BT-Drucksache 16/5207

Streu- und Artilleriemunition der Bundeswehr

Vom 30. April 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5207
16. Wahlperiode 30. 04. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Alexander Bonde, Winfried Nachtwei, Marieluise Beck
(Bremen), Volker Beck (Köln), Dr. Uschi Eid, Thilo Hoppe, Ute Koczy, Renate
Künast, Fritz Kuhn, Kerstin Müller (Köln), Claudia Roth (Augsburg), Rainder
Steenblock, Jürgen Trittin und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Streu- und Artilleriemunition der Bundeswehr

Die Bundesregierung will sich international für ein Verbot solcher Streumuni-
tion einsetzen, deren „für Personen gefährliche Blindgängerrate bei über einem
Prozent liegt“. Die Bundesregierung hat zudem erklärt, für die Bundeswehr
keine neue Streumunition mehr anzuschaffen und nach und nach die Bestände
an „gefährlicher“ Streumunition mit einer Blindgängerrate von über einem Pro-
zent abzubauen und alternative Wirkmittel einzuführen. Die Bundesregierung
will prüfen, ob sie in weniger als zehn Jahren vollständig auf Streumunition ver-
zichten kann.

Bis zum vollständigen Verzicht auf Streumunition will die Bundeswehr weiter-
hin große Mengen an Streumunition, darunter auch solche, die über eine Blind-
gängerrate von deutlich mehr als einem Prozent verfügt, im Bestand halten. In
der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Bundestagsdrucksache 16/2456) hat die Bundes-
regierung angekündigt, zu Einsatzzwecken auch weiterhin an der Mehrzweck-
waffe MW-1, den 155-mm-Artilleriegeschossen DM 642 (63 Submunitionen),
DM 652 (49 Submunitionen), DM 702 und „bei zwingendem Erfordernis“ auch
am Einsatz des 155-mm-Artilleriegeschosses DM 632 (63 Submunitionen) so-
wie der M26- Rakete (644 M77-Submunitionen) festzuhalten.

Laut Bundeswehr erfüllen neben der Mehrzweckwaffe MW-1 die Artillerie-
geschosse DM 642 und DM 652 derzeit die Sicherheitsanforderungen (Blind-
gängerrate von weniger als einem Prozent), die mit dem sog. Acht-Punkte-
Positionspapier festgelegt wurden. Die Bundeswehr verfügt derzeit noch über
mindestens 90 000 Artilleriegeschosse Kaliber 155 mm, die insgesamt
ca. 4 bis 5 Millionen Submunitionen enthalten. Die 155-mm-Artillerie-
geschosse DM 632, DM 642 und DM 652 sind dabei laut Bundesministerium
der Verteidigung und Jane’s Information Group mit dem Submunitionstyp
DM 1383 ausgestattet.

Laut Jane’s Ammunition Handbook 2004–2005 wird die DM-1383-Submuni-

tion seit 1996 von der Firma Rheinmetall in Kooperation mit der israelischen
Rüstungsindustrie hergestellt. Die israelische Bezeichnung für die deutsche
DM-1383-Submunition lautet M85. Das Mine Action Coordination Centre
South Lebanon der Vereinten Nationen gibt an, dass im Laufe des Libanon-
krieges 2006 neben M77-Streumunition auch Streumunition des Typs M85
eingesetzt wurden. Bei knapp fünf Prozent der bis zum 21. Oktober 2006 von

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den Vereinten Nationen gefundenen und zerstörten Streumunitionsblindgängern
handelt es sich um M85-Munition. Der M85-Anteil, der im gleichen Zeitraum
von der libanesischen Armee gefundenen Blindgänger beläuft sich auf
ca. sechs Prozent. Die Angaben aus dem Libanon stimmen nicht mit den An-
gaben der Bundeswehr überein.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Warum will die Bundesregierung auf absehbare Zeit weiterhin an der Option
zum Einsatz von Streumunition – „bei zwingendem Erfordernis“ sogar am
Einsatz des 155-mm-Artilleriegeschosses DM 632 – festhalten, und teilt die
Bundesregierung die Einschätzung, dass durch das Festhalten an der Ein-
satzoption die internationale Glaubwürdigkeit des Eintretens der Bundes-
regierung für ein Verbot von Streumunition leidet?

2. Hat die Bundeswehr Streumunition in ihrem Bestand, die von Bündnis-
partnern in der NATO bzw. Israel in den vergangenen Jahren eingesetzt wur-
den?

Wenn ja, um welche Streumunitionstypen handelt es sich dabei, und wie ist
die deutsche Munitionsbezeichnung?

3. Warum wurde für die israelische M85-Submunition in Deutschland die
Bezeichnung DM 1383 bzw. DM 1385 eingeführt, und was unterscheidet
die Submunition M85 von den Submunitionen DM 1383 bzw. DM 1385?

4. Wer ist der Hersteller der Submunitionen DM 1383 bzw. DM 1385?

5. Welche Artilleriemunition und welche Raketen sind mit der Submunition
DM 1383, welche mit der Submunition DM 1385 bestückt?

Wie viele Submunitionen dieses Typs wurden jeweils beschafft, und wie
groß ist der aktuelle Bestand?

6. Wie hoch sind die zertifizierten Blindgängerraten der DM 1383 bzw.
DM 1385, und von wem wurden diese zertifiziert bzw. wo wurden die Test-
ergebnisse veröffentlicht?

Verfügt die Bundeswehr über Submunitionen des Typs DM 1383 und
DM 1385 ohne Selbstzerstörungsmechanismus?

7. Bis auf welche Entfernung ist die Splitterwirkung der Submunitionen
DM 1383 bzw. DM 1385 tödlich?

8. Verfügt die Bundeswehr auch über Artilleriemunition anderen Kalibers
(z. B. M335, M350, M351), die mit den Submunitionen DM 1383 bzw.
DM 1385 bestückt ist?

9. Welche in Israel (teil-)produzierten Submunitionen für Artilleriemunition
wurden für die Bundeswehr seit 1990 beschafft?

10. Wurden bzw. werden Submunitionen in Lizenz von deutschen Unterneh-
men produziert, bzw. haben deutsche Firmen Lizenzen zur Produktion sol-
cher Submunitionen vergeben?

11. Welche Kooperationsprojekte in Bezug auf Artilleriemunition zwischen der
deutschen und israelischen Rüstungsindustrie sind der Bundesregierung be-
kannt?

12. Wie viel und welche Artilleriemunition bestückt mit Submunition wurde von
Deutschland aus oder über deutsche Vermittler in den letzten zehn Jahren ex-
portiert und in welche Länder?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5207

13. Verfügt die Bundeswehr über Artilleriemunition des Typs M395 bzw. M396
oder M397, und wenn ja, für welche Einsatzszenarien ist diese Munition
jeweils vorgesehen?

14. Verfügt die Bundeswehr über Artilleriemunition des Typs M366, M373
bzw. M116, und wenn ja, für welche Einsatzszenarien ist diese Munition
jeweils vorgesehen?

15. Verfügt die Bundeswehr über Artilleriemunition des Typs DM 662, und mit
welcher Submunition ist diese ausgestattet?

16. Verfügt die Bundeswehr über Raketen des Typs ER-MLRS M26A1, und
wenn ja, für welche Einsatzszenarien ist diese Munition vorgesehen?

17. Welche Submunitionen beinhalten die Artilleriemunitionen DM 602 bzw.
DM 612?

Berlin, den 30. April 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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