BT-Drucksache 16/7556

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -16/6735, 16/7512- Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes

Vom 12. Dezember 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7556
16. Wahlperiode 12. 12. 2007

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Werner Dreibus, Dr. Barbara Höll, Ulla Lötzer, Kornelia Möller,
Dr. Herbert Schui, Dr. Axel Troost, Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE
LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 16/6735, 16/7512 –

Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmer-
Entsendegesetzes

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Die Verhältnisse im Briefmarkt sind nach der im Jahr 1998 eingeleiteten
Liberalisierung zunehmend von prekärer Beschäftigung, von Niedrig- und
Armutslöhnen geprägt. Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der
neuen Briefdienstleisterinnen und Briefdienstleister können trotz Vollzeit-
beschäftigung nicht von ihrem Erwerbseinkommen leben. Sie sind zur Siche-
rung ihrer Existenz auf ergänzende staatliche Transferzahlungen angewiesen.

Aus diesem Grund hatte die Koalition in Meseberg festgelegt, dass mit der
vollständigen Öffnung des Briefmarktes allgemeinverbindliche Lohnunter-
grenzen für die Beschäftigten in der Briefbeförderung festgelegt werden. Die
Gewerkschaft ver.di hatte mit dem Arbeitgeberverband Postdienste dazu
einen Mindestlohn-Tarifvertrag vereinbart.

Dieser Tarifvertrag ist auf Druck der Union und der neuen Briefdienstleiste-
rinnen und Briefdienstleister nun noch mal in seinem Geltungsbereich geän-
dert worden. Insbesondere die Fraktion der CDU/CSU hatte angedroht, auf
Grundlage des ursprünglichen Tarifvertrages einer Aufnahme in das Arbeit-
nehmer-Entsendegesetz nicht zuzustimmen. Dies stellt einen unzulässigen
Eingriff in die verfassungsmäßig garantierte Tarifautonomie dar.

2. Der ursprünglich von den Tarifvertragsparteien vorgelegte Mindestlohn-
Tarifvertrag bietet einen ausreichenden Schutz für Arbeitnehmerinnen und

Arbeitnehmer in einem Beschäftigungssektor, der durch Niedrig- und Ar-
mutslöhne geprägt ist und in dem eine Existenz sichernde Beschäftigung
kaum mehr möglich ist. Um Lohn- und Sozialdumping zu verhindern, benö-
tigt die gesamte Branche einen allgemeinverbindlichen Mindestlohn. Der
Mindestlohn-Tarifvertrag setzt mit seinem ursprünglichen Geltungsbereich
bezogen auf die Tätigkeit dieses politische Wollen um. Durch das Zusam-
menspiel von Pin AG und Union konnte politischer Druck auf die Tarifver-

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tragsparteien ausgeübt werden. Dies hat schlussendlich zur Abänderung des
Geltungsbereiches geführt. Betriebe versuchen nun, durch Umstrukturierun-
gen den Geltungsbereich des Tarifvertrages zu unterlaufen. Insbesondere die
PIN AG hat angekündigt, durch Kooperation mit Zeitungsverlagen und
regionalen Briefdiensten die Mindestlohnregelung zu umgehen.

3. Das Vorgehen des Unternehmens PIN und die Ankündigungen von Springer
als Haupteigentümer, bis Ende des Jahres die Insolvenz der Pin AG anzumel-
den, sind ganz klar politisch motiviert. Dies ist der Versuch, wirtschaftliche
Macht unmittelbar in politische Macht umzumünzen und die Regierungspar-
teien unter Druck zu setzen, um die Aufnahme weiterer Branchen in das Ent-
sendegesetz zu verhindern. Diese Strategie ist auf das Schärfste zu verurtei-
len. Wenn Geschäftmodelle auf die Subvention der Löhne durch zusätzliches
Arbeitslosengeld II setzen, liegt die Schuld für das Scheitern dieser Strategie
bei den Unternehmen selbst.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. bei weiteren Aufnahmen von Branchen ins Arbeitnehmer-Entsendegesetz auf
Grundlage eines vorliegenden Tarifvertrages in keiner Weise Druck auf die
Tarifvertragsparteien bezüglich einzelner Regelungen auszuüben;

2. einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn von mindestens 8,44 Euro – an-
gelehnt an den Mindestlohn in Frankreich und anderen europäischen Nach-
barländern – einzuführen. In den Branchen, in denen Mindestlohn-Tarifver-
träge vereinbart wurden, die über dem gesetzlichen Mindestlohn liegen, kön-
nen diese über die Aufnahme ins Arbeitnehmer-Entsendegesetz für allge-
meinverbindlich erklärt werden (System dualer Mindestlöhne). Dabei ist
insbesondere darauf zu achten, dass keine Differenzierung nach Ost- und
West-Löhnen vorgenommen wird, sondern bundeseinheitliche Mindestlöhne
festgelegt werden.

Berlin, den 12. Dezember 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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