BT-Drucksache 16/5888

EU-Regierungskonferenz - Für eine handlungsfähige und demokratische EU

Vom 4. Juli 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5888
16. Wahlperiode 04. 07. 2007

Antrag
der Abgeordneten Rainder Steenblock, Jürgen Trittin, Omid Nouripour,
Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Alexander Bonde, Dr. Uschi Eid,
Thilo Hoppe, Ute Koczy, Kerstin Müller (Köln), Winfried Nachtwei,
Claudia Roth (Augsburg) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

EU-Regierungskonferenz – Für eine handlungsfähige und demokratische EU

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Deutsche Bundestag würdigt den Erfolg der deutschen Ratspräsidentschaft
während des Europäischen Rates vom 21. bis 23. Juni in Brüssel. Sie hat in einer
schwierigen und von nationalen Interessen geprägten Atmosphäre eine einstim-
mige Einigung auf ein Mandat für eine Regierungskonferenz zur Moderni-
sierung und Demokratisierung der bestehenden vertraglichen Grundlagen der
Europäischen Union erreicht. Dabei blieb die Substanz des von allen EU-Mit-
gliedstaaten unterzeichneten und von zwei Dritteln der Mitgliedstaaten ratifi-
zierten Vertrages über eine Verfassung für Europa weitgehend erhalten. Damit
ist die Handlungsfähigkeit und Effizienz einer Europäischen Union der 27 Mit-
gliedstaaten sicherstellbar und ein starker Schutz der Grund- und Bürgerrechte
gewährleistbar. Die Voraussetzung hierfür sind wesentliche Neuerungen, an de-
nen festgehalten worden ist und die auch in den kommenden Verhandlungen
nicht aufgegeben werden dürfen:

● die Rechtsverbindlichkeit der Grundrechtecharta,

● die einheitliche Rechtspersönlichkeit, die eine wichtige Voraussetzung für
den Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskon-
vention darstellt,

● die Möglichkeit einer Unionsbürgerinitiative, mit der sich die Bürgerinnen
und Bürger direkt in europäische Politik einschalten können,

● die weitgehende Beibehaltung des Übergangs zu Mehrheitsentscheidungen
im Rat,

● die Öffentlichkeit der Gesetzgebung im Rat,

● die Stärkung des Europäischen Parlaments durch das Mitentscheidungsver-
fahren, das künftig das Regelverfahren sein soll,
● die Schaffung eines Hohen Repräsentanten für die Gemeinsame Außen- und
Sicherheitspolitik, der gleichzeitig Vizepräsident der Europäischen Kommis-
sion sein soll, sowie die Schaffung eines Europäischen Auswärtigen Diens-
tes,

● die Stärkung der Europäischen Kommission durch die Verkleinerung ihrer
Größe auf zwei Drittel der Mitgliedstaaten.

Drucksache 16/5888 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Sehr zu bedauern ist jedoch das Protokoll zu den Ausnahmeregelungen für das
Vereinigte Königreich Großbritannien und Irland und Polen zur Grundrechte-
charta, das den Verträgen beigefügt werden soll. Diese Spaltung ist ein schwerer
Schlag gegen die Grund- und Freiheitsrechte, die die europäische Wertegemein-
schaft ausmachen und die in der Grundrechtecharta ihren umfassenden Aus-
druck gefunden haben.

Ebenso ist zu bedauern, dass sowohl die europäische Hymne als auch die euro-
päische Flagge sowie die klareren Begriffe wie Europäische Gesetze oder Rah-
mengesetze vom Mandat ausgeklammert wurden. Der Deutsche Bundestag wird
weiterhin die faktische Nutzung dieser Symbole unterstützen, auch im Plenar-
saal des Deutschen Bundestages sowie an den Bundestagsgebäuden.

Nun gilt es, die Regierungskonferenz rasch einzuberufen und abzuschließen, da-
mit die neue vertragliche Grundlage baldmöglichst und noch vor der Europa-
wahl 2009 in Kraft treten kann. Denn es ist von zentraler Bedeutung, dass die
Bürgerinnen und Bürger wissen, was 2009 zur Wahl steht.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, während der Ver-
handlungen im Rahmen der Regierungskonferenz folgende Punkte zu beach-
ten:

1. Den Deutschen Bundestag im Sinne der Vereinbarung zwischen dem Deut-
schen Bundestag und der Bundesregierung über die Zusammenarbeit in An-
gelegenheiten der Europäischen Union (Bundestagsdrucksache 16/2620) über
ihre Willensbildung zu informieren.

2. Den Deutschen Bundestag im Sinne der Vereinbarung zwischen dem Deut-
schen Bundestag und der Bundesregierung über die Zusammenarbeit in An-
gelegenheiten der Europäischen Union (Bundestagsdrucksache 16/2620)
während der Verhandlungen im Rahmen der Regierungskonferenz zeitnah
und vollständig über deren Verlauf und Zwischenergebnisse zu informieren.

3. Darauf hinzuwirken, dass die neue vertragliche Grundlage verständlicher und
mit Zusätzen sparsam umgegangen wird. Denn das derzeitige Mandat zur Re-
gierungskonferenz ist durchsetzt von Fußnoten, Protokollen, Erklärungen
und Ausnahmen. Dies widerspricht dem Auftrag von Laeken, eine einfachere
und besser lesbare vertragliche Grundlage zu schaffen.

4. Bei dem Zusatz zu den Änderungen des ordentlichen Verfahrens für die Än-
derung der Verträge auf eine Eingrenzung der Möglichkeiten, die der Euro-
päischen Union übertragenen Zuständigkeiten zu verringern, hinzuwirken.
Eine Renationalisierung von Politiken ist die falsche Antwort auf die Heraus-
forderungen einer globalisierten Welt.

5. Dafür Sorge zu tragen, dass aus den derzeit rechtlich unverbindlichen Erklä-
rungen zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik keine rechtlich ver-
bindlichen Protokolle werden. Denn die Schaffung des Hohen Repräsentan-
ten für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ist ein wichtiger
Schritt in Richtung einer stärkeren Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspo-
litik. Die sich im Mandat befindenden Erklärungen zielen jedoch darauf ab,
das Amt dieses Hohen Repräsentanten einzuschränken.

6. Sich während der Verhandlungen dafür einzusetzen, dass die Ergänzungen
des Artikels 100 EGV um die Energiesolidarität sowie des Artikels 174 EGV
um die Bekämpfung des Klimawandels dahingehend spezifiziert werden,
dass die Europäische Union hier gemeinsam besser handeln kann.

7. Darauf hinzuwirken, dass hinsichtlich der Dienste von allgemeinem Interesse
künftig Rechtssicherheit besteht. Hierzu muss das Zusatzprotokoll dahinge-

hend ergänzt werden, dass eine klare Trennung zwischen den Diensten von

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5888

allgemeinem Interesse und den Diensten von allgemeinem wirtschaftlichem
Interesse durch eine Rahmenrichtlinie erreicht wird.

Berlin, den 4. Juli 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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