BT-Drucksache 16/7567

Erhöhung von Transparenz und Zielgenauigkeit des Mitteleinsatzes für die ostdeutschen Bundesländer

Vom 13. Dezember 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7567
16. Wahlperiode 13. 12. 2007

Antrag
der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann, Dr. Gesine Lötzsch, Roland Claus,
Dr. Barbara Höll, Dr. Lukrezia Jochimsen, Dr. Petra Sitte und der Fraktion
DIE LINKE.

Erhöhung von Transparenz und Zielgenauigkeit des Mitteleinsatzes für die
ostdeutschen Bundesländer

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

In ihrer Antwort auf die Große Anfrage „Zum Stand der Deutschen Einheit und
der perspektivischen Entwicklung bis zum Jahr 2020“ (Bundestagsdrucksache
16/3581) musste die Bundesregierung bedauerlicherweise darlegen, dass sie bei
ihren Bemühungen zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Ost-
und Westdeutschland nur ungenügend auf amtliches statistisches Datenmaterial
zurückgreifen kann (vgl. ebd., Antwort zu Frage 6). Deswegen ist die Bundes-
regierung auf Schätzungen angewiesen, weshalb eine zielgenaue Verwendung
von finanziellen Mitteln für den Aufbau Ost nicht ausreichend gewährleistet
werden kann. Zugleich sinken zukünftig die Zuwendungen des Bundes im Rah-
men des Solidarpakts II an die ostdeutschen Länder. Ein transparenter und effi-
zienter Einsatz von Finanzmitteln ist daher umso mehr erforderlich. Vorausset-
zung hierfür ist die Erhebung genauer statistischer Daten über die wirtschaft-
liche und soziale Lage in den ost- und westdeutschen Bundesländern.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

bis Ende 2008 die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, um

– die Daten des Finanztransfers wieder differenziert nach Ost- und West-
deutschland sowie aufgeschlüsselt nach Transfers aus dem Bundeshaushalt,
dem Solidarpakt II und den Sozialversicherungen zu erfassen,

– gesicherte Daten über Kaufkraftunterschiede in Ost- und Westdeutschland zu
ermitteln,

– die Anzahl der Leiharbeitsverhältnisse für alle Bundesländer einzeln anzuge-
ben,

– das Steueraufkommen genauer den Bundesländern zuzuordnen, in denen es

erarbeitet wurde, und

– eine umfassende Statistik der Alterssicherung zu entwickeln.

Berlin, den 13. Dezember 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Drucksache 16/7567 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Begründung

Die Bundesregierung und der Deutsche Bundestag haben Anspruch auf mehr
Transparenz über den Einsatz der finanziellen Mittel für den Aufbau Ost. In
ihrer Antwort auf die Große Anfrage „Zum Stand der Deutschen Einheit und
der perspektivischen Entwicklung bis zum Jahr 2020“ (Bundestagsdrucksache
16/3581) hat die Bundesregierung dargelegt, dass seit 1999 keine gesonderte
Erfassung der Transferleistungen differenziert nach Ost- und Westdeutschland
mehr erfolgt (vgl. Antwort zu Frage 6). Ohne eine solche Differenzierung ist es
nicht möglich, den Grad der Wirksamkeit der Transferleistungen zu beurteilen,
die den nach wie vor erheblichen wirtschaftlichen Aufholbedarf Ostdeutsch-
lands ankurbeln und zu gleichwertigen Lebensverhältnissen in Ost- und West-
deutschland führen sollen. Aufgrund der fehlenden eigenen Datenbasis ist die
Bundesregierung auf nichtamtliche Schätzungen angewiesen, um die Effekti-
vität und Zielgenauigkeit ihrer Ostdeutschlandpolitik zu überprüfen.

Im System der amtlichen Preisstatistik werden Kaufkraftunterschiede im abso-
luten Preisniveau innerhalb der Bundesrepublik Deutschland nicht beobachtet.
Dagegen werden Renten und andere Sozialleistungen nach differenzierten
Sätzen ausgezahlt, die auf vermeintlichen Kaufkraftunterschieden zwischen
Ost- und Westdeutschland beruhen. Gesicherte statistische Daten existieren
jedoch nicht. Der erforderliche Mehraufwand, um gleichzeitig vergleichbare
Daten über die Höhe der Preise für die wichtigsten Warenarten in den einzelnen
Regionen zu erfassen, ist begrenzt und gerechtfertigt, zumal monatlich im Auf-
trag des Statistischen Bundesamtes die Preisentwicklung ermittelt wird.

In den letzten Jahren hat sich die Leiharbeit in der Bundesrepublik Deutschland
erheblich ausgeweitet. Eine Aufgliederung nach Ländern existiert nicht, da die
Bundesagentur für Arbeit entsprechende Daten nach Regionaldirektionen lie-
fert, in denen meist mehrere Bundesländer zusammengefasst werden. Um die
Entwicklung prekärer Arbeitsverhältnisse in allen Bundesländern beobachten
und verhindern zu können, ist eine entsprechende Aufgliederung der statisti-
schen Daten wie bei anderen Beschäftigungsarten erforderlich.

Die gegenwärtige Diskussion über Aufkommen und Verteilung der Steuern zwi-
schen den Bundesländern wird mit ungenauen statistischen Daten geführt. Die
Steuereinnahmen werden in der Regel bei dem für die Geschäftsleitung eines
Unternehmens zuständigen Finanzamt erfasst, auch wenn Filialen oder Tochter-
gesellschaften außerhalb des Bereichs des jeweiligen Finanzamtes angesiedelt
sind. Das regionale Steueraufkommen wird somit insbesondere durch den Sitz
der Geschäftsleitung von Großunternehmen beeinflusst. Eine Verteilung des
Steueraufkommens sollte aber auch auf die Niederlassungen von Mehrbetriebs-
unternehmen erfolgen, analog der Berechnung der Bruttowertschöpfung, die für
die einzelnen Bundesländer erfolgt. Dazu sollten die Leistungen von Mehrlän-
derunternehmen mit geeigneten betriebsbezogenen Größen auf die zugehörigen
Zweigbetriebe verteilt werden, sodass ein wirklichkeitsnäheres Abbild der Wirt-
schaftskraft des jeweiligen Bundeslandes entsteht. Erst eine solche Aufgliede-
rung des Steueraufkommens erlaubt eine sachkundige Auseinandersetzung über
das mögliche und tatsächliche Steueraufkommen einzelner Bundesländer.

Demografische Entwicklungen wie die schrittweise Überalterung der Bevölke-
rung erfordern umfassendere als die bislang verfügbaren Informationen über die
bestehenden Formen der Altersversorgung in den Bundesländern. Es ist damit
zu rechnen, dass sich die Kluft in der Altersversorgung zwischen den Regionen
und zwischen den Berufsgruppen wesentlich verstärken wird. Die vorhandenen
Daten der Rentenversicherung allein liefern keine ausreichenden Informationen
über diese wichtigen soziodemografischen Fragestellungen, weil sie sich ledig-
lich auf die Altersbezüge der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen. Erfor-

derlich sind stattdessen Daten darüber, mit welchen Arten der Altersversorgung
wie etwa Pensionen oder Betriebsrenten die gegenwärtige Erwerbsbevölkerung

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/7567

im Alter künftig finanziell abgesichert sein wird. Zwar kann bereits am Beispiel
der Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung für Ostdeutschland
eine erhebliche Verschlechterung der Alterssicherung abgelesen werden, aber
zielgenaues und vorausschauendes politisches Handeln ist auf der Grundlage
der bislang verfügbaren Daten nicht möglich.

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