BT-Drucksache 16/6378

Der zivile Aufbau in Afghanistan und die Lage der Frauen

Vom 17. September 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6378
16. Wahlperiode 17. 09. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jürgen Trittin, Winfried Nachtwei, Kerstin Müller (Köln), Ute
Koczy, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Alexander Bonde, Dr. Uschi
Eid, Thilo Hoppe, Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Irmingard Schewe-
Gerigk, Rainder Steenblock und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Der zivile Aufbau in Afghanistan und die Lage der Frauen

Der zivile Aufbau in Afghanistan steht weiterhin vor großen Herausforderun-
gen. Dabei gibt es ohne Zweifel Fortschritte bei den Bemühungen der inter-
nationalen Gemeinschaft, die Hilfe für und vor allem mit den Afghaninnen und
Afghanen optimal abzustimmen. Die Dimension der Defizite in vielen Be-
reichen und Herausforderungen ist unvergleichlich größer als bei vorangegan-
genen Staatsaufbauprojekten. Besonders an die Koordinierung der internationa-
len Geber stellt dies hohe Anforderungen. Oberstes Ziel ist die Erreichung der
afghanischen Eigenverantwortlichkeit.

Besonders bedeutend für den Wiederaufbau ist die Lage der Frauen. Für sie
waren das Ende der Talibanherrschaft und die Durchsetzung demokratischer
Grundstrukturen und einer neuen Verfassung von zentraler Bedeutung. Auch
weiterhin wird der Erfolg des Staatsaufbaus nicht unwesentlich davon ab-
hängen, inwieweit die Teilnahme von Frauen möglich gemacht wird. Frauen
gelten zugleich als „Hauptbegünstigte“ des Wiederaufbaus in Afghanistan, in
der Realität steht aber die Verwirklichung vieler neu geschaffener Rechte im
neuen Staatswesen und der Gesellschaft noch aus.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie setzen sich genau die angekündigten aufgestockten Mittel für den zivi-
len Wiederaufbau der Bundesregierung von insgesamt 125 Mio. Euro zu-
sammen, und für welche konkreten Projekte und Verwendungen, so weit sie
bereits feststehen, sollen diese eingesetzt werden?

2. Wie funktioniert die Zusammenarbeit und Koordination zwischen Bundes-
regierung und EU, NATO und UN einerseits und den USA andererseits?

a) Auf welchen Ebenen und in welcher Form gibt es Absprachen zum zivi-
len Aufbau mit den USA?

b) Wie funktionieren Absprachen und Koordination mit USAID (United
States Agency for International Development) sowie mit deren Unter-

organisationen (Subunternehmen)?

3. Wie ist die Situation im Bereich der Nahrungsmittelproduktion zu bewerten?

a) Wie haben sich die Produktion und Versorgung von Nahrungsmitteln seit
2001 entwickelt?

b) Wie sieht angesichts der laut FAO (Food and Agriculture Organisation)
gestiegenen Selbstversorgung mit Getreide im Jahr 2007 auf statistisch

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gesehen fast 100 Prozent die Aufschlüsselung für die einzelnen Provin-
zen aus?

c) Gibt es Pläne zur Steigerung der Produktion einzelner Nahrungsmittel,
die unter anderem auch für den Export geeignet sind?

d) Wie sind der Stand und die Entwicklung der Trinkwasserversorgung in
der Stadt und der Provinz Kundus?

4. Gibt es aktuelle Zahlen zur HIV-Prävalenz in Afghanistan, und welche
Strategie zur AIDS-Prävention wird in Afghanistan verfolgt?

5. Welche Rolle spielen Mikrokredite bei der Unterstützung des zivilen Auf-
baus in Afghanistan, und in welcher Weise greifen die Bundesregierung und
die entsprechenden Ausführungsorganisationen des Bundesministeriums für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) auf dieses Mittel
zurück?

6. Erneuerbare Energien

a) In welchem Stadium der Umsetzung befinden sich die Projekte für erneu-
erbare Energien?

b) Gibt es neue Vereinbarungen dazu in den Regierungsverhandlungen, und
plant die Bundesregierung einen Ausbau der Bemühungen?

c) Wie geht die Bundesregierung mit dem Wunsch aus Fayzabad um, hier
mit deutscher Hilfe ein Wasserkraftwerk zu errichten?

7. Welches sind die zentralen Sektoren und die zehn wichtigsten Projekte, die
in den nächsten Jahren Priorität im zivilen Aufbau haben?

Gibt es aus Sicht der Bundesregierung Projekte mit hoher Signalwirkung für
die Entwicklungszusammenarbeit mit Afghanistan, die noch vor dem Winter
fertiggestellt werden können?

8. Lage der Frauen

a) Wie hat sich in Afghanistan die Müttersterblichkeit entwickelt?

Wie ist generell der Zugang der Frauen zur Gesundheitsversorgung in der
Stadt und in ländlichen Regionen?

b) Wie ist die aktuelle Situation im Bereich Reproduktionsgesundheit ein-
zuschätzen, und welche entsprechenden Mittel und Programme werden
von der internationalen Gemeinschaft in diesem Bereich bereitgestellt?

c) Wie ist die spezifische Situation von Frauen unter den kürzlich massen-
haft aus dem Iran ausgewiesenen Flüchtlingen, und welche Möglichkei-
ten sieht die Bundesregierung zu ihrer Unterstützung und deren Schutz
vor sexualisierter Gewalt in Flüchtlingslagern und auf der Flucht?

d) Welche Möglichkeiten existieren für Frauen in Afghanistan, sich über
ihre Rechte zu informieren und Rechtsberatung und Unterstützung zur
Durchsetzung ihrer Rechte zu erlangen?

Welche Hindernisse bestehen dabei?

e) Was tun die internationale Gemeinschaft und die Bundesregierung zur
Ausbildung von Frauen im Justizbereich?

f) Welche Konzepte und Maßnahmen existieren, um die notwendige Unter-
stützung für Frauen nach ihrer Haftentlassung zur Reintegration zu leis-
ten?

Was tut die Bundesregierung um inhaftierte Frauen, von denen die Hälfte
aller Insassinnen in Frauengefängnissen keine Verbrechen begangen hat,
sondern aufgrund „moralischer Verbrechen“ inhaftiert ist (laut UNODC
(United Nations Office on Drugs and Crime)-Bericht), um sie während

des Gefängnisaufenthaltes und nach der Freilassung zu unterstützen und
sie vor erneuter Gewalt zu schützen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/6378

g) Wie viele Frauen wurden im Rahmen der deutschen Polizeiprojekte
ausgebildet, welche Erfahrungen wurden dabei gemacht, und inwieweit
fließen diese in die Umsetzung der EUPOL-Mission ein?

h) Wie bewertet die Bundesregierung die Sorge afghanischer Frauen, dass
ein Amnestiegesetz Kriegsverbrechen gegen Frauen amnestieren könnte,
und wie trägt sie dieser Sorge Rechnung?

9. Wie ist die gesellschaftliche und rechtliche Situation von homosexuellen
Frauen und Männern in Afghanistan?

a) Wie behandelt das afghanische Recht einvernehmliche homosexuelle
Handlungen?

b) Welche Erkenntnisse gibt es über anti-homosexuell motivierte Gewalt-
taten und den Umgang afghanischer Sicherheitsbehörden damit?

10. Gendermainstreaming

a) In welcher Art und Weise werden Genderaspekte beim Aufbau im
Gesundheitssektor einbezogen?

b) In welcher Art und Weise werden Genderaspekte beim Aufbau im
Bildungssektor einbezogen?

c) In welcher Art und Weise werden Genderaspekte beim Thema Sicher-
heit einbezogen?

Wie will die Bundesregierung dazu beitragen, Frauen in öffentlichen
Ämtern und Berufen (Lehrerinnen, Ärztinnen, Krankenschwestern)
besser zu schützen?

d) Welche Erfahrungen gibt es mit den Genderbeauftragten auf Ebene der
afghanischen Ministerien und anderer Behörden?

e) Welche Erfahrungen gibt es mit dem Gender-Budgeting?

Wie viel Geld wurde zur Unterstützung von Frauen jährlich ausge-
geben?

f) Wie beurteilt die Bundesregierung die Arbeit des afghanischen Frauen-
ministeriums, und welchen Beitrag leistet sie zu dessen Arbeit?

g) Welche Ressourcen stehen der Deutsche Botschaft auf Referentenebene
oder extern zur Verfügung, um Expertise im Bereich Gender in die
Strategieplanung und den Wiederaufbau einfließen zu lassen?

Berlin, den 17. September 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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