BT-Drucksache 16/7459

Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (Rentenabschlagsverhinderungsgesetz)

Vom 11. Dezember 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7459
16. Wahlperiode 11. 12. 2007

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Volker Schneider (Saarbrücken), Klaus Ernst, Dr. Lothar Bisky,
Dr. Martina Bunge, Diana Golze, Katja Kipping, Elke Reinke, Dr. Ilja Seifert, Frank
Spieth, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches
Sozialgesetzbuch (Rentenabschlagsverhinderungsgesetz)

A. Problem

Die in § 5 Abs. 3 und § 9 Abs. 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II)
verankerte Nachrangigkeit der Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialge-
setzbuch führt nach dem Auslaufen der sog. 58er-Regelung nach § 65 Abs. 4
SGB II in Verbindung mit § 428 SGB III dazu, dass erwerbsfähige Hilfebedürf-
tige im rentenfähigen Alter vor Erreichen der Regelaltersgrenze zu einer Be-
antragung von Altersrente gezwungen werden können. Die 58er-Regelung er-
laubte älteren Erwerbslosen, sich vom Arbeitsmarkt zurückzuziehen, ohne dass
ihre Leistungsansprüche dadurch verringert wurden. Betroffen von dem Aus-
laufen der Regelung sind mehrere zehntausend Personen im Alter von
60 bis 65 Jahren mit SGB-II-Bezug. Mit der beschlossenen Anhebung der Re-
gelaltersgrenze auf 67 Jahre wird diese Problematik noch einmal verschärft.

Dieses Problem bleibt auch dann bestehen, wenn die Bundesregierung eine
Zwangsverrentung vor dem 63. Lebensjahr ausschließt. Ein generelles Verbot
von Zwangsverrentung ist unverändert nicht vorgesehen. Profitieren werden
dann lediglich Frauen und schwerbehinderte Menschen bis Geburtsjahrgang
1952. Statt mit dem 60. Lebensjahr werden sie zukünftig mit 63 Jahren zwangs-
weise mit Abschlägen in Rente verwiesen. Damit werden sie zwar langjährig
Versicherten gleichgestellt, den Betroffenen drohen aber weiterhin Abschläge
von bis zu 7,2 Prozent. Mit der schrittweisen Anhebung der Regelaltersgrenze
von 65 Jahren auf 67 Jahre ab 2012 drohen den Betroffenen perspektivisch dann
Abschläge von 14,4 Prozent. Auch die Intention, dass der Verweis auf die
abschlagsgeminderte Rente nur dann erfolgen darf, wenn dies keine „unzumut-
bare Härten“ mit sich bringt, ist nicht ausreichend: In der Mehrzahl werden
weiterhin die Bezieher und Beziehrinnen von Arbeitslosengeld II (ALG II) ab
dem 63. Lebensjahr betroffen sein.
B. Lösung

Die Nachrangigkeit im SGB II wird dahingehend präzisiert, dass Renten wegen
Alters erst bei Erreichen der Altersgrenze für eine abschlagsfreie Altersrente in
der gesetzlichen Rentenversicherung beantragt werden müssen. Damit wird ver-
hindert, dass Menschen zur Beantragung einer Altersrente gezwungen werden,
wenn dies mit Abschlägen verbunden ist.

Drucksache 16/7459 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Das Gesetz führt zu Mehrausgaben der Träger der Grundsicherung für Arbeit-
suchende, deren Höhe derzeit noch nicht verlässlich geschätzt werden kann. Den
Belastungen für Bund, Länder und Kommunen durch die längere Bezugsdauer
des ALG II stehen geringere Ausgaben bei den Kommunen für Sozialhilfe und
Grundsicherung im Alter gegenüber.

Berlin, den 5. Dezember 20

Dr. Gregor Gysi, Oskar L
1. § 2 wird wie folgt geändert:

Nach Absatz 2 wird folgender Absatz 3 angefügt:

„(3) Erwerbsfähige Hilfebedürftige und die mit ihnen
in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden erwerbsfähigen
Personen sind nicht verpflichtet, vor Erreichen der
jeweils maßgeblichen Regelaltersgrenze für eine ab-
schlagsfreie Altersrente einen Antrag auf Altersrente zu
stellen.“

2. § 5 Abs. 3 Satz 1 wird wie folgt geändert:

Nach dem Wort „können“ werden die Wörter „, sofern
§ 2 Abs. 3 dieses Buches nichts anderes bestimmt,“ ein-
gefügt.

3. § 9 Abs. 1 wird wie folgt geändert:

Nach Satz 1 wird folgender Satz 2 angefügt:

„Satz 1 gilt, sofern § 2 Abs. 3 dieses Buches nichts ande-
res bestimmt.“

Artikel 2

Dieses Gesetz tritt mit Wirkung vom 1. Januar 2008 in
Kraft.

07

afontaine und Fraktion
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/7459

Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches
Sozialgesetzbuch (Rentenabschlagsverhinderungsgesetz)

Vom …

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das
folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Das Zweite Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für
Arbeitsuchende – (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember
2003, BGBl. I S. 2954, 2955), zuletzt geändert durch Arti-
kel 2 des Gesetzes vom 10. Oktober 2007 (BGBl. I S. 2329)
wird wie folgt geändert:

forderte aber den faktischen Verzicht auf Leistungen der
aktiven Arbeitsmarktpolitik. Es ist daher notwendig, das Aus-
laufen der 58er-Regelung durch eine Gesetzesänderung im
SGB II zu kompensieren, die eine zwangsweise Verrentung
mit Abschlägen ausschließt. Der Grundsatz der Nachrangig-
keit wird dahingehend präzisiert, dass Ansprüche auf Alters-
renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor Errei-
chen der Altersgrenze für eine abschlagsfreie Rente nicht
zwingend geltend zu machen sind.

B. Einzelbegründung

Zu Artikel 1 (Änderung des Zweiten Buches Sozial-
gesetzbuch)

Zu Nummer 1 (Änderung des § 2)

Die Änderung des § 2 bewirkt, dass Ansprüche aus der
gesetzlichen Rentenversicherung vor Erreichen der Regel-
altersgrenze für abschlagsfreie Renten nicht als vorrangig

Zu Nummer 2 (Änderung des § 5 Abs. 3 Satz 1)

Durch die Änderung des § 5 Abs. 3 Satz 1 wird es den Leis-
tungsträgern der Grundsicherung untersagt, einen Antrag
auf vorgezogene Altersrente gemäß dem Sechsten Buch
Sozialgesetzbuch gegen den Willen des Hilfebedürftigen zu
stellen, wenn damit Rentenabschläge verbunden sind. Die
Möglichkeit, sich als älterer Erwerbsloser weiterhin dem
Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen zu können, wird präzi-
siert.

Zu Nummer 3 (Änderung des § 9 Abs. 1)

Durch die Anfügung eines Satzes 2 in § 9 Abs. 1 wird die
Nachrangigkeit der Grundsicherung für Arbeitsuchende ana-
log zu den Regelungen in den Nummern 1 und 2 präzisiert.

Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.
Drucksache 16/7459 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Begründung

A. Allgemeines

Eines der Hauptziele der Grundsicherung für Arbeitsuchende
ist es, erwerbsfähigen Hilfebedürftigen den Zugang zu Er-
werbstätigkeit zu ermöglichen und sie wieder in den all-
gemeinen Arbeitsmarkt einzugliedern (vgl. Begründung des
Gesetzentwurfs in Bundestagsdrucksache 15/1516, S. 44).
Durch die bisherige Ausgestaltung der Nachrangigkeit der
Grundsicherung für Arbeitsuchende gegenüber anderen
Sozialleistungen werden aber ab dem 1. Januar 2008 ältere
Erwerbslose gezwungen, eine vorgezogene Altersrente mit
Abschlägen gemäß dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch zu
beantragen. Die sogenannte 58er-Regelung nach § 65 Abs. 4
SGB II in Verbindung mit § 428 SGB III schützte den betref-
fenden Personenkreis bislang zwar vor einer Aufforderung
zur Beantragung von abschlagsgeminderten Altersrenten, er-

vor der Grundsicherung für Arbeitsuchende berücksichtigt
werden. Hilfebedürftige werden somit nicht gezwungen,
eine vorgezogene Altersrente in Anspruch zu nehmen, so-
fern dies mit Abschlägen verbunden ist. Dadurch wird es
älteren Langzeiterwerbslosen ermöglicht, weiterhin dem Ar-
beitsmarkt zur Verfügung zu stehen, auch wenn sie einen
Anspruch auf eine abschlagsgeminderte Altersrente haben.
Gleichzeitig wird vermieden, dass sich das Privileg im
Sechsten Buch Sozialgesetzbuch, als langjährig Versicherter
freiwillig eine vorgezogene Altersrente beantragen zu kön-
nen, für diese Gruppe nachteilig auswirkt. Die Möglichkeit,
den Anspruch auf eine vorgezogene Altersrente nach dem
Sechsten Buch Sozialgesetzbuch geltend zu machen, wird
dadurch nicht beeinträchtigt. Der gleichzeitige Bezug von
Arbeitslosengeld II nach dem Zweiten Buch Sozialgesetz-
buch und Altersrente bleibt weiter ausgeschlossen.

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