werden. Um das
Ziel der Europäischen Union (EU) einer Begrenzung des Anstiegs der durch-
schnittlichen globalen Temperatur um höchstens 2 Grad Celsius zu erreichen,
sind darüber hinausgehende Minderungen erforderlich.

Der auf der VN-Klimakonferenz in Bali verabschiedete sog. Bali-Aktionsplan
wird diesen klimapolitischen Erfordernissen nicht ausreichend gerecht. Um die
bis Ende 2009 erforderliche Einigung auf ein Nachfolgeabkommen zum Kyoto-
Protokoll herbeizuführen, müssen die Verhandlungen im nächsten Jahr deutlich
an Dynamik gewinnen. Die Blockadestrategie der USA und anderer Industrie-
länder auf Bali hat offenbart, dass nur eine Allianz der Europäischen Union mit
Schwellen- und Entwicklungsländern eine solche Dynamik entfachen kann.

Die Schwellen- und Entwicklungsländer haben auf Bali den ersten Schritt dazu
getan und ihre Bereitschaft gezeigt, sich in Zukunft zu eigenen Klimaschutz-
bemühungen zu verpflichten. Sie haben als Bedingung dafür eine finanzielle
und technologische Unterstützung durch die Industrieländer angemahnt. Es ist
nun an der EU, den nächsten vertrauensbildenden Schritt zur Allianzbildung zu
gehen. Dies bedeutet insbesondere eine klare Vorreiterrolle beim Klimaschutz
in den EU-Mitgliedstaaten. Bislang sind laut aktuellen Emissionsdaten des
VN- Klimasekretariats in vielen EU-Mitgliedstaaten noch enorme Defizite bei
der Erfüllung der Kyoto-Ziele zu verzeichnen. Darüber hinaus muss die EU

klare Zusagen zur finanziellen Unterstützung von Schwellen- und Entwick-
lungsländern beim Klimaschutz und im Umgang mit dem Klimawandel geben.
Deutschland muss innerhalb der EU mit gutem Beispiel vorangehen.

Der von Menschen gemachte Klimawandel schreitet bereits voran. Insbeson-
dere Entwicklungsländer müssen beim Umgang mit den Folgen des Klima-
wandels unterstützt werden. Der bereits 2001 beschlossene Anpassungsfonds,

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zu dessen Operationalisierung auf Bali letzte Entscheidungen gefällt wurden,
ist ein erster Schritt. Seine finanzielle Ausstattung ist jedoch vollkommen unzu-
reichend. Die vom VN-Klimasekretariat erwarteten Fondseinnahmen von jähr-
lich 80 bis 300 Mio. US-Dollar zwischen 2008 und 2012 sind angesichts der
unterschiedlichen Schätzungen zum zukünftigen Unterstützungsbedarf, die von
10 bis 85 Mrd. US-Dollar pro Jahr reichen, nur ein Tropfen auf den heißen
Stein.

Auch der Schutz tropischer Wälder ist ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz.
Eine Einbindung des Waldschutzes in Emissionshandelsmärkte birgt jedoch
zahlreiche Risiken. Waldschutz würde auf das Schutzziel „CO2“ verengt und
von Entwicklungen auf den Emissionshandelsmärkten abhängig werden. Die
Rechte der lokalen Bevölkerung sowie der Schutz der Biodiversität könnten
dabei ins Hintertreffen geraten. Direkte Ausgleichszahlungen für den Schutz
tropischer Wälder sind deshalb vorzuziehen.

Die von der Weltbank während des Klimagipfels auf Bali vorgestellte „Forest
Carbon Partnership“ scheint jedoch durch Pilotprojekte Fakten für die Ein-
bindung des Waldschutzes in die Emissionshandelsmärkte schaffen zu wollen.

Das auf Bali verhandelte Thema „Technologietransfer“ hat beispielhaft die
Notwendigkeit eines breiten Verständnisses von Klimapolitik gezeigt, das über
den Kyoto-Prozess hinausgeht. Die Rahmenbedingungen für Technologietrans-
fer werden maßgeblich im Welthandelsregime und dem dort verankerten Sys-
tem geistiger Eigentumsrechte festgelegt. Konsequente Klimapolitik erfordert
eine andere Gestaltung internationaler Wirtschafts- und Handelspolitik.

II. Der Deutsche Bundestag wolle beschließen:

Die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet sich zu einer Minderung ihrer
Treibhausgasemissionen um 40 Prozent bis zum Jahr 2020 und um 90 Prozent
bis zum Jahr 2050 gegenüber dem Emissionsniveau von 1990.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich in der EU für die Verabschiedung eines EU-Minderungsziels von 30 Pro-
zent bis 2020 gegenüber 1990 unabhängig vom Fortgang der internationalen
Verhandlungen einzusetzen;

2. sich bei der Überarbeitung der EU-Richtlinie zum EU-Emissionshandel für
die Zeit nach 2012 für eine 100-prozentige Versteigerung der Emissions-
berechtigungen einzusetzen;

3. die Pläne der Europäischen-Kommission für Ausgleichszahlungen für in die
EU eingeführte Produkte aus Ländern, die sich internationalen Klimaschutz-
bemühungen verweigern, zu unterstützen;

4. zukünftige Emissionsziele für Industrieländer für die Zeit nach 2012 in der
dafür eingesetzten Verhandlungsgruppe unter dem Kyoto-Protokoll zu ver-
handeln und dabei eine Gesamtminderung von 25 bis 40 Prozent bis 2020
gegenüber 1990 anzustreben;

5. umgehend Gespräche mit Entwicklungs- und Schwellenländern über Finanz-
mechanismen zu beginnen, die diesen eine emissionsarme Entwicklung und
eine Anpassung an die Folgen des Klimawandels ermöglichen;

6. die bisher zugesagten Zahlungen in die unter der VN-Klimarahmenkonven-
tion angesiedelten Fonds zur Unterstützung von Entwicklungsländern zur
Anpassung an den Klimawandel (Least Developed Country Fund, Special
Climate Change Fund) auf 40 Mio. Euro zu verdoppeln;

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7. in den Anpassungsfonds des Kyoto-Protokolls im Zeitraum 2008 bis 2012
insgesamt 200 Mio. Euro einzuzahlen;

8. die Zahlungen in den Fonds zur Unterstützung der Teilnahme von Dele-
gationsmitgliedern aus den ärmsten und vom Klimawandel besonders be-
troffenen Ländern an den VN-Klimaverhandlungen (Special Trust Fund
for Facilitating Participation of Parties in the UNFCCC Process) für den
Zeitraum 2008/2009 auf 950 000 US-Dollar zu erhöhen und damit gegen-
über den gemäß dem VN-Verteilungsschlüssel vorgesehenen Zahlungen zu
verdoppeln;

9. die vorgesehenen 59 Mio. US-Dollar für die Beteiligung an der Weltbank-
Initiative zum Tropenwaldschutz (Forest Carbon Partnership) den Entwick-
lungsländern als direkte Kompensationszahlungen für unterlassene Rodun-
gen zu zahlen, wie dies beispielsweise von den Regierungen Ecuadors und
Indonesiens angeboten wurde.

Berlin, den 15. Januar 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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