BT-Drucksache 16/5249

Unternehmen leistungsgerecht besteuern - Einnahmen der öffentlichen Hand stärken

Vom 9. Mai 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5249
16. Wahlperiode 09. 05. 2007

Antrag
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost, Werner Dreibus, Ulla Lötzer,
Kornelia Möller, Dr. Herbert Schui, Sabine Zimmermann, Oskar Lafontaine und der
Fraktion DIE LINKE.

Unternehmen leistungsgerecht besteuern – Einnahmen der öffentlichen Hand
stärken

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

In ihrem Koalitionsvertrag haben CDU, CSU und SPD einen „strukturellen
Neuanfang“ in der Haushalts- und Finanzpolitik angekündigt. Nettoentlastun-
gen würden – so die Regierungsparteien – kaum zu realisieren sein. Ungeachtet
dessen beabsichtigt die Bundesregierung eine Unternehmensteuerreform umzu-
setzen, die „starke deutsche Unternehmen“ um – nach ihren eigenen Angaben –
6,5 Mrd. Euro jährlich entlasten soll. Angesichts unseriöser Finanzierungsrech-
nungen der Bundesregierung muss jedoch von einer Lücke in Höhe von rund
12 bis 15 Mrd. Euro jährlich ausgegangen werden. Damit knüpft die große
Koalition nahtlos an die ungerechte Verteilungspolitik der letzten Jahre an. Al-
lein die Senkungen der Steuersätze für Unternehmen und Besserverdienende
unter der damaligen rot-grünen Bundesregierung kosten die Bürgerinnen und
Bürger jährlich rund 23 Mrd. Euro. Eine Verbesserung der Investitionen und
Beschäftigtenzahlen war jedoch nicht zu verzeichnen. Im Gegenteil: Aufgrund
der Steuerausfälle insbesondere bei Ländern und Kommunen wurden die öffent-
lichen Investitionen massiv gesenkt, was gerade kleine und mittlere Unterneh-
men wirtschaftlich bedrohte bzw. ruinierte.

Die Unternehmensteuerreform 2008 wird mit der Herstellung internationaler
Wettbewerbsfähigkeit des Steuersystems und der Verbesserung der Standort-
attraktivität begründet. Die Bundesregierung fokussiert dabei im Wesentlichen
auf die Höhe des nominalen Steuersatzes. Demgegenüber ist die Europäische
Kommission in ihrem systematischen Vergleich der effektiven Steuerlast in den
EU-Mitgliedstaaten zu dem Ergebnis gekommen, dass die effektive Steuerbelas-
tung von Kapitalgesellschaften und Kapitaleinkommen (Implicit tax rates on
capital) in der Bundesrepublik Deutschland sehr gering ist. Im Vergleich mit
Frankreich, Großbritannien und Italien rangiert Deutschland mit deutlichem
Abstand am unteren Ende. In den Jahren 2002 bis 2004 lagen die Implicit tax

rates on capital bei 21,1 bis 21,7 Prozent. Dazu kommt, dass seit Jahren regel-
mäßig Umfragen unter internationalen Unternehmen zu dem Ergebnis geführt
haben, dass die Steuerbelastung gerade nicht auf Platz Eins der Liste der Stand-
ortfaktoren steht, sondern vielmehr Ausbildung, soziale und rechtliche Sicher-
heit, Infrastruktur für Unternehmen von wesentlicher Bedeutung sind. Dies be-
legt auch eine Studie der Unternehmensberatung Ernst & Young aus dem Jahr
2006. Danach ist die Bundesrepublik Deutschland aus Sicht internationaler Un-

Drucksache 16/5249 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

ternehmen der „attraktivste Standort“ in Europa. Als Gründe werden hier insbe-
sondere die Infrastruktur, die Qualität von Forschung und Entwicklung, Ausbil-
dung der Arbeitskräfte und Attraktivität des Binnenmarktes angeführt.

Anhaltende Entlastungen für Unternehmen und Vermögende haben dazu ge-
führt, dass sich die ungleiche Lastenverteilung zwischen Lohn- und Gewinnein-
kommen verstärkt hat und somit vor allem Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
mer die Erfüllung öffentlicher Aufgaben finanzieren. In den Jahren 1991 bis
2004 stiegen die Vermögenseinkommen um rund 43 Prozent und die Gewinne
um rund 27 Prozent, während Löhne und Gehälter nur einen Anstieg von 10 Pro-
zent verzeichnen konnten. Allein in 2006 wuchsen die Bruttolöhne um 0,7 Pro-
zent und die Gewinne der DAX-Unternehmen um 35 Prozent. Im Zeitraum von
1991 bis 2004 stieg die Steuerbelastung der Bruttolöhne und -gehälter von
rund 16 auf rund 18 Prozent, die durchschnittliche effektive Steuerlast der
Gewinn- und Vermögenseinkommen sank kontinuierlich auf unter 10 Prozent.
In der Folge werden rund drei Viertel des Steueraufkommens durch die Lohn-
steuer, Umsatz- und Verbrauchsteuern sowie die Mineralölsteuer aufgebracht.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die neuerliche Entlastung von Un-
ternehmen überflüssig ist. Zudem ist sie – angesichts wachsender Belastungen
von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen, z. B. durch die Neuordnung der
Entfernungspauschale, sowie der Empfänger und Empfängerinnen von Sozial-
transfers sowie der Anhebung der Mehrwertsteuer – gesellschaftspolitisch
schädlich. Notwendig ist vielmehr eine Unternehmensteuerreform, die Steuer-
vorteile für Unternehmen abbaut, Schlupflöcher schließt und dadurch – statt
Nettoentlastungen für Unternehmen – Steuermehreinnahmen für die öffent-
lichen Kassen generiert.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf,

eine Unternehmensteuerreform mit dem Ziel umzusetzen, dass die sozial ge-
rechte Beteiligung von Unternehmen an der Finanzierung öffentlicher Aufgaben
sichergestellt ist. Ausgangspunkt muss dabei – wie bei allen anderen Steuer-
pflichtigen – das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungs-
fähigkeit sein.

Wesentliche Eckpunkte sollen sein:

1. Der Körperschaftsteuersatz wird bei 25 Prozent beibehalten. Unternehmen
bzw. Unternehmer, die einkommensteuerpflichtig sind, unterliegen – wie alle
anderen Steuerpflichtigen auch – dem einheitlichen Einkommensteuertarif.
Der Spitzensteuersatz wird auf 50 Prozent angehoben.

2. Die steuerliche Bemessungsgrundlage von Unternehmen wird verbreitert.
Die Gewinne der Unternehmen sind realitätsnah und umfassend zu ermitteln,
Steuerbefreiungen und -gestaltungen abzuschaffen. Dazu gehören unter an-
derem

– die weitgehende Versagung der Bildung steuerlicher Rückstellungen,
davon ausgenommen sind Sachverhalte bezogen auf die materiellen An-
sprüche von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einschließlich der
Altersvorsorge,

– die weitgehende Streichung der Teilwertabschreibung,

– die Streichung der Körperschaftsteuerbefreiung von Gewinnen aus der
Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften und die Einführung
einer sachgerechten Besteuerung dieser Gewinne,

– die ertragswirksame Neubewertung bestimmter Wirtschaftsgüter von Un-
ternehmen, insbesondere der Immobilien zum Verkehrswert (fair value

nach IAS/IFRS).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5249

3. Die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die steuerliche Bemessungsgrund-
lage wird schrittweise zu Gunsten einer eigenständigen von der Handels-
bilanz unabhängigen steuerlichen Gesetzgebung aufgegeben. Damit werden
Maßnahmen zur Objektivierung der Steuerbilanz unternommen.

4. Die Voraussetzungen für die Begründung körperschaftsteuerlicher Organ-
schaften werden verschärft. Zukünftig müssen Unternehmen dafür – neben
der finanziellen Eingliederung und einem Ergebnisabführungsvertrag – ihre
wirtschaftliche und organisatorische Verflechtung nachweisen. Entsprechend
können Verluste und Gewinne von der Tochter- auf die Muttergesellschaft
nur bei Unternehmen zugerechnet werden, die diese Bedingungen erfüllen.

5. Konzerninterne Gestaltungsmodelle sind aufzudecken und zu unterbinden.
Dies betrifft insbesondere die Gestaltung von konzerninternen Verrechungs-
preisen bezüglich Waren und Dienstleistungen, Fremdfinanzierung, Lizenz-
vergabe sowie Funktionsverlagerung. Hierzu sind Betriebsprüfungen zu in-
tensivieren sowie die Prüfungen von Unternehmen bestimmter Größenklas-
sen grundsätzlich beim Bundeszentralamt für Steuern anzusiedeln. Die
Rechtsgrundlagen für Betriebsprüfungen sind deutlich zu verbessern, z. B.
durch die Aufhebung der unbeschränkten Beweislast der Finanzverwaltung
im Rahmen von Betriebsprüfungen, die Einführung einer allgemeinen Doku-
mentationspflicht bezüglich konzerninterner Transaktionen und gesetzliche
Normierung der geforderten Prüfungszuständigkeit des Bundes.

6. Einkünfte aus Kapitalvermögen werden, soweit sie im Inland anfallen, u. a.
durch obligatorische Kontrollmitteilungen der Banken an die Finanzämter
effektiver erfasst und bei allen Einkommensteuerpflichtigen wie bisher mit
dem Einkommensteuertarif besteuert. Veräußerungsgewinne von natürlichen
Personen sind ebenfalls in vollem Umfang steuerpflichtig.

Zur effektiven Erfassung von Einkünften aus Kapitalvermögen ist im inter-
nationalen Bereich eine intensive Kooperation zwischen den Finanzbehörden
der Staaten (z. B. Informationsaustausch) vehement voranzutreiben. Pläne
der Einführung einer Abgeltungsteuer werden damit verworfen.

7. Die Bundesregierung setzt sich im Sinne des Erhalts der Finanzierungs-
grundlage des Gemeinwesens auf internationaler Ebene intensiver gegen
Steuerwettbewerb und Steuerdumping ein. Unter anderem sind folgende
Maßnahmen zu ergreifen:

– Aktive Beteiligung an der Vereinheitlichung der Bemessungsgrundlage
für die Körperschaftsbesteuerung auf europäischer Ebene. Insbesondere
ist dabei darauf hinzuwirken, dass Gewinne der Unternehmen realitätsnah
und umfassend ermittelt sowie Steuerbefreiungen und -gestaltungen aus-
geschlossen werden;

– Einsatz für die Einführung eines Mindeststeuersatzes bei der Körper-
schaftsteuer in allen Mitgliedsländern der Europäischen Union;

– Engagement zur Verbesserung der Zusammenarbeit der Steuerverwaltun-
gen der EU-Mitgliedstaaten zur Verhinderung von Betrug und internatio-
naler Steuerhinterziehung sowie zur weiteren Verstärkung des Informa-
tionsaustausches zur korrekten Veranlagung direkter Steuern;

– Initiativen zur Sicherung des nationalen Besteuerungsrechts im Bereich
der Ertragssteuern;

– Ersatz der Freistellungs- durch die Anrechnungsmethode im Rahmen von
zukünftigen Neuverhandlungen von Doppelbesteuerungsabkommen.

Berlin, den 8. Mai 2007
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Drucksache 16/5249 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Begründung

Zu Nummer 1

Senkungen des Körperschaftsteuersatzes werden regelmäßig – so auch im Rah-
men der Unternehmensteuerreform 2008 – mit einer vorgeblich überdurch-
schnittlich hohen nominalen Belastung begründet. Verschiedene Untersuchun-
gen u. a. der OECD haben jedoch nachgewiesen, dass die effektive Belastung
von Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland weit unter der nominalen
liegt. So lag der Anteil der Gewinnsteuern am Bruttoinlandsprodukt bereits
2003 in der Bundesrepublik Deutschland nur bei 1,3 Prozent, während die
OECD-Quote 3,3 Prozent sowie die EU-19-Quote 3,1 Prozent betrugen. Die
Bundesrepublik Deutschland nahm damit den untersten Platz unter allen ausge-
wählten OECD-Staaten ein und entpuppt sich damit als Steueroase.

Mit der massiven Senkung des Steuersatzes zur Erhöhung der internationalen
Wettbewerbsfähigkeit setzt sich die Bundesregierung an die Spitze eines schäd-
lichen Steuerwettbewerbs. Allerdings werben zahlreiche europäische Staaten
für Ansiedlungen von Unternehmen nicht vordergründig mit einer Senkung des
Steuersatzes, sondern mit Sonderregelungen für Gestaltungsmodelle, so z. B.
die Niederlande und Belgien, so dass die Vorstellung einer Erhöhung der Wett-
bewerbsfähigkeit ohnehin fehlgeht.

Die steuerliche Entlastung durch die Senkung des Körperschaft- und die Kap-
pung des Einkommensteuersatzes für einbehaltene Gewinne auf 25 Prozent be-
schränkt sich auf große ertragsstarke Unternehmen. Drei Viertel der Personen-
unternehmen profitieren von der Senkung des Einkommensteuersatzes nicht.
Gestärkt werden nach dem ausdrücklichen Willen der Bundesregierung die Star-
ken. Dies führt zu einer weiteren Zunahme der ungleichen und ungerechten
Lastenverteilung. Dazu kommt, dass für den Fortbestand kleiner und mittlerer
Unternehmen die Vergabe von Aufträgen wichtiger ist als steuerliche Entlas-
tungen.

Zu Nummer 2

Das steuerrechtliche Maßgeblichkeitsprinzip schreibt die Orientierung der Vor-
schriften zur Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage von Unterneh-
men an der Handelsbilanz vor. Allerdings wurde dieses Prinzip in den vergange-
nen Jahren an verschiedenen Stellen, z. B. bei der Bewertung von Wirtschafts-
gütern und der Bildung von Rückstellungen, bereits aufgegeben.

Aufgabe der Handelsbilanz ist der Schutz der Gläubiger sowie die Befriedigung
ihres Informationsinteresses und des Informationsbedürfnisses der Öffentlich-
keit. Unternehmen müssen bei der Aufstellung der Handelsbilanz nach dem
Prinzip der kaufmännischen Vorsicht handeln. Entsprechend sind die Ansätze in
der Handelsbilanz regelmäßig niedrig angesetzt und der Blick auf die tatsäch-
liche Ertragslage von Unternehmen verstellt. Ergebnis des Maßgeblichkeitsprin-
zips ist damit ein niedriger steuerbilanzieller Gewinn.

Dies ist bezüglich der Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage
äußerst problematisch: Die Steuerbilanz hat anerkanntermaßen eine Zahlungs-
bemessungsfunktion. Adressaten der Steuerbilanz sind die Finanzbehörden. Die
steuerliche Bemessungsgrundlage soll die reale wirtschaftliche Leistungsfähig-
keit widerspiegeln. Ziel und Adressaten von Handels- und Steuerbilanz unter-
scheiden sich damit grundlegend. Deshalb ist das Durchschlagen des handels-
bilanzrechtlichen Vorsichtsprinzips und der Informationsfunktion auf die Höhe
von Ertragssteuern nicht sachgerecht. Im Rahmen der internationalen Rech-
nungslegung (US-GAAP, IAS/IFRS) existiert eine derartige Verknüpfung zwi-
schen Handels- und steuerbilanziellen Vorschriften im Übrigen nicht.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/5249

Eine verstärkt eigenständige steuerliche Bemessungsgrundlage sollte die gleich-
mäßige und objektive Messung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Un-
ternehmen unterschiedlicher Größe und Rechtsformen gewährleisten.

Zu Nummer 3

Die Bemessungsgrundlage für die Einkommen- und Körperschaftsteuer wurde
bereits in vergangenen Jahren, z. B. im Bereich der steuerlichen Rückstellungen,
verbreitert. Allerdings bestehen noch immer zahlreiche Möglichkeiten, zumin-
dest zeitweise die Steuerlast zu senken. In jüngsten Untersuchungen geht das
Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung davon aus, dass Steuervergünstigun-
gen und Gestaltungsmodelle ein Ausmaß von rund 5 Prozent des Bruttoinlands-
produkts (2003) annehmen, die der öffentlichen Hand an Steuereinnahmen ver-
loren gehen.

Insbesondere bilanzierende Unternehmer und Unternehmen können diese Mög-
lichkeiten über Bildung stiller Reserven nutzen. Bereits die rot-grüne Bundes-
regierung hat dies in ihrem Entwurf zum Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/
2002 festgestellt. Sie merkte an, dass durch die Bildung stiller Reserven „die Be-
steuerung entweder ganz oder teilweise über viele Jahre hinweg … vermieden“
wird. Dies zieht erhebliche Liquiditäts- und Zinseffekte für die Unternehmen
mit sich. Im Bereich der Rückstellungen entsteht durch die fortgesetzten Sen-
kungen des Körperschaftsteuersatzes sogar eine reale Steuerersparnis: Rückstel-
lungen wurden und werden in Jahren mit höheren Steuersätzen gebildet, später
aufgelöst und mit einem nunmehr gesenkten Steuersatz belastet.

Die weitgehende Versagung der Teilwertabschreibung und der Bildung steuer-
licher Rückstellungen stellt somit keine Steuererhöhungen dar, sondern nur eine
zeitliche Verschiebung der Besteuerung. Abweichend vom aktuellen Recht sol-
len Verluste nicht vorzeitig, sondern erst bei ihrer Realisierung steuerlich gel-
tend gemacht werden. Die tatsächliche wirtschaftliche Belastung besteht aus-
schließlich in den Zinseffekten einer vorgezogenen Steuerzahlung. Allerdings
sind diese aufgrund der Politik zahlreicher Unternehmen von Dauer: So zeigt die
Unternehmensbilanzstatistik der Deutschen Bundesbank, dass der Anteil der
Rückstellungen an der Bilanzsumme von 1994 bis 2004 konstant bei rund
19 Prozent lag.

Durch eine Neubewertung bestimmter Wirtschaftsgüter können bisher unver-
steuerte Wertzuwächse der Unternehmen steuerlich berücksichtigt werden.
Allein bei den Immobilien der Unternehmen könnten durch eine Anpassung der
Buch- an die Verkehrswerte und entsprechende Versteuerung mittelfristig rund
10 Mrd. Euro sowie durch die übrigen Vorschläge rund 9 Mrd. Euro jährlich
zusätzlich in die öffentlichen Haushalte fließen.

Zu Nummer 4

Kapitalgesellschaften müssen ihren Gewinn selbständig versteuern. Eine Aus-
nahme davon bildet in der Bundesrepublik Deutschland die Organschaft. Diese
bewirkt die Zurechnung aller Gewinne und Verluste von der Tochter- auf die
Muttergesellschaft. Dadurch entstehen bei der Muttergesellschaft vom ersten
Moment an Steuersenkungseffekte, während die Tochtergesellschaft, abgesehen
vom eng begrenzten Verlustrücktrag, diese Verluste frühestens nach einem Jahr
über den Verlustvortrag geltend machen könnte.

Grundsätzlich erscheint es sinnvoll, dass die wirtschaftliche Verbundenheit
sonst rechtlich selbständiger Unternehmen ihren Niederschlag im steuerlichen
Ergebnis findet. So geben Muttergesellschaften z. B. für ihre Tochterunterneh-
men Patronatserklärungen bei Banken ab oder bürgen Auftragsgebern bei Auf-
tragserteilung an die Tochter für bestimmte Risiken. Allerdings lässt eine bloße

Verflechtung über Beteiligungen noch keine „organische“ Verbundenheit an-

Drucksache 16/5249 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

nehmen. Vielmehr liegt in zahlreichen Fällen die Vermutung nahe, dass aus-
schließlich ein Konstrukt zur Steuervermeidung geschaffen werden soll. Vor
diesem Hintergrund werden die Anforderungen an die Bildung einer Organ-
schaft erhöht.

Zu Nummer 5

Um eine Besteuerung von Unternehmen nach ihrer wirtschaftlichen Leistungs-
fähigkeit durchzusetzen, ist eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage nicht
ausreichend. Konzerne nutzen den internen Handel mit Dienstleistungen,
Waren, Lizenzen und Krediten zur Verlagerung von Verlusten und Gewinnen. In
diesem Zusammenhang stellen Verrechnungspreise ein wesentliches Instrument
zur Senkung der Konzernsteuerquote dar. Allerdings sind neue gesetzliche Re-
gelungen problematisch, da auch diese und vor allem die Ausweichreaktionen
von Unternehmen wiederum kontrolliert und verhindert werden müssen. Des-
halb ist der Intensivierung der Arbeit der Finanzbehörden und der Verbesserung
der entsprechenden Rahmenbedingungen zunächst Vorrang zu geben.

Ein wesentlicher Schritt in diese Richtung war bereits die Stärkung der Doku-
mentationspflichten von Unternehmen in den letzten Jahren. Bei zahlreichen
konzerninternen Transaktionen besitzen die gehandelten Güter und Dienstleis-
tungen ein Alleinstellungsmerkmal. Fremdvergleiche stoßen hier an ihre Gren-
zen. Deshalb ist es im Rahmen von Unternehmensprüfungen notwendig, die
Gesamtsituation des Unternehmens zu betrachten. Dazu sind z. B. allgemeine
Dokumentationspflichten der Unternehmen sowie eine Verstärkung und Zentra-
lisierung der prüfenden Behörden notwendig.

Die Zentralisierung der Betriebsprüfungen kann weiterhin den nachweisbaren
Druck der Landesregierungen auf die Finanzbehörden schmälern, mittels groß-
zügiger Unternehmensbesteuerung regionale Wirtschaftsförderung zu betrei-
ben.

Zu Nummer 6

Die Besteuerung der Kapitaleinkünfte mit dem Einkommensteuertarif entspricht
dem Gebot der Gleichbehandlung aller Steuerbürgerinnen und -bürger. Gleich
hohe Einkünfte – unabhängig von ihrer Herkunft – müssen auch gleich hoch be-
steuert werden. Dazu kommt, dass Kapitaleinkünfte – wie Arbeitseinkommen
auch – Ausdruck wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit sind und entsprechend mit
dem progressiven Tarif zu besteuern sind. Die Einführung einer Abgeltung-
steuer wird zu erheblichen Entlastungen von Steuerpflichtigen mit hohen Zins-
einkünften führen. Da gemäß den Einkommensteuerstatistiken insbesondere
Menschen mit hohen Gesamteinkünften einen überproportional hohen Anteil an
Kapitaleinkünften haben, werden dadurch Menschen mit hohen Einkünften be-
sonders entlastet. Dies spitzt die vorherrschende Verteilungsungerechtigkeit
weiter zu.

Zu Nummer 7

Auf internationaler Ebene herrscht seit Jahren ein intensiver Steuersenkungs-
wettbewerb. Versuche, dieses Steuerdumping zu verhindern, z. B. durch den
Code of Conduct (Maßnahmepaket zur Bekämpfung des schädlichen Steuer-
wettbewerbs in der Europäischen Union), waren bisher nicht erfolgreich. Einer-
seits können Konzerne und Besserverdienende in einigen westeuropäischen
Staaten durch Gestaltungsmodelle ihre Steuerlast minimieren. Andererseits
haben verschiedene osteuropäische Staaten ihren Körperschaftsteuersatz auf
null gesenkt. Vor diesem Hintergrund müssen alle Versuche der Bundesregie-
rung, beim Steuerdumping „mitzubieten“, scheitern. Sie gefährden – im Gegen-

teil – die finanzielle Grundlage des Gemeinwesens. In diesem Zusammenhang
geht die Annahme der Bundesregierung, dass durch die Senkung der Steuersätze

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/5249

im Zuge der Unternehmensteuerreform 2008 Anreize geschaffen werden, im
Inland erzielte Gewinne auch im Inland zu versteuern, in die Irre.

Deshalb sind zunehmend Maßnahmen auf internationaler Ebene notwendig, um
den ökonomischen, sozialen und fiskalischen Zusammenhalt in der Europäi-
schen Union und eine sozial und leistungsgerechte Besteuerung in der Bundes-
republik Deutschland zu garantieren.

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.