BT-Drucksache 16/7530

Steuerabzug bei Manager-Abfindungen begrenzen

Vom 12. Dezember 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7530
16. Wahlperiode 12. 12. 2007

Antrag
der Abgeordneten Christine Scheel, Kerstin Andreae, Britta Haßelmann,
Dr. Gerhard Schick, Birgitt Bender, Alexander Bonde, Dr. Thea Dückert,
Kai Gehring, Brigitte Pothmer, Irmingard Schewe-Gerigk, Josef Philip Winkler
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Steuerabzug bei Manager-Abfindungen begrenzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Manager-Abfindungen haben in den vergangenen Jahren Schwindel erregende
Höhen erreicht. Das immer weitere Auseinanderklaffen der Bezüge am oberen
und unteren Ende der Einkommensskala ist zu einer ernsten Bedrohung der
ethischen Grundlagen unserer Gesellschaft geworden. So hat beispielsweise der
Extrabonus von geschätzten 50 Mio. Euro aus Aktienoptionen an den früheren
Vorstandsvorsitzenden von Daimler-Chrysler noch einmal die Frage aufgewor-
fen, warum die Manager-Etage fürstlich entlohnt bzw. abgefunden wird, selbst
wenn riesige Investitionen in den Sand gesetzt wurden, während zeitgleich die
Bezüge für die Beschäftigten in den unteren Etagen stagnieren und Arbeitsplätze
abgebaut werden. Auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte erst kürz-
lich Unverständnis darüber, warum jemand mit Geld überschüttet werde, der auf
ganzer Linie versagt habe.

Millionenschwere Fantasieabfindungen, wie die auf etwa 30 Mio. Euro bezif-
ferte Prämie für den früheren Vorstandsvorsitzendem von Mannesmann waren
und sind auch juristisch umstritten. So hatte der Bundesgerichtshof entschieden,
dass es sich bei solchen Abfindungen durchaus um Untreue handeln könnte. Das
Strafverfahren wurde aber gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt. Diese
Prozesse, die im Ergebnis nahezu folgenlos geblieben sind, zeigen deutlich, dass
die Politik die Frage, wann Abfindungen für Manager unangemessen sind, nicht
allein auf die Gerichte schieben kann.

Darüber hinaus erlaubt das Steuerrecht bisher, dass Manager-Abfindungen un-
begrenzt als Betriebsausgaben abzugsfähig sind und letztendlich in voller Höhe
durch alle Bürgerinnen und Bürger mitfinanziert werden müssen. Es ist nicht die
Aufgabe der Politik über die konkrete Höhe von Manager-Abfindungen zu ent-
scheiden. Aufgabe der Politik ist es festzulegen, in welchem Ausmaß die Allge-
meinheit Manager-Abfindungen mitfinanzieren muss. Es darf deshalb nicht

beim Appell an die Moral der Manager bleiben. Das Parlament muss selbst han-
deln und seine weitgehende Gestaltungsfreiheit im Steuerrecht nutzen, um die
steuerliche Absetzbarkeit von Manager-Abfindungen endlich zu begrenzen.
Durch das Steuerrecht kann die Politik der sozialen Gerechtigkeit Ausdruck ver-
leihen.

Die Beschränkung der steuerlichen Absetzbarkeit von Abfindungen setzt einen
Anreiz für die Unternehmen, auch für die in öffentlicher Hand, sparsamer mit

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ihren Abschiedsgeschenken umzugehen. Damit diese Anreize auch wirklich
wirksam sein können, brauchen die Anteilseigner der Unternehmen zukünftig
mehr Rechte bei der Bemessung der Gesamtbezüge – und damit auch der Abfin-
dungen – der Vorstandsmitglieder. Heute entscheiden die Aufsichtsräte über
diese Gesamtbezüge. Hier kann es aber durchaus zu Konflikten kommen, denn
häufig sitzen hoch bezahlte Manager in den Aufsichtsräten anderer Unterneh-
men und können deren Vorständen hohe Bezüge zubilligen. Für die Anteils-
eigner ist dies heute kaum mehr zu durchschauen, weil die Wirkungsweise der
zu Paketen geschnürten Gesamtbezüge der Manager aus laufenden Bezügen,
Abfindungsregelungen und Altersvorsorgezusagen häufig sehr intransparent ist.
Dieser Trend wird sich weiter verstärken, weil die variablen Bestandteile der
Gesamtbezüge gegenüber den Fixbezügen stark zunehmen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert deshalb die Bundesregierung auf,

1. umgehend eine gesetzliche Regelung vorzuschlagen, die den Betriebsausga-
benabzug von Manager-Abfindungen auf 1 Mio. Euro pro Kopf begrenzt.
Gestaltungsmöglichkeiten wie beispielsweise Übergangs- und Handgelder,
Aktienoptionen oder Prämien sollen in diese Grenze einbezogen werden. Für
die Besteuerung des Empfängers oder der Empfängerin der Abfindung sollen
sich keine Veränderungen ergeben.

2. das Aktiengesetz dahingehend zu ändern, dass zukünftig durch Beschluss der
Hauptversammlung ein finanzieller Rahmen für die Gesamtbezüge der ein-
zelnen Vorstandsmitglieder der Gesellschaft vorgegeben werden soll. Inner-
halb dieses Rahmens kann der Aufsichtsrat die konkreten Bezüge festlegen.
Außerdem sollen zur Verbesserung der Transparenz einheitliche Berichts-
regeln für die Gesamtbezüge der Vorstandsmitglieder in das Aktiengesetz
aufgenommen werden.

Berlin, den 12. Dezember 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

Der Gesetzgeber hat im Steuerrecht weitgehende Gestaltungsfreiheit. Er kann
und muss sich auch von Gerechtigkeitsüberlegungen leiten lassen. So betont das
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in mehreren Urteilen das verfassungsrecht-
liche Gebot der Steuergerechtigkeit, das dem Gesetzgeber Gestaltungsfreiheit
lasse (z. B. BVerfG, Beschluss vom 23. November 1976, 1 BvR 150/75). Auch
in seinem Urteil vom 10. Februar 1987 (1 BvL 18/81, 1 BvL 20/82) führt das
BVerfG aus, dass der Gesetzgeber sich bei seiner weitgehenden Gestaltungsfrei-
heit im Steuerrecht auch von finanzpolitischen, volkswirtschaftlichen, sozial-
politischen und steuertechnischen Erwägungen leiten lassen kann. Die Gestal-
tungsfreiheit des Gesetzgebers ende erst dort, wo eine ungleiche Behandlung
nicht mehr am Gerechtigkeitsgedanken orientiert sei, wo also ein sachlicher
Grund für eine Ungleichbehandlung fehle. Das ist aber hier nicht der Fall.
Manager-Abfindungen in zweistelliger Millionenhöhe sind etwas anderes als
normale Arbeitnehmer-Abfindungen von einigen tausend Euro und dürfen
deshalb steuerlich auch anders behandelt werden. Schon aus Gerechtigkeits-
erwägungen heraus sollte deshalb der Betriebsausgabenabzug von Manager-
Abfindungen, soweit diese unangemessen sind, begrenzt werden.
Auch das Einkommensteuergesetz – EStG – (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7) verlangt,
dass der Abzug von unangemessenen Betriebsausgaben untersagt wird, die die

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Lebensführung des Steuerpflichtigen oder anderer Personen berühren. Die de
facto fast ergebnislosen Prozesse im Fall Mannesmann haben deutlich gezeigt,
dass für eine Beurteilung der Angemessenheit von Abfindungsregelungen eine
klare gesetzliche Regelung notwendig ist. Der Gesetzgeber sollte deshalb trans-
parent ins Gesetz hineinschreiben, was als unangemessen betrachtet wird.

Darüber hinaus ist eine Pauschalierung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von
Aufwendungen nicht ungewöhnlich, wie beispielsweise bei den Betriebsausga-
ben der Freien Handelsvertreter, bei der Entfernungspauschale und beim steuer-
lichen Abzug von Aufwendungen für Geschenke oder Bewirtung.

Eine pauschale Begrenzung der steuerlichen Abziehbarkeit von Aufwendungen
liegt auch im Rahmen der Rechtsprechung des BVerfG. So hat das BVerfG bei-
spielsweise im Beschluss vom 23. November 1976 (1 BvR 150/75) erklärt, dass
der Gesetzgeber nicht verpflichtet sei, die Aufwendungen für den Unterhalt der
Kinder in vollem Umfang als steuerliche Entlastung zu berücksichtigen.

Vorstände können in den unterschiedlichsten Formen abgefunden werden, wie
beispielsweise über Übergangs- und Handgelder, Prämien, oder die Ausübung
von vorab vereinbarten Change-of-control-Klauseln. So erhält der ehemalige
Vorstandsvorsitzende des Energieversorgers EnBW ein stattliches Übergangs-
geld von angeblich 360 000 Euro im Jahr. Eine Streichung des Betriebsaus-
gabenabzugs von Manager-Abfindungen oberhalb von 1 Mio. Euro pro Person
muss deshalb alle diese Formen erfassen, da ansonsten neue steuerliche Gestal-
tungsmöglichkeiten entstehen.

Die Begrenzung der steuerlichen Berücksichtigung von Abfindungen im Unter-
nehmen soll keine Auswirkungen auf die Besteuerung des Empfängers bzw. der
Empfängerin der Abfindung haben. Dies ist vergleichbar mit der steuerlichen
Behandlung von Vorteilszuwendungen (Schmiergeldern). Solche Vorteilszu-
wendungen dürfen nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden, wenn mit der
Zuwendung gegen Straf- oder Ordnungsrecht verstoßen wird (§ 4 Abs. 5 Satz 1
Nr. 10 EStG). Dabei ist es egal, ob dieser Verstoß tatsächlich bestraft wird oder
nicht. Beim Empfänger bzw. bei der Empfängerin dieser Vorteile sind diese aber
voll steuerpflichtig. Eine gleiche steuerliche Behandlung von unangemessenen
Manager-Abfindungen ist gerechtfertigt, weil auch der Bundesgerichtshof in
seiner Mannesmann-Entscheidung vom 21. Dezember 2005 (3 StR 470/04)
schon festgestellt hat, dass es sich in solchen Fällen durchaus um Untreue han-
deln kann. Darüber hinaus handelt es sich beim zahlenden Unternehmen und
dem Empfänger/der Empfängerin der Abfindung um zwei unterschiedliche
Steuersubjekte. Deshalb kommt es auch nicht zu einer doppelten Besteuerung.
Vergleichbar dazu ist die Besteuerung der Miete. Der Mieter/die Mieterin leistet
sie aus versteuertem Einkommen und der Vermieter/die Vermieterin muss sie
trotzdem als Mieteinkünfte voll versteuern.

Zukünftig soll durch Beschluss der Hauptversammlung ein finanzieller Rahmen
für die Gesamtbezüge der einzelnen Vorstandsmitglieder der Gesellschaft vor-
gegeben werden. Innerhalb dieses Rahmens kann der Aufsichtsrat die konkre-
ten Bezüge wie Gehalt, Gewinnbeteiligungen, Aufwandsentschädigungen, Ver-
sicherungsentgelte, Provisionen, Abfindungen, Altersvorsorgeregelung und
weitere Nebenleistungen festlegen. Die Pflicht des Aufsichtsrates, sich bei Ent-
scheidungen über die konkrete Höhe der Vorstandsbezüge ausschließlich am
Unternehmensinteresse zu orientieren, bleibt dabei voll erhalten.

Für eine sinnvolle Entscheidung der Hauptversammlung über den finanziellen
Rahmen der Vorstandsbezüge, muss die Wirkungsweise der Gehaltsbestand-
teile, insbesondere der variablen Bestandteile, transparent dargestellt werden. Es
ist deshalb notwendig, dass die heutige Berichtspflicht im Aktiengesetz durch
einheitliche Berichtsregeln für die Gesamtbezüge der Vorstandsmitglieder er-

gänzt wird.

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