BT-Drucksache 16/5351

Rente ab 67- Ausnahmeregelung

Vom 11. Mai 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5351
16. Wahlperiode 11. 05. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Klaus Ernst, Volker Schneider (Saarbrücken), Dr. Lothar Bisky,
Dr. Martina Bunge, Diana Golze, Katja Kipping, Elke Reinke, Dr. Ilja Seifert,
Frank Spieth, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Rente ab 67 – Ausnahmeregelung

Auf Drängen der CDU/CSU-Fraktion ist in den Gesetzesentwurf zur Anhebung
der Regelaltersgrenze auf 67 (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) eine neue
Rentenart eingeführt worden. Diese Rente für besonders langjährig Versicherte
(45er-Regel) soll „Versicherte mit außerordentlich langjähriger – nicht selten
belastender – Berufstätigkeit“ (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) privilegie-
ren. Der im Gesetzestext benannte Zusammenhang existiert so nicht, wie zum
Beispiel der BDA in seiner Stellungnahme feststellt: „Insbesondere kann der
bloße Umstand, die vorgeschriebene Wartezeit von 45 Jahren erfüllt zu haben,
kaum als Maßstab für eine ‚besonders belastende Berufstätigkeit‘ gewertet
werden“ (Ausschussdrucksache 16(11)548). Die Deutsche Rentenversicherung
Bund spricht gar von einer „Umverteilung zu Lasten von Frauen, Arbeitslosen,
Erwerbsgeminderten sowie Versicherten mit lückenhaften Versicherungsver-
läufen“ (Ausschussdrucksache 16(11)545). Und weiter stellt sie fest, dass „re-
gelmäßig – zumeist männliche – Versicherte“ privilegiert werden, wenn diese
„keine Tätigkeit ausgeübt haben, die zu einer vorzeitigen Erwerbsminderung
führte“, also eben nicht übermäßig belastenden Berufen nachgehen. Der sich
daraus ergebende gleichstellungspolitisch relevante Umstand einer mittelbaren
Diskriminierung von Frauen widerspricht europäischer und deutscher Rechts-
lage (vgl. Ausschussdrucksache16(11)572, 16(11)574 und 16(11)577).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass nahezu alle Sachver-
ständigen in der Anhörung zum RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz des Aus-
schusses für Arbeit und Soziales am 26. Februar 2007 zu dem Ergebnis kom-
men, dass die Rente für besonders langjährig Versicherte gerade nicht den
besonders belasteten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zugute kommt,
wie die Koalitionsparteien wiederholt als Begründung angeführt haben?

2. Sieht die Bundesregierung in der Rente für besonders langjährig Versicherte
eine Umverteilung von den Geringverdienenden zu den Besserverdienenden
gegeben, wenn sie die Zugangstatistiken der Deutschen Rentenversicherung

zur Kenntnis nimmt, die ausweisen, dass im Wesentlichen nur Personen mit
überdurchschnittlichem Verdienst auf 45 Beitragsjahre kommen und damit
in den Genuss dieser Begünstigung kommen?

3. Wie schätzt die Bundesregierung die zukünftige Entwicklung darüber ein,
wie viele Personen und welche Berufsgruppen auf 45 Beitragsjahre (nach
Maßgabe des vorliegenden Entwurfs über die Rentenart für besonders lang-

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jährig Versicherte) kommen werden, wenn diese im Jahr 2020, 2025 und
2030 in Rente gehen werden (getrennt nach Ost- und Westdeutschland)?

4. Wie beurteilt die Bundesregierung die Situation einer Person, die im Jahr
2030 im Alter von 64 Jahren und 6 Monaten erwerbslos wird, aber bereits
45 Beitragsjahre aufzuweisen hat, unter Berücksichtigung der Ausnahme-
regelung für „besonders langjährig Versicherte“ (die 45 Beitragsjahre sind
im Sinne dieser Regelung gültig) mit besonderem Augenmerk auf die Ab-
schläge, die sich zu diesem Zeitpunkt und ein halbes Jahr später ergeben
würden?

Wie würde sich die Situation darstellen, wenn eine solche Person im Jahr
2030 vor Vollendung des 63. Lebensjahres mit 45 Beitragsjahren erwerbslos
würde?

5. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass zwischen der Rentenart für lang-
jährig Versicherte sowie der Rentenart für besonders langjährige Versicherte
der zentrale Unterschied besteht, dass bei ersterer versicherungsmathema-
tische Abschläge bei vorzeitiger Inanspruchnahme fällig werden, die einen
Ausgleich für die längere Bezugsdauer darstellen, während es solche Ab-
schläge bei der Rente für besonders langjährig Versicherte nicht gibt?

Wenn ja, warum nutzt die Bundesregierung diese Begründung zur Rechtfer-
tigung der Rente für besonders langjährige Versicherte?

Wenn nein, wie kommt die Bundesregierung zu dieser Einschätzung, die den
Stellungnahmen praktisch aller Sachverständigen, die auf der Anhörung des
Ausschusses für Arbeit und Soziales am 26. Februar 2007 zum RV-Alters-
grenzenanpassungsgesetz zu diesem Punkt Stellung bezogen haben, entge-
gensteht?

6. Wie begründet die Bundesregierung die Regelung, dass die Rente für beson-
ders langjährig Versicherte nicht vorzeitig in Anspruch genommen werden
kann?

Steht dies nicht im Widerspruch dazu, langjährig Versicherte zu privilegie-
ren, wenn diese dann ungleich behandelt werden, wenn eine Person zum
Beispiel mit 20 Jahren, eine andere aber bereits mit 16 Jahren zu arbeiten be-
gonnen hat, und beide 45 Jahre durchgängig beschäftigt sind?

7. Stimmt die Bundesregierung zu, dass die Einschränkung bei der Rente für
besonders langjährig Versicherte auf diejenigen, die das 65. Lebensjahr voll-
endet haben, der Gesetzesbegründung entgegen stehen, die fordert Ver-
sicherte mit „entsprechend langer Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen
Rentenversicherung“ zu privilegieren?

8. Wie schätzt die Bundesregierung die Verfassungsmäßigkeit der Rente für
besonders langjährig Versicherte ein, insbesondere wenn sie die Stellung-
nahme des Deutschen Juristinnenbundes Ausschussdrucksache 16(11)577
berücksichtigt?

Und wie begründet sie ihre Einschätzung?

Berlin, den 11. Mai 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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