BT-Drucksache 16/5975

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -16/5723, 16/5928- Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Verbraucherinformation

Vom 4. Juli 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5975
16. Wahlperiode 04. 07. 2007

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Karin Binder, Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Gesine Lötzsch,
Dr. Dietmar Bartsch, Heidrun Bluhm, Eva Bulling-Schröter, Roland Claus,
Lutz Heilmann, Hans-Kurt Hill, Katrin Kunert, Michael Leutert, Dorothee Menzner,
Dr. Ilja Seifert und der Fraktion DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
und der Bundesregierung
– Drucksachen 16/5404, 16/5723, 16/5928 –

Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Verbraucherinformation

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das Ziel, das Recht auf Information der Verbraucherinnen und Verbraucher zu
erweitern, ist aus verbraucherpolitischer, bürgerrechtlicher und informations-
freiheitlicher Sicht generell zu begrüßen.

Der vorliegende Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtes der Ver-
braucherinformation (VIG-E) wird den damit verbundenen Erwartungen aller-
dings nicht gerecht. Er birgt erhebliche inhaltliche Schwächen. Dies hat nicht
zuletzt die Expertenanhörung im Fachausschuss erneut deutlich gezeigt.
Verbraucherschutzorganisationen üben nach wie vor massive Kritik am Koali-
tionsentwurf, weil er ihnen an vielen Stellen zu kurz greift. Der Bundes-
beauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit konstatiert wegen
der Anspruchskonkurrenz mit dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes so-
gar eine Verschlechterung der Rechtsposition von Verbraucherinnen und Ver-
brauchern sowie reale Einschränkungen des Informationsrechts. Dies trifft für
all die Fälle zu, in denen bei öffentlichen Stellen des Bundes oder auch der Län-
der bereits jetzt nach den Informationsfreiheitsgesetzen Informationsansprüche
im Geltungsbereich des künftigen Verbraucherinformationsgesetzes bestehen.
Denn die Ausnahmetatbestände des Entwurfs zum Verbraucherinformations-
gesetz sind noch weiter gefasst als im Informationsfreiheitsgesetz des Bundes.
In einem neuen Verbraucherinformationsgesetz muss das Recht der Verbrauche-
rinnen und Verbraucher auf umfassende Information und Transparenz umgesetzt
werden. Es hat die Markttransparenz und die Entschließungsfreiheit der Ver-
braucherinnen und Verbraucher zu sichern und Schwächere gegenüber Stärke-
ren zu schützen. In diesem Sinne muss ein Verbraucherinformationsgesetz die
Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher gegenüber Wirtschaft und

Drucksache 16/5975 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Verwaltung stärken, damit sie mündig und selbstbestimmt Entscheidungen tref-
fen und ihre Rechte wahrnehmen können.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

umgehend dafür Sorge zu tragen, dass vor Annahme des vorgelegten Gesetzent-
wurfs umfassende Änderungen vorgenommen werden, die sicherstellen, dass:

1. Verbraucherinnen und Verbraucher einen uneingeschränkten Anspruch auf
sämtliche Informationen zu allen Produkten und Dienstleistungen haben;

2. Verbraucherinnen und Verbrauchern auch ein Anspruch auf Information ge-
genüber privatrechtlichen Unternehmen gewährt wird;

3. Ausnahmen vom Auskunftsanspruch zum Nachteil der Verbraucherinnen
und Verbraucher eindeutig definiert und auf ein Minimum begrenzt werden.
Es darf keinen Verweis auf „Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse oder sons-
tige wettbewerbsrelevante Informationen“ geben, der zum Freibrief für Infor-
mationsverweigerung wird;

4. eine Ombuds- oder Schiedsstelle eingerichtet wird und

5. Auskünfte grundsätzlich kostenlos zu erteilen sind.

Berlin, den 3. Juli 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Begründung

1. Der Anwendungsbereich des Gesetzes gemäß Artikel 1 § 1 Abs. 1 Nr. 1
VIG-E soll auf alle Produkte und Dienstleistungen ausgeweitet werden. Die
Aktivitäten der Verbraucherinnen und Verbraucher am Markt sind weitaus
umfassender als der Anwendungsbereich des Lebensmittel- und Futtermittel-
gesetzbuchs und des Weingesetzes, auf den sich der Koalitionsentwurf
beschränkt. Weitere Bereiche wie beispielsweise das Geräte- und Produkt-
sicherheitsgesetz, das Arzneimittelgesetz, das Gesetz über Funkanlagen und
Telekommunikationseinrichtungen, das Bauproduktegesetz, das Medizinpro-
duktegesetz, das Sprengstoffrecht (Pyrotechnik) und das Gefahrstoffrecht
müssen ebenso in den Anwendungsbereich des Gesetzes einbezogen werden.
Darüber hinaus sind die Verbraucherinnen und Verbraucher aktive Marktteil-
nehmerinnen und -teilnehmer und Nachfragerinnen und Nachfrager für das
breite Spektrum von Dienstleistungen, das von dem vorliegenden Gesetzent-
wurf gar nicht erst berührt wird. Insbesondere im Bereich finanzieller Dienst-
leistungen und Produkte ist ein gesetzlich garantierter Informationsanspruch
im Interesse des Verbraucherschutzes.

2. Der Anspruch auf Zugang zu Informationen beinhaltet im Koalitionsentwurf
ausschließlich die Informationspflicht der Behörden und anderer Stellen, die
öffentliche Aufgaben im Geltungsbereich des Gesetzes wahrnehmen. In
diese Informationspflicht sollen die Wirtschaftsunternehmen einbezogen
werden. In erster Linie liegen den Unternehmen selbst detaillierte Informa-
tionen insbesondere über die in Artikel 1 § 1 Abs. 1 Nr. 3 und 4 VIG-E ge-
nannten Tatbestände wie Herkunft, Beschaffenheit, Verwendung, Herstellen
und Behandeln von Erzeugnissen sowie Ausgangsstoffe und die bei deren

Gewinnung angewendeten Verfahren zu ihren Produkten vor. Daher ist eine
Ausdehnung des Informationsanspruchs der Verbraucherinnen und Verbrau-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5975

cher auf Unternehmen erforderlich, um sie tatsächlich zu befähigen, Kaufent-
scheidungen verantwortlich zu treffen.

3. Der Koalitionsentwurf sieht einen weit formulierten Ausschlussgrund vor,
der „Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse oder sonstige wettbewerbsrele-
vante Informationen, die in ihrer Bedeutung für den Betrieb mit einem Be-
triebs- oder Geschäftsgeheimnis vergleichbar sind“, umfasst. Dies dürfte
dazu führen, dass sich die Unternehmen in ihren Stellungnahmen gegenüber
den Behörden in möglichst weitem Umfang auf diesen Ausschlussgrund be-
rufen. Damit wird der Informationsanspruch der Verbraucherinnen und Ver-
braucher in der Praxis weitgehend ins Leere laufen. Denn nur bei einem Ver-
stoß i. S. d. Artikels 1 § 1 Abs. 1 Nr. 1 VIG-E gegen Vorschriften des LFGB
greift der Ausschlussgrund des Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses nicht
(Artikel 1 § 2 Satz 3 VIG-E). Der Begriff des Betriebs- und Geschäfts-
geheimnisses wird im Gesetz überdies nicht definiert. In das Gesetz soll da-
her eine Legaldefinition des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses aufgenom-
men werden. Sie würde Unklarheiten bei Gerichten und Behörden ausräumen
und eine einheitliche Rechtsprechung gewährleisten.

4. Für Verbraucherinnen oder Verbraucher, die sich in ihrem Recht auf freien
Zugang zu Informationen nach dem VIG verletzt fühlen, soll es eine Anlauf-
stelle zur Klärung und ggf. Beratung geben, damit Informationsansprüche
nicht zwingend durch langwierige und kostspielige gerichtliche Auseinan-
dersetzungen erstritten werden müssen.

5. Informationen müssen Verbraucherinnen und Verbrauchern grundsätzlich
kostenfrei angeboten werden, damit ein Informationszugang nicht von ihrem
sozialen Status abhängig ist. Nach dem Verursacherprinzip können diejeni-
gen zu den Kosten der Auskunft herangezogen werden, die gegen Verbrau-
cherschutzvorschriften verstoßen oder Risiken schaffen, über die sich die
Verbraucherinnen und Verbraucher informieren wollen.

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