BT-Drucksache 16/5511

Lokale Aktionspläne und Kriseninterventionen - eine Bewertung der Zusammenarbeit von Bund und Ländern im Kampf gegen den Rechtsextremismus

Vom 25. Mai 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5511
16. Wahlperiode 25. 05. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Monika Lazar, Irmingard Schewe-Gerigk, Volker Beck (Köln),
Grietje Bettin, Kai Gehring, Silke Stokar von Neuforn, Hans-Christian Ströbele,
Wolfgang Wieland, Josef Philip Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Lokale Aktionspläne und Kriseninterventionen – eine Bewertung der Zusammen-
arbeit von Bund und Ländern im Kampf gegen den Rechtsextremismus

2007 starteten zwei neue Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus:
„Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie – gegen Rechtsextremismus,
Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ (19 Mio. Euro/Jahr) und „Förde-
rung von Beratungsnetzwerken – Mobile Intervention gegen Rechtsextremis-
mus“ (5 Mio. Euro/Jahr).

In beiden Programmen sollen staatliche Strukturen stärker als bisher Verant-
wortung im Kampf gegen den Rechtsradikalismus übernehmen. Die Neuaus-
richtung der Mittelvergabe kann dazu führen, dass die gesammelten Erfahrun-
gen bewährter zivilgesellschaftlicher Initiativen unberücksichtigt bleiben,
während staatliche Akteure, in ihre neue Aufgabe erst hineinwachsen müssen.
Erste Reaktionen aus den vergangenen Monaten der Umsetzung der Programm-
arbeit zeigen leider, dass das Zusammenwirken staatlicher und nichtstaatlicher
Akteure in vielen Fällen nicht funktioniert bzw. die notwendige Zusammen-
arbeit seitens öffentlich-rechtlicher Stellen nicht immer angestrebt wird.

Besonders gefährdet ist die Arbeit gegen Rechtsextremismus in Regionen, in
denen das Handeln von kommunalen Verantwortlichen Weitblick und Sensibili-
tät für die Problematik vermissen lassen. Ein bestürzendes aktuelles Beispiel
vom April 2007 ist das Treffen des Landrats Dr. Gerhard Gey (CDU) aus
Grimma (Sachsen) mit jungen Aktivisten aus dem NPD-Umfeld. Der Landrat
empfing die rechtsextreme Delegation direkt in seinem Amtssitz und wertete
ihre politische Ideologie damit auf. Dass er ihnen – wie danach in einer NPD-
Pressemitteilung behauptet – Geld aus dem Neunzehn-Millionen-Programm
des Bundes gegen Rechts in Aussicht stellte, hat er mittlerweile öffentlich
bestritten. Dass er jedoch den Anspruch der „Toleranz“ ziemlich naiv auch auf
Verfassungsfeinde anwendet, ist offensichtlich.

Dieser aktuelle Vorfall und die sich nach ersten Erfahrungen abzeichnende Ver-
nachlässigung der bisher zu Recht geförderten Arbeit aus der Zivilgesellschaft
heraus werfen die Frage nach der Kontrolle und Überwachung der Programm-

mittel durch den Bund auf.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Auf welche Weise stellt die Bundesregierung sicher, dass die Mittel aus den
Bundesprogrammen gegen Rechtsextremismus von den Kommunen sachge-
recht verwendet bzw. verteilt werden?

Drucksache 16/5511 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
2. Wie kann die Bundesregierung verhindern, dass Länder und Kommunen
Zuweisungen aus den Programmen verwenden, um damit fehlende Mittel
in der Jugendhilfe zu kompensieren?

3. Wie definiert die Bundesregierung im Programm „Förderung von Bera-
tungsnetzwerken“ den Begriff der „Krise“, welche eine Intervention not-
wendig macht?

4. An welche verbindlichen Richtlinien sind die Bundesländer bei der Aus-
gestaltung von Kriseninterventionen gebunden?

5. Auf welche Weise wird innerhalb des in Frage 4 angesprochenen Gestal-
tungsspielraums auf die spezifischen Probleme in den einzelnen Ländern
Rücksicht genommen?

6. Welche Präventionsmaßnahmen gegen Rechtsextremismus sind aus Sicht
der Bundesregierung im Rahmen des Programms „Förderung von Bera-
tungsnetzwerke“ möglich?

7. Mit welchen Instrumenten stellt die Bundesregierung sicher, dass eine
Verzahnung zwischen beiden Bundesprogrammen stattfindet, damit sich an
eine gelungene Krisenintervention (Fünf-Millionen-Programm) ein Be-
gleitprozess anschließt mit dem Ziel, durch Prävention künftigen Krisen
vorzubeugen?

8. Auf welche Weise wird die Bundesregierung verhindern, dass mit dem
Einrichten von Coachingstrukturen für Lokale Aktionspläne innerhalb des
Programms „Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie Doppelstruk-
turen zu den Angeboten der mobilen Beratungsteams (MBT) entstehen?

9. Gab es im Rahmen des Programms „Förderung von Beratungsnetzwerken“
eine Ausschreibung der „Zentralstelle“?

a) Falls nein, aus welchen Gründen nicht?

Hätte nach geltenden Richtlinien und Gesetzen des Bundes und/oder
der EU die Vergabe der Zentralstelle ausgeschrieben werden müssen?

b) Falls ja, wo wurde die Zentralstelle ausgeschrieben, wann begann die
Ausschreibung und wie waren die Bewerbungsfristen?

Wer bewarb sich auf die Ausschreibung?

Was gab den Ausschlag dafür, dass die Stiftung Demokratische Jugend
den Zuschlag bekam?

Wann wurde von wem entschieden, dass die Stiftung Demokratische
Jugend den Zuschlag bekam?

10. Fließen Evaluations-Ergebnisse der Vorläuferprogramme (vor allem Civi-
tas) in die Umsetzung der neuen Programme ein?

Falls ja, in welche konkreten Maßnahmen?

Falls nein, aus welchen Gründen nicht?

Berlin, den 25. Mai 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.