BT-Drucksache 16/6718

Stärkung der Verfahrenstransparenz bei der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut

Vom 12. Oktober 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6718
16. Wahlperiode 12. 10. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Birgitt Bender, Elisabeth Scharfenberg, Dr. Harald Terpe, Britta
Haßelmann, Ute Koczy, Markus Kurth, Christine Scheel, Irmingard Schewe-Gerigk,
Wolfgang Wieland und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Stärkung der Verfahrenstransparenz bei der Ständigen Impfkommission am
Robert Koch-Institut

Laut § 20 Abs. 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG) wird beim Robert Koch-Institut
eine Ständige Impfkommission (STIKO) eingerichtet. Die Kommission gibt
sich eine Geschäftsordnung, die der Zustimmung des Bundesministeriums für
Gesundheit (BMG) bedarf. Aufgabe der Kommission ist es, Empfehlungen zur
Durchführung von Schutzimpfungen und zur Durchführung anderer Maßnah-
men der spezifischen Prophylaxe übertragbarer Krankheiten sowie Kriterien zur
Abgrenzung einer üblichen Impfreaktion und einer über das übliche Ausmaß
einer Impfreaktion hinausgehenden Schädigung zu entwickeln. Die Empfehlun-
gen der STIKO haben keine Rechtswirkung. Sie dienen den Bundesländern als
Grundlage für die Bekanntmachung öffentlich empfohlener Impfungen nach
dem IfSG.

Seit der Verabschiedung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes haben Versi-
cherte Anspruch auf Leistungen für Schutzimpfungen (§ 20d Abs. 1 SGB V).
Einzelheiten zu Voraussetzungen sowie Art und Umfang der Leistungen be-
stimmt der Gemeinsame Bundesausschuss in der Richtlinie über Schutzimpfun-
gen nach § 20d Abs. 1 SGB V (Schutzimpfungs-Richtlinie/SiR) auf Grundlage
der STIKO Empfehlungen.

Somit werden von der STIKO empfohlene Schutzimpfungen bei gesetzlich Ver-
sicherten von der Solidargemeinschaft der Gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV) finanziert. Vor diesem veränderten Hintergrund ergeben sich steigende
Anforderungen an die Verfahrenstransparenz bei der STIKO (Berufung der Mit-
glieder, Geschäftsordnung, Offenlegung von möglichen Interessenkonflikten, Me-
thoden zur Erarbeitung von Empfehlungen, Begründung der Empfehlungen etc.).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass die STIKO bei ihrer gesetzlich
zugewiesenen Aufgabe Unabhängigkeit wahrt und insbesondere ihre Emp-
fehlungen wettbewerbsneutral erstellt, und welche konkreten Maßnahmen

ergreift die Bundesregierung dazu?

2. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, anhand welcher Kri-
terien die STIKO eine Impfempfehlung ausspricht?

Falls ja, um welche Kriterien handelt es sich?

Falls nein, warum liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor?

Drucksache 16/6718 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

3. Liegen der Bundesregierung Informationen darüber vor, ob die STIKO Kos-
ten-Nutzen-Bewertungen von Schutzimpfungen in ihre Entscheidungsfin-
dung einbezieht?

Falls ja, um welche Schutzimpfungen handelt es sich, und wie sind die ent-
sprechenden Kosten-Nutzen-Bewertungen ausgefallen?

Falls nein, warum wurden Kosten-Nutzen-Bewertungen bislang nicht ein-
bezogen?

4. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, ob und falls ja wie die
STIKO evidenzbasierte Nutzen-Risiko-Abwägungen im Zusammenhang mit
empfohlenen Schutzimpfungen vornimmt, um ausgesprochene Empfeh-
lungen adäquat und qualitätsgesichert zu überprüfen?

Falls ja, um welche Abwägungen handelt es sich?

Falls nein, sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, entsprechende Nut-
zen-Risiko-Abwägungen von empfohlenen Schutzimpfungen in Zukunft
vorzunehmen?

5. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Transparenz der Kriterien
für Impfempfehlungen verbessert werden muss, und welche konkreten Maß-
nahmen ergreift die Bundesregierung gegebenenfalls, um dies zu erreichen?

6. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, warum die Geschäftsordnung
der STIKO nicht auf deren Internetseite veröffentlicht ist?

Falls ja, welches sind die Gründe für die Nichtveröffentlichung der Ge-
schäftsordnung?

Falls nein, warum liegen der Bundesregierung keine entsprechenden Infor-
mationen vor?

7. a) Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass die Beratungsgegen-
stände und Beschlüsse der STIKO Beratungen nicht veröffentlicht wer-
den?

b) Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Beratungsgegenstände
und Beschlüsse der STIKO Beratungen auf den Internetseiten der STIKO
und im Epidemiologischen Bulletin veröffentlicht werden sollten?

Falls ja, warum sind die entsprechenden Informationen bislang nicht ver-
öffentlicht?

Falls nein, wie begründet die Bundesregierung ihre Auffassung?

8. a) Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass die STIKO Begrün-
dungen für Impfempfehlungen nur teilweise auf ihren Internetseiten und
im Epidemiologischen Bulletin veröffentlicht?

b) Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass alle Impfempfehlungen
der STIKO begründet werden und sämtliche Begründungen sowohl im
Epidemiologischen Bulletin als auch auf den Internetseiten der STIKO
veröffentlicht werden sollten?

Wenn ja, was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, damit die
STIKO dem nachkommt?

Wenn nein, warum nicht?

9. a) Nach welchen Kriterien, neben §§ 20, 21 Verwaltungsverfahrensgesetz,
beruft das Bundesministerium für Gesundheit die Mitglieder der STIKO?

b) Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass in der STIKO Expertinnen und
Experten verschiedener Fachdisziplinen vertreten sind?

c) Über welche konkreten wissenschaftlichen und praktischen Erfahrungen

müssen die Mitglieder der STIKO verfügen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/6718

10. a) Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, ob und in welchem Um-
fang Mitglieder der STIKO neben ihrer Haupttätigkeit bezahlte Neben-
tätigkeiten ausüben?

Falls ja, um welche Nebentätigkeiten, aufgeschlüsselt nach Art und Um-
fang, handelt es sich?

Falls nein, was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die Transparenz
der bezahlten Nebentätigkeiten zu erhöhen?

b) Wie bewertet die Bundesregierung die Angaben der Zeitschrift arznei-
telegramm (38. Jahrgang, 31. März 2007), wonach mehrere STIKO
Mitglieder im Fachbeirat des von fünf Impfstoffherstellern finanzierten
„Forum Impfen“ sowie den wissenschaftlichen Beiräten der Arbeits-
gemeinschaft Meningokokken und der Arbeitsgemeinschaft Masern und
Varizellen vertreten sind, die ebenfalls von Impfstoffherstellern unter-
stützt werden?

11. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Mitglieder der STIKO in
vergleichbarer Weise wie bei Veröffentlichungen in (international) renom-
mierten Fachzeitschriften oder bei der US-amerikanischen Arzneimittelbe-
hörde FDA (Food and Drug Administration) potenzielle Interessenkonflikte
veröffentlichen sollten?

Wenn ja, warum wird dieses Verfahren bislang nicht praktiziert?

Wenn nein, welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um die
Transparenz potenzieller Interessenkonflikte der STIKO Mitglieder zu ge-
währleisten?

12. Liegen der Bundesregierung Informationen vor, dass Impfempfehlungen
der STIKO zu Impfstoffpreiserhöhungen (z. B. Varizellen, Pertussis, Influ-
enza, Pneumokokken, HPV) geführt haben (siehe dazu: Annette Nahn-
hauer: Anspruch auf Schutzimpfungen neu geregelt. Gemeinsamer Bundes-
ausschuss beschließt Richtlinie, in: Die BKK 07/2007)?

Falls nein, warum nicht?

Falls ja, wie bewertet die Bundesregierung diese Vorgänge, und welche
Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die Transparenz der STIKO Ent-
scheidungen in diesem Zusammenhang zu verbessern?

Berlin, den 12. Oktober 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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