BT-Drucksache 16/6451

Steuerverlagerung ins Ausland verhindern

Vom 19. September 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6451
16. Wahlperiode 19. 09. 2007

Antrag
der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Christine Scheel, Britta Haßelmann,
Kerstin Andreae, Birgitt Bender, Alexander Bonde, Markus Kurth, Margareta Wolf
(Frankfurt) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Steuerverlagerung ins Ausland verhindern

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

mit entsprechenden tragfähigen Maßnahmen die zunehmende Steuerverlage-
rung ins Ausland zu verhindern. Dazu ist es notwenig, grundsätzlich von der bis-
herigen Freistellungsmethode zur Anrechnungsmethode überzugehen: Bisher
wird im Ausland erzieltes Einkommen in Deutschland steuerfrei gestellt, sofern
es im Ausland hinreichend besteuert wurde. Künftig soll das im Ausland erzielte
Einkommen nach dem Welteinkommensprinzip auch in Deutschland voll steu-
erpflichtig sein, zur Vermeidung von Doppelbesteuerung soll die im Ausland ge-
zahlte Steuer im Inland angerechnet werden. Dies sollte auch grundsätzlich für
alle Erbschaften und Schenkungen gelten. In einigen Doppelbesteuerungsab-
kommen ist die Option zum generellen Übergang zum Anrechnungsverfahren
schon enthalten, allerdings ist diese Option bisher noch nicht hinreichend ge-
nutzt worden.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung deshalb auf, die Doppel-
besteuerungsabkommen systematisch und zügig um eine Anrechnungsklausel
zu ergänzen und die entsprechenden Vorschriften in den nationalen Gesetzen
vorzubereiten, damit sich der Deutsche Bundestag darüber zeitnah entscheiden
kann. Dazu ist es notwendig,

● in neuen Abkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung die Anrech-
nungsmethode als erste Methode – ggf. mit der Option zum Übergang zur
Freistellungsmethode – zu vereinbaren,

● in den bestehenden Abkommen, die schon eine Option zur Anwendung der
Anrechnungsmethode enthalten, diese auch anzuwenden sowie

● bei bestehenden Abkommen, die keine Option zur Anrechnungsmethode ent-
halten, unverzüglich Neuverhandlungen aufzunehmen, um die Anrechnungs-
methode als erste Methode – ggf. mit der Option zum Übergang zur Freistel-
lungsmethode – zu vereinbaren.
Berlin, den 19. September 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Drucksache 16/6451 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Begründung

Solange es keinen wirklich fairen Steuerwettbewerb zwischen den Ländern gibt,
muss sich Deutschland gegen die Erosion der Steuereinnahmen durch Ver-
lagerung von Einkünften in Niedrig- oder gar Nichtsteuergebiete besser als bis-
her schützen. Heute werden im Ausland erzielte Einkünfte deutscher Steuer-
pflichtiger grundsätzlich von der Besteuerung durch den deutschen Fiskus frei-
gestellt, wenn klar ist, dass der ausländische Staat das Besteuerungsrecht hat.
Dadurch soll Doppelbesteuerung verhindert werden. Entsprechend sind die
Doppelbesteuerungsabkommen angelegt.

Um den Anreiz für eine Verlagerung der Einkünfte zu senken, ist es geboten,
in den Doppelbesteuerungsabkommen vom so genannten Freistellungs- zum
Anrechnungsverfahren überzugehen. Jeder Steuerpflichtige mit Wohnsitz im
Inland wäre dann mit seinem gesamten Welteinkommen nach deutschen Maß-
stäben voll steuerpflichtig. Doppelbesteuerung würde dann dadurch vermieden,
indem die im Ausland bereits gezahlte Einkommensteuer auf die deutsche Ein-
kommensteuer angerechnet würde. Das gleiche Prinzip sollte auch für sämtliche
Erbschaften und Schenkungen gelten.

Auf diese Weise würde sich die Verlagerung von Einkommen und Vermögen ins
Ausland allein aus steuerlichen Gründen deutlich weniger lohnen. Während es
heute von Vorteil ist, das Einkommen und Vermögen über mehrere Staaten oder
auf bestimmte Staaten zu verteilen und dort Freibeträge und niedrige Steuersätze
und die gleichzeitige Steuerfreiheit im Inland auszunutzen, würde ein solches
Vorgehen bei der Anrechnungsmethode ins Leere laufen. Bei der Anrechnungs-
methode wird das gesamte Einkommen und die gesamte Erbschaft oder Schen-
kung eines Steuerpflichtigen ermittelt und nach deutschen Maßstäben versteu-
ert. Es würde also steuerlich gar keinen Unterschied mehr bedeuten, ob das Ein-
kommen im Inland, im Ausland oder wo im Ausland erzielt wurde oder das Ver-
mögen im Inland oder im Ausland liegen würde. Alleiniger Maßstab für die
steuerliche Leistungsfähigkeit wäre das Einkommen oder die Erbschaft oder
Schenkung. Die im Ausland bereits gezahlte Steuerschuld würde auf die inlän-
dische Steuerschuld angerechnet.

Eine solche Umstellung in allen Doppelbesteuerungsabkommen ist ein langwie-
riger Prozess, da zahlreiche bestehende Doppelbesteuerungsabkommen ange-
passt werden müssten. Alternativ käme auch eine Gesetzesänderung in Frage,
welche die bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen „neutralisieren“ würde.
Dies ist zwar in vielen Staaten üblich, allerdings hat sich Deutschland bisher
immer bemüht, internationale Verträge einzuhalten. Deshalb wäre bei einem
solchen „Treaty Override“ mit diplomatischen Verstimmungen zu rechnen,
weshalb diese Vorgehensweise nicht zu empfehlen ist.

Deshalb bleibt nur der Weg, an den Abkommen zur Vermeidung von Doppel-
besteuerung selbst anzusetzen. Dies bedeutet, dass bei neuen Abkommen zur
Vermeidung von Doppelbesteuerung die Anrechnungsmethode als erste Me-
thode – ggf. mit der Option zum Übergang zur Freistellungsmethode – verein-
bart werden müsste. Bestehende Abkommen müssten auch mit diesem Ziel neu
verhandelt werden, wenn sie noch keine Option zum Übergang zur Anrech-
nungsmethode enthalten. Bei bestehenden Abkommen, die bereits eine solche
Option enthalten, müsste diese auch tatsächlich angewendet werden.

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