BT-Drucksache 16/5333

Die Iran-Politk der Bundesregierung

Vom 10. Mai 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5333
16. Wahlperiode 10. 05. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln), Jürgen Trittin, Volker Beck (Köln),
Omid Nouripour, Marieluise Beck (Bremen), Alexander Bonde, Dr. Uschi Eid,
Thilo Hoppe, Ute Koczy, Winfried Nachtwei, Claudia Roth (Augsburg),
Rainder Steenblock und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Iran-Politik der Bundesregierung

Seit dem Ende der letzten direkten Verhandlungsrunden steigt die Sorge um den
Streit über das iranische Atomprogramm. Iran hat über Jahre IAEA-Bestim-
mungen verletzt, beharrt aber auf dem Recht der friedlichen Anreicherung
gemäß NVV. Die internationale Gemeinschaft streitet dies nicht ab, erhebt aber
die Forderung nach einem Anreicherungsstopp vor Gesprächen über das im
Juni 2006 vorgelegte Verhandlungsangebot.

Nach mehreren Aufforderungen an Iran hat sich die internationale Gemein-
schaft entschlossen, mit Sanktionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen
zu versuchen, ein iranisches Einlenken zu erreichen. Im Dezember 2006 (Reso-
lution 1737) und März 2007 (Resolution 1747) wurden begrenzte Sanktionen
beschlossen. Die iranische Regierung hat ausgeschlossen, dass mit Druck eine
Änderung ihrer Haltung erfolgt. Stattdessen droht sie mit einer Kündigung der
bis jetzt noch bestehenden Zusammenarbeit mit der IAEA und hat zuletzt
weitere Fortschritte in der industriellen Anreicherung verkündet. Allerdings gab
es auch innerhalb der politischen Elite und in der Gesellschaft teils offene Kritik
an der staatlichen Iranpolitik.

Bundesregierung und EU haben mehrfach erklärt, dass trotz der Sanktionen die
„Tür zu Verhandlungen offensteht“. Insbesondere die EU hat den Erfolg in der
Vergangenheit in einer „Double track“-Strategie gesehen: Neben Sanktionen
und Druck soll der Dialog aufrecht gehalten werden; die Sanktionen sollen zu-
dem erklärtermaßen nicht die Bevölkerung treffen und die Entwicklung der
Zivilgesellschaft beeinträchtigen. Durch eine einseitige Politik der Isolation
droht sich der Erfolg in Form eines Schulterschlusses mit den Hardlinern der
iranischen Regierung ins Gegenteil zu verkehren.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche konkreten Maßnahmen und Projekte im Iran bzw. in Kooperation
mit iranischen Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen unterstützt

die Bundesregierung bilateral bzw. auf Ebene der EU?

2. In welcher Form setzt sie sich nach der Suspendierung des Menschen-
rechtsdialogs für die Menschenrechte im Iran ein, und in welcher Form un-
terstützt sie die Aktivistinnen und Aktivisten, Journalistinnen und Journalis-
ten, Bloggerinnen und Blogger etc. in und außerhalb des Irans?

Sieht die Bundesregierung derzeit ein Interesse bzw. die Bereitschaft zur
Wiederaufnahme des Dialogs, und wie bewertet sie ggf. diese Signale?

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3. In welcher Weise setzt sich die Bundesregierung für eine breite zivilgesell-
schaftliche Verknüpfung zwischen Iran und der Bundesrepublik Deutsch-
land ein, beispielsweise durch Anstoß von Initiativen für Städtepartnerschaf-
ten, Schul- und Universitätsaustauschen, Stipendienprogrammen usw.?

Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung bisher zur Förderung der ein-
zig vorhandenen deutsch-iranischen Städtepartnerschaft (Freiburg-Isfahan)
ergriffen?

4. Wie fördert die Bundesregierung den Austausch mit Iran im Bildungs-,
Kultur- und Wissenschaftsbereich?

a) Wie hat sich insgesamt die Anzahl der Visumsanträge und -genehmigun-
gen iranischer Staatsbürger für die Einreise in die Bundesrepublik seit
2000 entwickelt?

Wie viele Visumsanträge wurden für die Einreise zum Studium gestellt,
wie viele davon genehmigt?

b) Wie hoch ist derzeit die Anzahl iranischer Studentinnen und Studenten an
deutschen Hochschulen?

c) Welche Stipendien und Programme existieren zur Förderung iranischer
Studentinnen und Studenten?

d) Welche Aktivitäten fördert die Bundesregierung im Zusammenhang mit
Iran im Bereich der Medien/Ausbildung von Journalistinnen und Journa-
listen (z. B. Deutsche Welle), und welchen finanziellen Umfang haben
diese?

Inwieweit besteht dabei eine Kooperation mit staatlichen und nichtstaat-
lichen iranischen Medien?

e) Welchen Umfang hat das Engagement des Goethe-Instituts und anderer
Mittlerorganisationen im Bereich der auswärtigen Kulturarbeit mit Iran?

Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten für zukünftige Präsenzen (z. B.
Goethe-Dialogpunkt, Außenstellen mit Ortskräften, etc.) im Land bzw.
werden Gespräche darüber geführt?

Gibt es offizielle Gespräche über Möglichkeiten zur Einrichtung von
Repräsentanzen der politischen Stiftungen?

f) Gibt es im Rahmen des vom Auswärtigen Amtes geförderten „euro-
päisch-islamischen Kulturdialogs“ Projekte im Zusammenhang mit Iran?

Wer sind die Hauptzielgruppen des Islamdialogs mit Iran?

5. Wie versucht die Bundesregierung innerhalb der EU während der Präsident-
schaft aktiv Verhandlungsstränge zu beleben und Spielräume in der irani-
schen Führung zu nutzen, wo sie sich aufgrund der Sanktionen ergeben?

6. Welche Partner hat die Bundesregierung auf Seiten der iranischen Zivil-
gesellschaft, und mit welchen Organisationen wird direkt oder über Mittler
ein regelmäßiger Austausch gepflegt?

7. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über

a) die Situation in Iran hinsichtlich der Gewährleistung von Religions- und
Glaubensfreiheit, einschließlich der Möglichkeit eines Religions- bzw.
Glaubenswechsels für die einzelnen Religions- und Glaubensgemein-
schaften,

b) den Status der Mitglieder der Baha’i in Iran, welchen Verfolgungen und
Diskriminierungen sind sie ausgesetzt,

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5333

c) die soziale, rechtliche und politische Situation der ethnischen Minder-
heiten in den verschiedenen Landesteilen,

d) die Vollstreckung von Todesurteilen gegen Homosexuelle, die ihr bei
Beantwortung der Großen Anfrage von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
„Zur Lage der Menschenrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und
Transgender“ (Bundestagsdrucksache 16/2084) noch nicht vorlagen?

Gibt es Hinweise darauf, dass Iran versucht, die Verfolgung von Homo-
sexuellen durch die Verbindung mit der angeblichen Begehung anderer
Delikte aus der internationalen Kritik herauszuhalten?

8. In welcher Weise unterstützt die Bundesregierung in Iran aufgrund politi-
scher, ethnischer oder anderer Grundlage Verfolgte?

a) Wie viele Iraner haben sich wegen politischem Verfolgungsdruck direkt
oder indirekt an die deutsche Botschaft in Teheran gewandt?

b) Welche Unterstützung gewährt die Botschaft und das Auswärtige Amt in
diesen Fällen?

c) Findet in der Frage der Unterstützung eine Koordination zwischen den
Vertretungen der EU-MS statt, und gibt es gemeinsame Ansätze um rasche
Hilfe gewährleisten zu können?

d) Wie haben sich seit 2000 die Zahlen iranischer Asylantragsteller in der
Bundesrepublik Deutschland entwickelt, wie hoch sind die Anerken-
nungsquoten?

e) Zu welchen Menschenrechtsverletzungen im Iran hat sich die Bundes-
regierung in letzter Zeit geäußert, und in welcher Form?

f) Wie werden diese bei bilateralen Gesprächen thematisiert?

9. Welche geschäftlichen Kontakte deutscher oder anderer EU-Unternehmen
mit iranischen religiösen Stiftungen sind der Bundesregierung bekannt?

Welches Finanzvolumen hatten im Jahr 2006 diese Geschäfte?

Sind Geschäfte mit iranischen religiösen Stiftungen genehmigungspflichtig
im Sinne des Außenwirtschaftsgesetzes?

Berlin, den 10. Mai 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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