BT-Drucksache 16/5699

Sicherung des Kindesbedarfes und des Existenzminimums für Schulkinder

Vom 14. Juni 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5699
16. Wahlperiode 14. 06. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Diana Golze, Klaus Ernst, Dr. Lothar Bisky, Dr. Martina Bunge,
Roland Claus, Katja Kipping, Katrin Kunert, Dr. Gesine Lötzsch, Elke Reinke,
Volker Schneider (Saarbrücken), Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Sicherung des Kindesbedarfes und des Existenzminimums für Schulkinder

Die Landtagsfraktionen von CDU und FDP des Saarlandes machen in ihrem
Antrag vom 17. Januar 2007 („Schulessen für sozial benachteiligte Kinder“)
darauf aufmerksam, dass der Eckregelsatz nicht ausreicht, um Kindern ein
Schul-Mittagessen finanzieren zu können, weshalb viele Kinder in Ganztags-
schulen mittags vom Essen ausgeschlossen werden. Das Bundesland Saarland
hat eine Bundesratsinitiative gestartet, um einen neuen Mehrbedarfstatbestand
ins SGB II einzuführen (Bundesratsdrucksache 33/07). Der Antrag der Bundes-
tagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Teilhabechancen für Kinder und
Jugendliche aus armen Haushalten fördern“ (Bundestagsdrucksache 16/5253)
vom 9. Mai 2007, weist darauf hin, dass im Eckregelsatz für Schulkinder „keine
Ausgaben für Bildung vorgesehen“ sind.

Das Arbeitslosengeld II ist bundesweit auf 345 Euro für Alleinstehende fest-
gesetzt, Ehepaare erhalten 622 Euro, Kinder bis 14 Jahre bekommen Sozialgeld
in Höhe von 207 Euro, ältere Kinder 276 Euro. Grundlage für die Bemessung
des Existenzminimums der Kinder ist der Eckregelsatz des SGB XII, an dem
sich das SGB II orientiert. Familien, die Hartz IV beziehen, erhalten einen sog.
Regelsatz für die Lebenshaltungskosten plus Unterkunfts- und Heizungskosten.
Mit der Einführung von Hartz IV (2005) wurde der Regelsatz für alle sechs- bis
14-jährigen Schüler/innen auf 207 Euro pro Schulkind abgesenkt.

In der Verordnung zur Durchführung des § 28 des Zwölften Buches Sozial-
gesetzbuch des damaligen Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale
Sicherung – BMGS (Bundesratsdrucksache 206/04 vom 12. März 2004, S. 11)
heißt es: „Die neuen Anteile von 60 vom Hundert bzw. 80 vom Hundert des
Eckregelsatzes orientieren sich an einer wissenschaftlichen Untersuchung des
Statistischen Bundesamtes (Margot Münnich/Thomas Krebs, Ausgaben für Kin-
der in Deutschland. Berechnungen auf Grundlage der Einkommens- und Ver-
brauchstichprobe 1998, in: Wirtschaft und Statistik 12/2002, S. 1080 ff.), wo-
nach 14-jährige und ältere Kinder etwa um ein Drittel höhere Kosten als jüngere
Kinder verursachen. Mit der Neuregelung wird (…) der nach dem bisherigen
Regelsatzsystem zu große Unterschied in den Leistungen für kleine und große

Kinder (…) beseitigt.“ Doch entgegen der Darstellung des BMGS handelt die
genannte Studie nicht von Altersgruppen von 0 bis 14 und von 15 bis 18 Jahren,
sondern nur von Altersgruppen zwischen 0 und 6, 6 und 12 sowie 12 und 18 Jah-
ren. Zudem ergaben die Berechnungen des Statistischen Bundesamtes, dass die
Ausgaben für Kinder zwischen 6 und 12 Jahren etwa 20 Prozent über denen der
Altersgruppe unter 6 Jahren liegen, während die Ausgaben für Kinder zwischen

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12 und 18 Jahren sogar 50 Prozent über den Kosten der Kinder unter 6 Jahren
liegen (Münnich/Krebs 2002, a. a. O., S. 1090).

Hinzu kommt schließlich, dass in den vom Statistischen Bundesamt ermittelten
Lebenshaltungskosten für Kinder Ausgaben für die Schule nicht enthalten sind,
wonach sich die Unterschiede zwischen Kindern unter 6 und über 12 Jahren
noch erhöhen (vgl. Münnich/Krebs 2002, S. 1080). Angesichts des Sechsten
Existenzminimumberichts der Bundesregierung vom 2. November 2006 (Bun-
destagsdrucksache 16/3265) und vor dem Hintergrund der Saarländischen
Bundesratsinitiative und den bündnisgrünen Problembestimmungen besteht
dringender Klärungs- und Handlungsbedarf zur Bestimmung des Bedarfes von
Kindern.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Nach welchen Kriterien bemisst die Bundesregierung den Kindesbedarf im
SGB II und SGB XII?

2. Inwieweit werden diese Kriterien dem Verfahren zur Ermittlung des Regel-
satzes zugrunde gelegt?

3. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass der Eckregelsatz
ausschließlich von dem Haushaltstyp der Alleinstehenden abgeleitet wird?

Teilt sie die Auffassung, dass mit diesem Verfahren keine kinder- und
jugendspezifischen Bedarfe ermittelt werden können?

4. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Bundesratsinitiative des
Saarlandes eine explizite Kritik an der unzureichenden Höhe des Regelsat-
zes für Kinder und Jugendliche darstellt?

Wenn nein, warum nicht?

5. Welche Initiativen plant die Bundesregierung, um zukünftig kinder- und
jugendspezifische Bedarfe zu ermitteln, und wann werden die Regelsätze
für Kinder und Jugendliche auf ein bedarfsdeckendes Niveau angehoben?

6. Wie legitimiert die Bundesregierung die hinsichtlich des Sozialgeldes in
§ 28 SGB II Abs. 1 stattfindende Gleichsetzung von Schulkindern bis 14
Jahren und Säuglingen bei der Festsetzung der Regelsätze?

7. Welche Folgen für Schulkinder in Hartz IV sind der Bundesregierung be-
kannt hinsichtlich der steigenden Schul-, Gesundheits-, Beförderungs- und
Lebenshaltungskosten (Mehrwertsteuererhöhung)?

8. Wie erklärt sich die Bundesregierung die offensichtliche Diskrepanz zwi-
schen der Studie des Bundesamtes für Statistik und ihrer Interpretation in
der Durchführungsverordnung für § 28 SGB XII durch das BMGS?

9. Wie beabsichtigt die Bundesregierung der in § 27 Abs. 2 SGB XII festge-
haltenen Bestimmung „Bei Kindern und Jugendlichen umfasst der notwen-
dige Lebensunterhalt auch den besonderen, vor allem den durch ihre Ent-
wicklung und ihr Heranwachsen bedingten Bedarf.“ gerecht zu werden,
angesichts der Tatsache, dass es keine spezifische Bedarfsbemessung für
Kinder gibt?

10. Sieht die Bundesregierung die Bildungschancen von Kindern von Hartz-
IV- Bezieherinnen und -Bezieher beeinträchtigt und welche Maßnahmen
gedenkt sie zur Erhöhung der Bildungserfolge von Kindern aus einkom-
mensschwachen Familien zu ergreifen?

11. Welche praktischen Initiativen folgen aus der Erklärung der Bundesminis-
terin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Ursula von der Leyen,

bei der ersten Lesung des 12. Kinder- und Jugendberichts am 19. Januar

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2007, dass wir „insbesondere den Blick auf die Kinder schärfen (müssen),
die aus sozial benachteiligten Familien kommen.“ (Bundestagsdrucksache
16/77, S. 7700)?

12. Wie gedenkt die Bundesregierung dafür Sorge zu tragen, dass die Ent-
stehung des Eckregelsatzes als zentraler Stellgröße des bundesdeutschen
Sozialsystems einer transparenten Begutachtung hinsichtlich seiner Ent-
stehung und Zusammensetzung im Bundestag und im Sozialausschuss
unterzogen wird?

Berlin, den 14. Juni 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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