BT-Drucksache 16/7101

Spekulationen über israelische Luftangriffe in Nordsyrien und angebliche syrische Nuklearaktivitäten

Vom 12. November 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7101
16. Wahlperiode 12. 11. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jürgen Trittin, Kerstin Müller (Köln), Marieluise Beck (Bremen),
Volker Beck (Köln), Alexander Bonde, Dr. Uschi Eid, Thilo Hoppe, Ute Koczy,
Winfried Nachtwei, Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Rainder Steenblock
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Spekulationen über israelische Luftangriffe in Nordsyrien und angebliche
syrische Nuklearaktivitäten

Deutsche und internationale Zeitungen berichteten über Luftschläge durch
israelische Kampfjets in Nordsyrien nahe der türkischen Grenze in der Nacht
vom 5./6. September 2007 (Janes Defense Weekly, 19. September 2007).
F-15-I Bomber sollen demnach Ziele in Syrien angegriffen und auf dem Rück-
flug Zusatztanks über türkischem Staatsgebiet abgeworfen haben.

Syrien hat gegen die Angriffe protestiert und bekannt gegeben, dass es keine
Opfer gegeben habe. Weitere Stellungnahmen wurden nicht abgegeben. Die
israelische Regierung bestätigte den Vorfall zunächst nicht. Der israelische Vor-
sitzende der Likud-Partei, Benjamin Netanjahu, hat laut Bericht der israelischen
Tageszeitung „Haaretz“ vom 20. September 2007 bestätigt, dass er über die An-
griffe „von der ersten Minute an“ informiert gewesen sei und diese unterstützt
habe, da sie der Sicherheit Israels dienten. Der Chef des israelischen Militär-
geheimdienstes, General Amos Yadlin, sagte vor dem Kabinett, Israel habe nun
seine Abschreckungsfähigkeiten wiederhergestellt (New York Times, 21. Sep-
tember 2007), nachdem es infolge des Libanonkrieges in Israel Sorge über eine
mögliche neue Eskalation mit Syrien gab.

Laut verschiedenen Quellen haben israelische und amerikanische Offizielle
als Hintergrund den möglichen Aufbau eines syrischen Nuklearprogramms
bzw. das Outsourcen nordkoreanischer Urananreicherungskapazitäten genannt.
Syrien betreibt bislang unter Kontrolle der IAEO (Internationale Atomenergie-
organisation) einen nuklearen Forschungsreaktor chinesicher Herkunft, der
nicht im Verdacht steht, nuklearwaffenfähiges Material produzieren zu können.
Die seit zehn Jahren laufenden Verhandlungen mit Russland über die Lieferung
eines größeren Reaktors blieben bislang ergebnislos.

Laut Bericht der „Washington Post“ vom 21. September 2007 habe der israe-
lische Geheimdienst bereits früher US-Behörden über die Präsenz nordkorea-
nischer Nuklearexperten in Syrien informiert. Die Bush-Administration habe die

Erkenntnisse bestätigt, aber wegen der laufenden Verhandlungen mit Nordkorea
von einem Militärschlag abgeraten. Die Qualität der geheimdienstlichen Er-
kenntnisse ist nach Einschätzung des Berichtes unklar. Nach anderen Äußerun-
gen stünden die bombardierten Anlagen in Zusammenhang mit dem syrischen
Rüstungsprojekt für Mittelstreckenraketen. Eine Schiffsladung mit nordkorea-
nischer Ladung, die als Zement deklariert gewesen sei, sei drei Tage vor dem

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Angriff angekommen und zu einer der Einrichtungen gebracht worden, die bom-
bardiert worden sei. Die USA seien vorab über die Bombardierung informiert
gewesen (New York Times, 21. September 2007). Präsident George W. Bush hat
auf direkte Nachfrage am 20. September 2007 eine Auskunft zu diesem Thema
verweigert, aber an Nordkorea appelliert, jegliche Proliferation zu unterlassen,
um den Verhandlungsprozess nicht zu gefährden.

Die „New York Times“ berichtete am 27. Oktober 2007, dass Satellitenfotos des
von Israel mutmaßlich angegriffenen Stützpunktes vor und nach den Luftangrif-
fen belegen, dass dort eine größere Anlage existierte, bei der es sich um einen
im Bau befindlichen Reaktor handeln könnte. Das ca. 46 m (150 Fuß) lange qua-
dratische Gebäude wurde dem Bericht zufolge offenbar kurz nach den Angriffen
in großer Eile komplett entfernt. Nach Einschätzung des früheren UN-Waffen-
inspekteurs und Präsidenten des Institute for Science and International Security
David Albright entspricht das Gebäude „nordkoeranischem Reaktor-Design“.
Syrien hat die Vorwürfe nicht kommentiert und Nuklearaktivitäten abgestritten.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche direkten oder indirekten Erkenntnisse hat die Bundesregierung über
die genannten Vorfälle?

2. Hat sich die Bundesregierung um Aufklärung der Hintergründe bemüht, und
welche Informationen hat sie darüber von den Partnern, Israel und den Ver-
einigten Staaten erhalten, welche Reaktionen gab es von syrischer Seite?

3. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über nordkoreanische oder ira-
nische Rüstungs- und nukleare Proliferationsaktivitäten im Nahen Osten und
in Syrien?

4. Wie bewertet die Bundesregierung die Studie des Institute for Science and
International Security, die aufgrund der Auswertung von Satellitenbildern
nahelegt, dass an dem von Israel bombardierten Ort eine Anlage verschwun-
den ist, die in ihrer Form auf einen möglichen im Bau befindlichen Atom-
reaktor hindeutet?

5. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung bzw. die IAEO über syrische
Ambitionen oder bereits vorhandene Aktivitäten zum Auf- und Ausbau eines
Nuklearprogramms oder dem Erwerb entsprechender Forschungserkennt-
nisse und der Kooperation mit anderen Nuklearmächten?

6. Wie bewertet die Bundesregierung die israelischen Angriffe völkerrechtlich
und im Hinblick auf die angespannte Lage zwischen Israel und Syrien?

Wie bewertet sie israelische, syrische und türkische Reaktionen auf die
Ereignisse?

7. Hat die Bundesregierung Hinweise, dass die Angriffe negative Auswirkun-
gen auf die UNIFIL-Friedenstruppe, einschließlich der deutschen Soldatin-
nen und Soldaten haben, und welche eigenen Aktivitäten unternehmen die
Bundesregierung und die EU im Zusammenhang mit den Angriffen ange-
sichts der im Libanon direkt von regionalen Spannungen bedrohten UNIFIL-
Friedenstruppe?

8. Wie bewertet sie vor dem Hintergrund der Vorwürfe und Angriffe gegen
Syrien und der jüngsten Aussagen französischer und amerikanischer Poli-
tiker über einen „Krieg als letztes Mittel“ die Möglichkeit und die Wahr-
scheinlichkeit eines militärischen Schlages Israels oder der USA gegen
iranische Nuklearanlagen, und wie schätzt sie mögliche Folgen eines solchen
militärischen Vorgehens ein?

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9. Welche Auswirkungen haben nach Meinung der Bundesregierung die Vor-
würfe gegenüber Nordkorea für die Sechs-Parteien-Gespräche mit Nord-
korea und welche Haltung vertritt die Bundesregierung im Verhandlungs-
prozess?

10. Welche Auswirkungen haben die Luftangriffe nach Auffassung der Bundes-
regierung auf die laufenden Bemühungen um eine friedliche Lösung des
Atomstreits mit dem Iran?

11. Sieht die Bundesregierung mögliche Auswirkungen der Vorfälle auf die
geplante Nahostkonferenz im November im Hinblick auf eine in Aussicht
gestellte Teilnahme Syriens?

Berlin, den 9. November 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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