BT-Drucksache 16/5570

Verwertung und Entsorgung von Elektro-, Elektronikaltgeräten

Vom 8. Juni 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5570
16. Wahlperiode 08. 06. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Ute Koczy, Marieluise Beck (Bremen),
Volker Beck (Köln), Alexander Bonde, Dr. Uschi Eid, Hans-Josef Fell, Winfried
Hermann, Peter Hettlich, Bärbel Höhn, Thilo Hoppe, Dr. Reinhard Loske, Kerstin
Müller (Köln), Winfried Nachtwei, Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg),
Rainder Steenblock, Jürgen Trittin und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Verwertung und Entsorgung von Elektro-, Elektronikaltgeräten

In Deutschland werden jährlich 1,2 Mio. Tonnen Elektro- und Elektronikgeräte
zu Abfall. In diesen befinden sich wertvolle Rohstoffe wie Kupfer und Silber
sowie hochwertige Kunststoffe – aber auch giftiges Blei, Asbest und Queck-
silber. Seit dem Inkrafttreten des Elektro- und Elektronikgesetzes (ElektroG) im
März 2006 dürfen Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland ihre aus-
gedienten Elektrogeräte – vom Computer bis zum Toaster – nicht mehr in den
Restmüll werfen. Stattdessen können sie die Altgeräte bei den rund 1 500 kom-
munalen Sammelstellen kostenlos abgeben. Die Rücknahme und Entsorgung
der aus den privaten Haushalten gesammelten Geräte ist Aufgabe der Her-
steller. Auf der Basis des Ausstattungsgrades von Haushalten in einzelnen
Produktkategorien sowie der durchschnittlichen Nutzungszeit von Elektro-
geräten geht man davon aus, dass es in Deutschland ein Rückholpotenzial von
maximal 1,2 Mio. Tonnen gibt. Dies entspricht knapp 15 kg pro Einwohnerin
und Einwohner pro Jahr (EW/a).

Seit dem Inkrafttreten des ElektroG ist inzwischen mehr als ein Jahr vergangen
und die ersten Erfahrungen zu Sammlung und Verwertung liegen vor. Daraus
ergeben sich Fragen hinsichtlich der Umsetzung des ElektroG und des Voll-
zuges. Offene Fragen gibt es u. a. hinsichtlich der Behandlung von Kühlmitteln
aus Kühlgeräten. So gibt es derzeit unterschiedliche Auffassungen darüber, ob
Kohlenwasserstoffe aus Altkühlgeräten vollständig entnommen und dann als
solche beseitigt oder verwertet werden müssen oder ob diese umweltrelevanten
Substanzen (z. B. im Rahmen eines Shredder-Prozesses) in die Umwelt emit-
tiert werden dürfen. Das absolute Entfernungsgebot im ElektroG bezieht sich
explizit nur auf Flüssigkeiten (§ 11 ElektroG, Behandlung, bzw. Artikel 6
Abs. 1 Unterabsatz 1 der WEEE Directive). Bei dem jedoch ebenfalls vielfach
in Kühlgeräten verwendeten Kühlmittel Cyclopentan, gibt es derzeit unter-
schiedliche Ansichten ob dieses als Flüssigkeit im Sinne der Richtlinie zu be-
trachten ist. Erschwerend kommt hinzu, dass viele Anbieter von Kühlgeräten

mit Cyclopentan diese nicht kennzeichnen oder Aufkleber anbringen, die sich
relativ schnell ablösen. Werden diese Cyclopentanhaltigen Geräte in der Be-
handlung nicht rechtzeitig erkannt, kann es zu Bränden und Explosionen in den
Anlagen der Kühlgeräte-Recycler kommen. Darüber hinaus ist der Kontakt mit
Pentan mit Gesundheitsgefahren verbunden.

Drucksache 16/5570 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Weitere Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Umsetzung des ElektroG
ergeben sich hinsichtlich der Möglichkeit des Exportes von Elektro- und Elek-
tronikaltgeräten in Entwicklungsländer. Die Baseler Konvention erlaubt zwar
den Export von Altgeräten zur Wiederverwendung, Fachzeitschriften wie
RECYCLING magazin (Ausgabe 3/2007) weisen aber darauf hin, dass es klare
Hinweise auf den illegalen Export von Elektronik-Schrott gibt. So werden zum
Beispiel alte Computer unter dem Vorwand der erneuten Verwendung – als
„Gebrauchtgeräte zur Wiederverwendung“ – in Entwicklungsländer gebracht.
Ein solcher Export ist wirtschaftlich sehr lukrativ, da die fachgerechte Abfall-
behandlung in Industrieländern meist teurer ist und insbesondere die schnelle
Zunahme an Elektronikschrott durch die weitere Verbreitung und gleichzeiti-
gen Kurzlebigkeit von Elektronikgeräten wie Mobiltelefonen und Computern,
das Abfallaufkommen stetig erhöht.

Den Importländern mit ihren häufig schwachen staatlichen Institutionen fehlen
dagegen die technologischen Kapazitäten und das notwendige Know-how, um
mit giftigen Abfallimporten sachgemäß umzugehen. Hinzu kommen schwache
staatliche Strukturen, Demokratiedefizite und eine allgegenwärtige Korruption,
die gesicherte staatliche Kontrollen zum Schutz der Bevölkerung unmöglich
machen. Neben asiatischen Ländern (China, Sri Lanka, Indien) gilt auch
Nigeria als ein Ziel für „unerlaubt ausgeführte Mengen an E-Schrott.“ In Lagos,
so der Bericht „The Digital Dump“ von BAN (Oktober 2005), landen schät-
zungsweise jede Woche ca. 500 Container mit 400 000 gebrauchten Computern
an. Es ist davon auszugehen, dass der Inhalt kaum wieder verwendet wird,
sondern vielfach auf ungesicherten Deponien landet oder ohne professionelle
Vorsichtsmaßnahmen teilweise demontiert wird (siehe dazu auch Bundestags-
drucksache 16/3422, Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage
von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Gefährliche Müllexporte in Entwicklungs-
länder – Folgen und Lösungsansätze“.)

Wir fragen die Bundesregierung:

Aufkommen und Entsorgungskapazitäten von Elektro- und Elektronikschrott

1. Wie viele Tonnen Elektro- und Elektronikschrott fallen in Deutschland jähr-
lich an (bitte nach Typ aufschlüsseln)?

2. Wie viel Elektro- und Elektronikschrott wird in Deutschland jährlich gesam-
melt?

3. Wie hoch sind die Kapazitäten in Deutschland zur fachgerechten Verwertung
oder Entsorgung von Elektro- und Elektronikschrott, und wie viele Tonnen
elektronische oder elektrische Altgeräte aus Deutschland werden pro Jahr
auch in Deutschland fachgerecht entsorgt (bitte nach Typ aufschlüsseln)?

4. Betrachtet die Bundesregierung die in Deutschland vorhandenen Entsor-
gungs- und Verwertungskapazitäten als ausreichend?

Wie verhält sich vor allem die Menge an gesammelten Altkühlgeräten zu
den in Deutschland vorhandenen Entsorgungskapazitäten in diesem Be-
reich?

5. Wie viel Elektronikschrott wird aus Deutschland in andere Länder (EU und
weltweit) exportiert (bitte nach Typ der Geräte und Ländern aufschlüsseln)?

Welche Informationen liegen der Bundesregierung in diesem Zusammen-
hang vor allem hinsichtlich der der Entsorgung von Altkühlgeräten in den
Ländern Afrikas und Asiens vor?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5570

6. Wie viele und welche elektronischen Altgeräte aus anderen Ländern (EU
und weltweit) werden in Deutschland fachgerecht entsorgt?

Werden in Deutschland insbesondere auch Kühlgeräte aus anderen Län-
dern entsorgt?

Wenn ja, um wie viele Geräte aus welchen Ländern handelt es sich dabei,
und warum werden diese nicht in den Herkunftsländern entsorgt?

7. Wie weit sind andere EU-Länder in der Umsetzung der Richtlinie 2002/
96/EG über Elektro- und Elektronik-Altgeräte und der Richtlinie 2002/95/
EG zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in
Elektro- und Elektronikgeräten?

8. Wie tauschen sich die Länder der Europäischen Union Informationen be-
züglich des in ihren jeweiligen Ländern anfallenden Elektro- und Elektro-
nikschrotts und der jeweils vorhandenen Kapazität zur Entsorgung aus?

Entsorgungs- und Verwertungsproblematik speziell bei Kühlgeräten

9. Welche Position nimmt die Bundesregierung zur Frage der Pflicht zur Ent-
fernung aller Kohlenwasserstoffe aus Altkühlgeräten ein (§ 11 ElektroG,
Behandlung, Annex II Nr. 1 Spiegelstrich 9, WEEE Directive)?

10. Inwieweit unterstützt die Bundesregierung die Auffassung, dass Cyclo-
pentan als Flüssigkeit anzusehen ist und daher auch aus allen Altkühl-
geräten entfernt werden muss?

Wenn nein, auf welche rechtliche Grundlagen stützt sich diese Auffassung?

11. Welche Maßnahmen erachtet die Bundesregierung als notwendig, um die
für das Jahr 2010 geschätzte jährliche Fracht von 2 500 000 kg Kohlen-
wasserstoffen aus Altkühlgeräten zu kontrollieren und zu entsorgen?

Vollzug des ElektroG

12. Ist nach Auffassung der Bundesregierung sichergestellt, dass vor allem
Geräte, die vor dem 13. August 2005 in den Verkehr gebracht wurden, ord-
nungsgemäß entsorgt werden?

13. Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele vor allem kleine Elektro- und
Elektronikaltgeräte nach wie vor über den Hausmüll entsorgt werden?

Wie will die Bundesregierung die Situation ggf. verbessern?

Gibt es entsprechende Kontrollen, und wer ist für diese zuständig?

14. Ist nach Ansicht der Bundesregierung sichergestellt, dass die Hersteller die
einzelnen Stoffe aus Elektronikgeräten ordnungsgemäß entsorgen?

15. Betrachtet die Bundesregierung die vorhandenen Regelungen bezüglich der
Kontrollen und Nachvollziehbarkeit der Entsorgungswege als insgesamt
ausreichend?

16. Gibt es von Seiten der Bundesregierung Überlegungen, einen zertifizierten
Wertstoffverwertungsnachweis einzuführen?

Wenn nein, durch welche anderen Mechanismen will die Bundesregierung
sicherstellen, dass Wertstoffe ordnungsgemäß verwertet werden?

17. Wie wird angesichts der hohen Menge von anfallendem Elektronikschrott
gewährleistet, dass gemäß der europäischen Abfallverbringungsverord-

nung exportiert wird?

Drucksache 16/5570 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Exporte von Elektro- und Elektronikaltgeräten unter dem Vorwand der Wieder-
verwendung

18. Ist der Bundesregierung bekannt, wie viel Elektro- und Elektronikschrott
als „Altgeräte zur Wiederverwendung“ exportiert werden (bitte nach Art
und Bestimmungsländern aufschlüsseln)?

19. Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Geräte davon tatsächlich wieder-
verwendet werden und welche lediglich auf diese Wiese entsorgt werden?

Wie beurteilt die Bundregierung diese Zahlen, und gibt es eine Kontrolle,
ob exportierte Altgeräte tatsächlich wiederverwendet werden, und wer ist
dafür zuständig?

20. Sieht die Bundesregierung die Kapazitäten von Ländern in Afrika, Asien
und Lateinamerika zur fachgerechten Entsorgung von Elektronikschrott für
ausreichend an (bitte nach Ländern aufschlüsseln)?

21. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, zu verhindern, dass die
Einstufung von Altgeräten „zur Wiederverwendung“ eingesetzt wird, um
illegal Material zu exportieren?

22. Werden die Verantwortlichen (Hersteller, Exporteure) strafrechtlich ver-
folgt, wenn festgestellt wird, dass die Altgeräte nicht wiederverwendet,
sondern lediglich entsorgt werden?

Wer ist dafür zuständig?

23. Hält die Bundesregierung die vorhandenen Möglichkeiten zur Kontrolle
und Verfolgung der für illegale Exporte verantwortlichen Hersteller für
ausreichend?

24. Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, die Basler Konvention be-
züglich der Bestimmungen zum Export von „Altgeräten zur Wiederver-
wendung“ zu überarbeiten?

Wenn ja, setzt die Bundesregierung sich in Vertragsstaatenkonferenzen für
eine solche Überarbeitung ein, und wie gestalten sich ihre Anstrengungen
in dieser Hinsicht?

Wenn nein, warum nicht?

25. Welche anderen Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, den illegalen
Export von Elektronikschrott in Entwicklungs- und Schwellenländer zu be-
enden oder zumindest zu begrenzen?

Berlin, den 8. Juni 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.