BT-Drucksache 16/718

Perspektiven der Länderfinanzen im Rahmen der Föderalismusreform und des EU-Finanzkompromisses

Vom 16. Februar 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/718
16. Wahlperiode 16. 02. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Bodo Ramelow, Dr. Dagmar Enkelmann, Dr. Gesine Lötzsch,
Dr. Barbara Höll, Dr. Dietmar Bartsch, Michael Leutert, Roland Claus, Katrin Kunert
und der Fraktion DIE LINKE.

Perspektiven der Länderfinanzen im Rahmen der Föderalismusreform
und des EU-Finanzkompromisses

Seit dem Amtsantritt der Bundesregierung sind mit der angestrebten Föderalis-
musreform, den steuerpolitischen Beschlüssen der Koalitionsvertrag sowie dem
EU-Finanzkompromiss Vereinbarungen getroffen worden, die die Finanzen der
Länder unmittelbar berühren.

Wir fragen die Bundesregierung:

A. Entwicklung der Länderfinanzen 2002 bis 2005

1. Wie gestalteten sich die Einnahmen und Ausgaben je Einwohnerin bzw. Ein-
wohner sowie die Ausgabe-Einnahme-Relation in den Ländern in den Jahren
2002 bis 2005 (bitte aufschlüsseln nach Land, Jahr sowie Vergleich ost- und
westdeutsche Länder und Bund), und wie bewerten die Bundesregierung
und der Finanzplanungsrat diese Entwicklung?

2. Wie gestalteten sich die Personalausgaben sowie die Ausgaben für Bau-
investitionen je Einwohnerin bzw. Einwohner in den ostdeutschen Ländern
in den Jahren 2002 bis 2005 (bitte aufschlüsseln nach Land, Jahr sowie
Vergleich ost- und westdeutsche Länder und Bund), und wie bewerten die
Bundesregierung und der Finanzplanungsrat diese Entwicklung?

3. Wie gestaltete sich der Schuldenstand in den ostdeutschen Ländern im Ver-
gleich zu den westdeutschen Ländern und dem Bund im Zeitraum seit 2002,
und wie erklärt bzw. bewertet die Bundesregierung diese Entwicklung?

4. Wie gestaltete sich der Deckungsgrad der Ausgaben der ostdeutschen Län-
der im Vergleich zu den westdeutschen Ländern und dem Bund im Zeitraum
seit 2002, und wie erklärt bzw. bewertet die Bundesregierung diese Entwick-
lung?

5. Wie hoch sind die Kosten der DDR-Sonder- und Zusatzversorgung für die
ostdeutschen Länder, und wie sind diese Kosten im föderalen Finanzsystem

aufgeteilt (bitte aufschlüsseln)?

6. Wie hoch wäre der Investitionsbedarf der ostdeutschen bzw. der finanz-
schwachen westdeutschen Länder, um gleichwertige Lebensbedingungen im
gesamten Bundesgebiet zu schaffen?

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B. Solidarpakt II

7. Wie begründet die Bundesregierung ihre Kritik an der Verwendung der
Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen (SoBEZ) zur Deckung von
teilungsbedingten Sonderlasten aus dem bestehenden starken infrastruktu-
rellen Nachholbedarf und zum Ausgleich unterproportionaler kommunaler
Finanzkraft durch die ostdeutschen Länder?

8. Inwiefern teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der im Haushalts-
grundsätzegesetz sowie im Finanzausgleichsgesetz zugrunde gelegte Inves-
titionsbegriff zu eng gefasst ist und stattdessen durch einen, Humankapital-
investitionen einschließenden Investitionsbegriff ersetzt werden sollte, und
wenn diese Auffassung nicht geteilt wird, warum nicht?

9. Inwiefern wäre es aus Sicht der Bundesregierung denkbar, von der jähr-
lichen Erfüllung der Verwendungsvorgaben für die SoBEZ abzuweichen
und stattdessen zu einem Nachweis der im Durchschnitt von jeweils Fünf-
jahres-Zeiträumen zweckgerichteten SoBEZ-Verwendung überzugehen, da
die investive Verwendung der SoBEZ insbesondere von durch die Länder
nur schwer steuerbaren konjunkturellen Einflüssen abhängig ist, und wenn
dies nicht denkbar ist, warum nicht?

10. Wäre es aus Sicht der Bundesregierung denkbar, einen bestimmten Anteil
der SoBEZ für spezifische Landesentwicklungsprogramme zu verwenden,
mit denen weiche Standortfaktoren wie z. B. Kultur oder Tourismus geför-
dert werden, und wenn ja, in welcher Weise, und wenn nein, warum nicht?

11. Wie wird die Durchschnittsberechnung der Finanzierungsanteile des Bundes
im Referenzzeitraum von 2000 bis 2008 bezüglich der im neu zu schaffen-
den Artikel 143c des Grundgesetzes (GG) den Ländern bis 2019 zur Ver-
fügung zu stellenden Beträge konkret vorgenommen?

12. Werden bei der Ermittlung der jeweiligen Beträge entsprechend Frage 9
die Geldentwertung der jeweiligen Auszahlungsjahre im Vergleich zum
Referenzzeitraum mit einkalkuliert sowie weitere Faktoren, die eine Aus-
wirkung auf die Ermittlung dieser Beträge haben, in diese Berechnung ein-
bezogen, und wenn ja, in welchem Umfang bzw. welche, und wenn nein,
warum nicht?

13. Ist es zutreffend, dass die Bundesregierung die „Korb II“-Leistungen für die
ostdeutschen Länder in Höhe von insgesamt 51 Mrd. Euro durch Summie-
rung seiner sowieso vorgesehenen Investitionen in Gemeinschaftsaufgaben
(GA), Finanzhilfen, der EU-Strukturfondsmittel, Investitionszulagen sowie
Kompensationsleistungen nach dem im Zuge der Föderalismusreform neu
zu schaffenden Artikel 143c GG erbringen möchte, und wenn ja, wie ver-
teilen sich die Mittel (bitte aufschlüsseln nach Förderstruktur und Jahr)?

14. Wann ist die unter Frage 11 erfragte Position der Bundesregierung mit den
ostdeutschen Ländern in welchem Gremium besprochen worden, und wel-
che Position haben die einzelnen ostdeutschen Länder dazu eingenommen
(bitte nach Bundesland aufschlüsseln)?

15. Wie gestaltet sich die Zusammensetzung der „Korb II“-Leistungen aus
Sicht der Bundesregierung in dem Fall, dass die Neufassung des Artikels
143c GG nicht in der bislang geplanten Weise vorgenommen wird?

16. Wie ist die Aussage in Abschnitt V.1. des Koalitionsvertrags vom
11. November 2005 zu verstehen, dass in der 16. Wahlperiode die Bund-
Länder-Finanzbeziehungen der „veränderten Rahmenbedingungen inner-
und außerhalb Deutschlands, insbesondere für Wachstums- und Beschäfti-
gungspolitik angepasst werden“ und der Bund den Ländern anbietet, dazu

mit Beginn des Jahres 2006 die Voraussetzungen und Lösungswege für

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/718

Grundgesetzänderungen zu klären, und welcher Zeitrahmen, welches Dis-
kussionsgremium (z. B. Ministerpräsidentenkonferenz etc.) ist dafür geplant,
und sollte es bislang keine entsprechenden Planungen geben, wann werden
sie vorliegen und in welcher Weise wird der Deutsche Bundestag darüber
rechtzeitig in Kenntnis gesetzt?

C. Perspektiven der Gemeinschaftsaufgaben und Mischfinanzierungen

17. Trifft es zu, dass in den Finanzministerien des Bundes und der Länder
bereits konkrete Überlegungen zur Verteilung der Festbeträge für die
durchschnittlichen Zahlungen des Bundes per anno an die Länder existie-
ren, sollte – wie im Koalitionsvertrag vorgesehen – der Artikel 143c GG
(neu) eingeführt werden, und wenn ja, wie sehen diese Überlegungen aus
Sicht der Bundesregierung aus (bitte aufschlüsseln nach GA Hochschul-
bau, GA Bildungsplanung, Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, Finanz-
hilfe Wohnungsbau einerseits sowie Bundesland andererseits)?

18. Welche Begründung liegt diesen Festbetragsplanungen zugrunde, und wel-
che Konsequenzen hätte dies für die Maßnahmen, die beispielsweise im
Rahmenplan Hochschulbau für den Zeitraum bis 2009 geplant sind (bitte
aufschlüsseln nach Maßnahmen wie unter Frage 10)?

19. Ist es aus Sicht der Bundesregierung denkbar, die Gemeinschaftsaufgabe
Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur dergestalt zu reformieren,
dass die unter §11 Abs. 4 des Finanzausgleichsgesetzes genannten Länder
nur noch einen um die Hälfte reduzierten Kofinanzierungsanteil tragen
müssen und die Mittel gezielter zur Förderung von Humankapitalinvesti-
tionen (z. B. Forschung und Entwicklung sowie Personalentwicklung) ge-
nutzt werden, und wenn ja, was tut die Bundesregierung dafür, bzw. wenn
nein, warum nicht (bitte nach Vorschlägen getrennt beantworten)?

20. Ist es aus Sicht der Bundesregierung denkbar, dass auch bei anderen EU-
oder Bundesprogrammen die Kofinanzierung der Länder bzw. der Kom-
munen reduziert wird, und wenn ja, wie, bzw. wenn nein, warum nicht?

D. Verteilung der Konvergenzmittel ab 2007

21. Welche Ergebnisse erzielten die Bundesregierung und die Vertreterinnen
bzw. Vertreter der Länder bei den Gesprächen über die Verteilung der
Konvergenzmittel auf die neuen Bundesländer, inwiefern unterscheiden
sich diese Ergebnisse von den Berechnungen der EU-Kommission (bitte
aufschlüsseln nach originären Konvergenzmitteln, „Phasing-out“-Mitteln
sowie den Mitteln für die ländliche Entwicklung und den Europäischen
Fischereifonds), und wenn sie sich unterscheiden, warum und in welcher
Form?

22. Welche Veränderungen bei der nationalen Kofinanzierung der EU-Struk-
turfondsmittel sollen sich 2007 bis 2012 gegenüber der laufenden Förder-
periode nach den Vorstellungen der EU-Kommission bzw. des Rates bzw.
der einschlägigen Bund-Länder-Arbeitsgruppe ergeben?

23. Trifft es zu, dass die Bundesregierung eine Neuauflage des Bundespro-
gramms Verkehr mit einem Anteil von 9,6 Prozent der EU-Strukturfonds-
mittel sowie des Bundesprogramms Europäischer Sozialfonds Ziel 1 mit
einem Anteil von 9,8 Prozent der EU-Strukturfondsmittel plant, und wenn
ja, wie begründet der Bund diese Entscheidung?

Drucksache 16/718 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
24. Wie hoch wäre der Vorwegabzug von Konvergenzmitteln bei Einrichtung
dieser Bundesprogramme, in welcher Weise müssten die Länder bei Inan-
spruchnahme dieser Bundesprogramme Landesmittel zur Kofinanzierung
bereitstellen, und welche Positionen gegenüber den geplanten Bundespro-
grammen nahmen die Länder ein bzw. welche Alternativen schlugen sie
vor?

E. Finanzielle Auswirkungen der steuerpolitischen Maßnahmen des Koalitions-
vertrags

25. Trifft es zu, dass im Bundesministerium der Finanzen konkrete Berechnun-
gen der finanziellen Auswirkungen der steuerpolitischen Maßnahmen des
Koalitionsvertrags, strukturiert nach vier Maßnahmeblöcken (Abbau von
Steuervergünstigungen, Änderungen bei der Umsatzsteuer und der Versiche-
rungssteuer, Bekämpfung des Steuermissbrauchs, weitere steuerrechtliche
Maßnahmen wie z. B. Reichensteuer etc.) existieren, und wenn ja, wie sehen
diese aus (bitte aufschlüsseln nach Maßnahmeblock, Bundesland sowie
voller finanzieller Jahreswirkung und nach Kassenjahren 2006 bis 2009),
und wenn nein, wann ist damit zu rechnen?

Berlin, den 14. Februar 2006

Bodo Ramelow
Dr. Dagmar Enkelmann
Dr. Gesine Lötzsch
Dr. Barbara Höll
Dr. Dietmar Bartsch
Michael Leutert
Roland Claus
Katrin Kunert
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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