BT-Drucksache 16/5979

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und SPD -16/5714, 16/5933- Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - Verbesserung der Qualifizierung und Beschäftigungschancen von jüngeren Menschen mit Vermittlungshemmnissen

Vom 4. Juli 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5979
16. Wahlperiode 04. 07. 2007

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Kornelia Möller, Cornelia Hirsch, Dr. Barbara Höll, Werner
Dreibus, Ulla Lötzer, Volker Schneider (Saarbrücken), Dr. Herbert Schui, Dr. Axel
Troost, Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
– Drucksachen 16/5714, 16/5933 –

Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozial-
gesetzbuch – Verbesserung der Qualifizierung und der Beschäftigungschancen
von jüngeren Menschen mit Vermittlungshemmnissen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Mit den im vorliegenden Gesetzentwurf geplanten Maßnahmen gibt die große
Koalition das Ziel auf, allen Schulabgängerinnen und -abgängern verlässlich
und zeitnah ein auswahlfähiges Angebot an Ausbildungsplätzen zur Verfügung
zu stellen und jüngeren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Möglichkeit
zu geben, einen Ausbildungsabschluss nachzuholen. Das Versagen der Politik,
endlich durch eine gesetzliche Umlagefinanzierung die Betriebe in die Pflicht
zur Finanzierung der beruflichen Bildung und zur Bereitstellung von Ausbil-
dungsplätzen zu nehmen, wird damit auf dem Rücken der Jugendlichen ausge-
tragen. Sie sollen sich mit Niedriglohnbeschäftigung und Schmalspurqualifizie-
rungen abspeisen lassen.

Sowohl der Qualifizierungs- als auch der Eingliederungszuschuss verdeutlichen,
dass der großen Koalition zur Behebung der schlechten Ausbildungsplatz- und
Arbeitsmarktsituation für Jüngere nichts Besseres einfällt, als wieder einmal die
Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zu subventionieren sowie Niedriglohn-
beschäftigung und das Unterlaufen tariflicher Standards auch noch staatlich zu
fördern. Es liegt in der Verantwortung der Unternehmen, angemessene und exis-
tenzsichernde Löhne zu zahlen und nicht in der Verantwortung der Beitragszah-
lerinnen und -zahler. Hinzu kommt, dass mit den geplanten Zuschüssen noch
nicht einmal angemessene Löhne subventioniert, sondern lediglich Arbeitsent-

gelte bis zu 1 000 Euro pro Monat für die Fördersumme berücksichtigt werden.
Sofern der geförderte Lohn von den Unternehmen nicht aufgestockt wird, ent-
spricht dies bei einer 40-Stunden-Woche einem Lohn von gerade einmal
5,77 Euro pro Stunde.

Die als „bildungsschwache Jugendliche und junge Erwachsene“ beschriebene
Zielgruppe ist als völlig unbestimmter Rechtsbegriff zu werten. In die vorge-

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schlagenen Maßnahmen können nahezu alle Jugendlichen und jüngeren Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer einbezogen werden, sofern sie länger als sechs
Monate arbeitslos sind. Zusammen mit dem Vorhandensein (Eingliederungszu-
schuss) oder dem Fehlen (Qualifizierungszuschuss) eines Berufsabschlusses ist
dies die einzige gesetzlich vorgegebene Voraussetzung.

Statt ein Recht jeder und jedes Jugendlichen auf Ausbildung wirksam umzuset-
zen, werden mit dem Qualifizierungszuschuss Arbeitgeberinnen und Arbeitge-
ber subventioniert, die gerade einmal 15 Prozent der Förderung für Qualifizie-
rung verwenden müssen. Eine solche Qualifizierung ist völlig unzureichend,
richtet sich lediglich nach den Anforderungen der Betriebe und ersetzt keine Be-
rufsausbildung. Ein eventuell bestehender Förderbedarf von Jugendlichen muss
ausbildungsbegleitend angegangen werden und nicht, indem Jugendliche in
Niedriglohnbeschäftigung mit geringen Qualifizierungsanteilen abgeschoben
werden.

Ebenso wenig wie der geplante Qualifizierungszuschuss kann die Ausweitung
der Einstiegsqualifizierung, die bereits im Zuge der Verlängerung des Ausbil-
dungspaktes beschlossen wurde, die Ausbildungsmisere beheben. Anstatt Ju-
gendlichen qualifizierte Ausbildungsplätze anzubieten, werden sie mit billigen
Praktikumsstellen abgespeist, die die Unternehmen keinen Cent kosten. Integra-
tionserfolge sind als eher gering einzuschätzen und mit dem Programm werden
reguläre Ausbildungsplätze verdrängt.

Auch mit dem Eingliederungszuschuss, der auf jüngere Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer abzielt, die bereits einen Berufsabschluss haben, wird versucht,
eine fehlende nachhaltige Beschäftigungsstrategie über die Förderung von Nied-
riglohnbeschäftigung zu kompensieren. Trotz vorhandenem Berufsabschluss
sollen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber subventioniert werden, wenn sie Jün-
gere zu Armutslöhnen beschäftigen. Dabei ist noch nicht einmal Voraussetzung,
dass sie entsprechend ihrer Qualifikation eingestellt und eingesetzt werden. Für
die Betroffenen besteht die Gefahr, dass sie Dequalifizierungsprozessen unter-
worfen werden.

Mit den geplanten Maßnahmen wird sich die Ausbildungsplatz- und Arbeits-
marktsituation für Jugendliche nicht verbessern, sondern verschlechtern. Statt
einen qualifizierten Ausbildungsplatz zu erhalten bzw. entsprechend ihrer Qua-
lifikation für angemessene Löhne arbeiten zu können, werden sie in den Niedrig-
lohnsektor oder billige Praktika abgedrängt. Die Unternehmen werden die Sub-
ventionen dankbar aufgreifen, Mitnahmeeffekte sind absehbar. Auf diese Weise
werden keine zusätzlichen Arbeits- oder Ausbildungsplätze entstehen, sondern
lediglich bereits geplante ersetzt werden. Für Jugendliche wird es damit sogar
schwerer, einen angemessen entlohnten Arbeitsplatz oder einen qualifizierten
Ausbildungsplatz zu finden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● auf die geplanten Maßnahmen zu verzichten, da sie mehr schaden als nützen,

● dem Deutschen Bundestag einen Gesetzentwurf zur Einführung einer gesetz-
lichen Umlagefinanzierung vorzulegen, um die Unternehmen in die Pflicht
zur Finanzierung der beruflichen Ausbildung und zur Bereitstellung von
Ausbildungsplätzen zu nehmen,

● Förderprogramme für Jugendliche mit besonderem Förderungsbedarf aufzu-
legen, die diese in einer qualifizierten Ausbildung begleiten und unterstützen,
statt sie zu Niedriglohnkräften zu degradieren und über Warteschleifen in die
Perspektivlosigkeit abzuschieben,

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5979

● eine makroökonomisch fundierte Beschäftigungsstrategie zu entwickeln, die
nicht auf prekärer Beschäftigung basiert, um die Arbeitsmarktsituation – auch
für Jugendliche – zu verbessern.

Berlin, den 3. Juli 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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