BT-Drucksache 16/5594

Keine U-Bootlieferung an Pakistan

Vom 13. Juni 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5594
16. Wahlperiode 13. 06. 2007

Antrag
der Abgeordneten Alexander Bonde, Winfried Nachtwei, Jürgen Trittin, Marieluise
Beck (Bremen), Volker Beck, (Köln), Dr. Uschi Eid, Thilo Hoppe, Ute Koczy, Kerstin
Müller (Köln), Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Rainder Steenblock und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Keine U-Bootlieferung an Pakistan

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Die Bundesregierung hat deutschen Rüstungsunternehmen die Genehmigung
für den Export von drei hochleistungsfähigen deutschen U-Booten an Pakis-
tan in Aussicht gestellt und das Rüstungsgeschäft durch einen sog. Hermes-
kredit in Höhe von rund 1,2 Mrd. Euro abgesichert.

Die Strategie, autoritäre Regime zu strategischen Partnern zu erklären und
mit Hilfe von Waffenlieferungen stabilisieren oder gar beeinflussen zu wol-
len, ist in den vergangenen Jahrzehnten wiederholt gescheitert. Die militäri-
sche Unterstützung von strategischen Partnern wie dem Schah im Iran oder
wie Saddam Hussein im Irak sind Beispiele für eine politisch fahrlässige und
kurzsichtige Rüstungsexportpolitik vergangener Bundesregierungen.

Angesichts der innen- wie außenpolitischen Krise in Pakistan sowie in der
gesamten Spannungsregion ist die in Aussicht gestellte Ausfuhr von Kriegs-
waffen und sonstigen Rüstungsgütern äußerst bedenklich und insgesamt nicht
zu verantworten. Rüstungswirtschaftliche Interessen dürfen nicht zum Maß-
stab deutscher Außen- und Asienpolitik werden. Das in den Einzelheiten
unbekannte Rüstungspaket soll allem Anschein nach keine Einzelfall-
entscheidung sein, sondern einen wichtigen Grundstein für den weiteren Aus-
bau der rüstungswirtschaftlichen und militärischen Zusammenarbeit mit
Pakistan und anderen Staaten der Region bilden. De facto bedeutet dies die
weitere Abkehr von einer vielbeschworenen restriktiven Rüstungsexport-
politik. Abrüstungspolitik, Menschenrechtsfragen und zivile Krisenpräven-
tionsstrategien laufen Gefahr, unter dem Deckmantel strategischer Partner-
schaft und außenwirtschaftlicher Interessen weiter an Bedeutung zu verlieren.

Der Deutsche Bundestag wurde im Vorfeld dieser außen- und friedenspoli-
tisch äußerst bedeutsamen Entscheidung weder unterrichtet noch konsultiert.

Andere Parlamente, wie z. B. der US-Congress oder das schwedische Parla-
ment, haben die Möglichkeit, die Rüstungsexportpolitik ihrer Regierungen
zu überwachen und zu beeinflussen. Angesichts der Tragweite, die strate-
gisch wichtige Rüstungsexportentscheidungen – z. B. auch für den Einsatz
von deutschen Soldaten – mit sich bringen, ist eine engere parlamentarische
Kontrolle unabdingbar.

Drucksache 16/5594 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

2. Der Export von Kriegswaffen an Staaten außerhalb der NATO und der EU ist
nach den Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung grundsätzlich ver-
boten und nur im Einzelfall und unter Berücksichtigung strenger Kriterien zu
erlauben. Auch die EU hat in ihrem Verhaltenskodex für Waffenausfuhren
Kriterien festgelegt, anhand derer die Mitgliedstaaten ihre Exportentschei-
dung auszurichten haben.

Nach den „Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von
Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ wird der Export von Kriegs-
waffen in Staaten außerhalb der EU und NATO „nicht genehmigt, es sei denn,
dass im Einzelfall besondere außen- oder sicherheitspolitische Interessen der
Bundesrepublik Deutschland unter Berücksichtigung der Bündnisinteressen
für eine ausnahmsweise zu erteilende Genehmigung sprechen. Beschäfti-
gungspolitische Gründe dürfen keine ausschlaggebende Rolle spielen.“ Der
Export „darf insbesondere nicht zum Aufbau zusätzlicher exportspezifischer
Kapazitäten führen.“

Kriegswaffenexporte an solche Drittstaaten sind nicht zu genehmigen

● „wenn die innere Lage des betreffenden Landes dem entgegensteht“,

● in Länder „die in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt sind oder
wo eine solche droht“ bzw.

● „in denen ein Ausbruch bewaffneter Auseinandersetzungen droht oder be-
stehende Spannungen und Konflikte durch den Export ausgelöst, aufrecht-
erhalten oder verschärft würden“.

Bei den Entscheidungen über Rüstungsxporte wird in den politischen Grund-
sätzen der „Beachtung der Menschenrechte im Bestimmungs- und Endver-
bleibsland … besonderes Gewicht beigemessen.“ Die Frage, inwieweit die
Sicherung des Endverbleibs gewährleistet werden kann und ob die Rüstungs-
und Militärausgaben in angemessenem Verhältnis zu den zivilen Staatsausga-
ben stehen, ist ebenfalls von Bedeutung. Berücksichtigt wird auch das Ver-
halten des Empfängerlandes im Hinblick auf:

● die Unterstützung oder Förderung des Terrorismus und der internationalen
organisierten Kriminalität,

● die Einhaltung internationaler Verpflichtungen, insbesondere des Gewalt-
verzichts,

● die Übernahme von Verpflichtungen im Bereich der Nichtverbreitung so-
wie in anderen Bereichen der Rüstungskontrolle und der Abrüstung.

3. Rüstungsexporte an Pakistan widersprechen in mehrfacher Hinsicht den
„Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegs-
waffen und sonstigen Rüstungsgütern“ sowie dem „EU-Verhaltenskodex für
Waffenausfuhren“. Das heutige Pakistan gehört zu den Staaten, die als Emp-
fänger deutscher Kriegswaffen zweifelsfrei grundsätzlich nicht in Frage
kommen.

Das von Militär und Geheimdienst kontrollierte Pakistan gehört zu den
Krisenstaaten mit erheblichen militärischen Eskalationsgefahren. Das pa-
kistanische Militär unterliegt keiner demokratischen Kontrolle und ist der
dominierende Akteur im Staate. Die positiven Beiträge, die Pakistan in der
Vergangenheit unter der Verantwortung von Armeechef und Präsident
Musharraf zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus geleistet hat,
dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass Militär, Geheimdienst und pakis-
tanische Regierung in vielen Fällen eine ambivalente Rolle einnehmen und
Teil des Problems sind.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5594

Pakistan hat in der Vergangenheit durch die Unterstützung der Taliban, isla-
mistischer und gewaltbereiter Kräfte erheblich zur Destabilisierung Afgha-
nistans und Indiens beigetragen. Die Federally Administered Areas (FATAs)
sind Rückzugsort und Rekrutierungsbasis für Al Qaida, Taliban und andere
militante radikalislamische Kräfte. Die innenpolitische Lage ist hoch explo-
siv, die gewaltsamen Auseinandersetzungen haben in den vergangenen Mo-
naten in mehreren Provinzen zugenommen. Das Land bewegt sich – wie u. a.
die Selbstmordanschläge oder der gewaltsam eskalierte Streit um die Suspen-
dierung des unabhängigen Obersten Richters zeigt – am Rande des militäri-
schen Notstands. Die Menschenrechtslage hat sich deutlich verschlechtert,
die Zahl der willkürlichen Verhaftungen und Hinrichtungen deutlich zuge-
nommen. Immer mehr Journalisten verschwinden, werden gefoltert oder er-
mordet. Die religiöse Radikalisierung und Spaltung des Landes nimmt eher
zu als ab. Präsident und Regierung sind nicht willens oder in der Lage, im ge-
samten Land das Gewaltmonopol durchzusetzen.

Pakistan war wiederholt in Kriege und bewaffnete Konflikte mit dem
indischen Nachbarn verwickelt. Kaschmir zählt heute noch zu den gefähr-
lichsten Dauerkonflikten und Spannungsregionen der Welt. Dabei wurden in
den vergangenen Jahren die Streitkräfte wiederholt in allerhöchste Alarm-
bereitschaft versetzt und auch der Einsatz von Nuklearwaffen in Erwägung
gezogen.

In kaum einem Land ist das Risiko, dass Massenvernichtungswaffen in die
Hände von Terroristen oder Fundamentalisten fallen oder an diese weiterge-
geben werden können, größer als in Pakistan. Das Land hat sich außerhalb
des nuklearen Nichtweiterverbreitungsregimes und mit Hilfe von europäi-
schem Know-how in den Besitz von Atomwaffen gebracht. Ein zumindest
halbstaatliches und weltweit agierendes Netzwerk um den Atomwissen-
schaftler A. Q. Khan hat Nuklearwaffentechnologie an Libyen, Iran und
Nordkorea weitergeliefert. Die Verantwortlichen wurden dafür nicht oder nur
halbherzig zur Rechenschaft gezogen. Die internationale Staatengemein-
schaft bzw. die IAEO hat keinen umfassenden Einblick in das pakistanische
Nuklearprogramm.

Pakistan baut angesichts der militärischen Übermacht und Aufrüstung
Indiens seine Atomwaffenfähigkeit und sein Trägerpotential weiter aus. Die
Bemühungen um eine Aufhebung der Nuklearsanktion gegenüber Indien so-
wie dessen Aufrüstungsprogramm beschleunigen diesen Prozess. Von pakis-
tanischer Seite wurde angekündigt, dass es künftig auch U-Boote als Nukle-
arwaffenträger nutzen möchte. Berichten zufolge arbeiten pakistanische
Wissenschaftler u. a. an einer atomwaffenfähigen Variante des Marschflug-
körpers Hatf VII Babur, der auch von U-Booten gestartet werden soll. Rüs-
tungsimporte sollen zum Aufbau eigener Rüstungs- und Rüstungsexport-
kapazitäten genutzt werden. Mit französischer Hilfe hat Pakistan beim
U- Bootbau in den vergangenen Jahren eigene Kapazitäten aufgebaut. Staat-
liche und halbstaatliche Stellen und Netzwerke haben Atomwaffen-, Rake-
ten- und sonstige Rüstungstechnologie u. a. an Libyen, Nordkorea und den
Iran weitergeliefert. China, das nach wie vor dem EU-Waffenembargo unter-
liegt, ist rüstungspolitisch strategischer Kooperationspartner Pakistans. Auch
mit Saudi-Arabien besteht eine äußerst enge militärische und rüstungspoli-
tische Zusammenarbeit.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die Deckungszusage und die in Aussicht gestellte Genehmigung für den Ex-
port von U-Booten an Pakistan zu widerrufen,

Drucksache 16/5594 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
2. angesichts der anhaltenden krisenhaften Entwicklung in Pakistan und dessen
Nachbarstaaten keinerlei Ausfuhren von Kriegswaffen oder sonstigen Rüs-
tungsgütern an Pakistan zu genehmigen,

3. die Mitgliedstaaten der EU über ihre ablehnende Entscheidung hinsichtlich
der Genehmigungsfähigkeit des U-Bootexports an Pakistan zu unterrichten
und im Rahmen von Konsultationen dafür zu sorgen, dass die Entscheidung
von anderen Mitgliedstaaten der EU nicht unterlaufen wird,

4. sog. Hermesbürgschaften für die Lieferung von Kriegswaffen und sonstigen
Rüstungsgütern an Bündnispartner der NATO bzw. EU erst nach vorheriger
Konsultation mit den fachpolitischen Ausschüssen des Bundestages und der
Bewilligung durch den Haushaltsaussschuss zu erteilen,

5. künftig keine Hermesbürgschaften für den Export von Kriegswaffen und
sonstigen Rüstungsgütern an Drittstaaten zu gewähren,

6. den Deutschen Bundestag bei Rüstungsexportfragen, die von erheblicher
außen- und friedenspolitischer Bedeutung sind, vorab und frühzeitig zu
konsultieren.

Berlin, den 13. Juni 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.