BT-Drucksache 16/5424

Besondere Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nach EU-Kompromiss sicherstellen

Vom 23. Mai 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5424
16. Wahlperiode 23. 05. 2007

Antrag
der Abgeordneten Grietje Bettin, Volker Beck (Köln), Ekin Deligöz, Kai Gehring,
Katrin Göring-Eckardt, Britta Haßelmann, Priska Hinz (Herborn), Krista Sager,
Josef Philip Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Besondere Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nach EU-Kompromiss
sicherstellen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Ein EU-Beihilfeverfahren bezüglich des Finanzierungssystems des öffentlich-
rechtlichen Rundfunks in Deutschland ist nach offizieller Bekanntgabe der EU-
Kommission vom 24. April 2007 zunächst abgewendet. Der Deutsche Bundes-
tag begrüßt den zwischen der EU-Kommission und der Bundesregierung erziel-
ten Kompromiss. Dieser garantiert auch in Zukunft ein Fortbestehen des öffent-
lich-rechtlichen Rundfunks auf Basis der Gebührenfinanzierung. Eine verläss-
liche öffentliche Finanzierung ist für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstal-
ten zwingende Grundlage ihrer Existenz.

Der Deutsche Bundestag sieht in dem erzielten Kompromiss zahlreiche Verbes-
serungen gegenüber dem bestehenden Zustand: Für neue oder veränderte digi-
tale Angebote sollen Prüfverfahren eingeführt werden, an denen die Rundfunk-
gremien stärker beteiligt werden sollen; Sportangebote sollen im gleichen Um-
fang wie bisher möglich sein; die bisherige, im Rundfunkstaatsvertrag festge-
legte 0,75-Prozent-Deckelung der Ausgaben für Onlineangebote kann entfallen;
öffentlich finanzierte und kommerzielle Tätigkeiten sollen strikter voneinander
getrennt werden.

Zugleich sieht der Deutsche Bundestag in einigen Punkten Gefahren für den
öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland, vor allem in den Bereichen
Staatsferne und Programmautonomie: Die Länder sollen über die Zulassung
neuer digitaler Angebote durch eine rechtsaufsichtliche Prüfung mitentscheiden
dürfen. Es ist nicht auszuschließen, dass dann Standortinteressen der Länder
Rundfunkentscheidungen beeinflussen. Außerdem können neue digitale Ange-
bote unter Umständen nicht mehr möglich sein, sofern sie in Umfang und Qua-
lität vorhandenen, frei zugänglichen Angeboten entsprechen.

Der Deutsche Bundestag sieht in solchen Szenarien die Unabhängigkeit und Zu-
kunftsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland gefährdet.
Marktzugänge dürfen nicht durch die privaten Rundfunkveranstalter abgeschnit-
ten werden. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland bezieht seine Le-
gitimation auch daraus, dass er ein vielfältiges, auch moderne Plattformen nut-
zendes Programm für alle Bürgerinnen und Bürger anbietet. Der Deutsche Bun-
destag erkennt die Sonderstellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in
Deutschland an und appelliert an die Entscheidungsträger bei der anstehenden
Umsetzung des EU-Kompromisses, diese Besonderheiten zu berücksichtigen.

Drucksache 16/5424 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. bei der Umsetzung des Kompromisses gegenüber der EU-Kommission deut-
lich zu machen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland eine
besondere, verfassungsrechtlich garantierte Stellung einnimmt, die über die
Betrachtung als ein bloßes Wirtschaftsgut hinausgeht;

2. sich gegenüber den Bundesländern dergestalt einzusetzen,

a) dass auch in Zukunft der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland
angemessen über Gebühren finanziert wird,

b) dass die derzeitige Erhebung der Rundfunkgebühr durch ein zeitgemäßes,
nicht mehr an Rundfunkgeräte gebundenes Gebührenmodell ersetzt wird,

c) dass bei der Konkretisierung des Auftrages der öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten auch neue und veränderte digitale Programmangebote
nicht auf eine Minimalversorgung zurechtgestutzt werden, sondern deut-
lich zu machen, dass der dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk vom Bun-
desverfassungsgericht zugewiesene Grundversorgungsauftrag mehr als
eine Minimalversorgung umfasst, der auch für digitale Angebote zu gelten
hat,

d) dass bei der Umsetzung des Kompromisses die verfassungsrechtlich ga-
rantierte Programmautonomie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in
Deutschland unangetastet bleibt und die Bundesländer ein möglichst
staatsfernes Verfahren entwickeln, mit dem sie die Zulässigkeit neuer Pro-
grammangebote prüfen können,

e) dass bei der Umsetzung des Kompromisses eine deutliche Abgrenzung
zwischen einer rein rechtsaufsichtlichen Prüfung neuer oder veränderter
digitaler Programmangebote und einer inhaltlichen Prüfung vorgenom-
men wird, um die Gefahr abzuwenden, dass die Länder neue Program-
mangebote aus inhaltlichen Gründen ablehnen können. Eine inhaltliche
Prüfung soll allein den Rundfunkgremien vorbehalten sein,

f) dass bei der Umsetzung des Kompromisses dafür Sorge getragen wird,
dass die Mitglieder der Rundfunkgremien auf ihre neuen Aufgaben vorbe-
reitet und entsprechend geschult werden.

Berlin, den 23. Mai 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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