BT-Drucksache 16/4909

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schützen - unbezahltes Probearbeiten verhindern

Vom 29. März 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4909
16. Wahlperiode 29. 03. 2007

Antrag
der Abgeordneten Werner Dreibus, Kornelia Möller, Dr. Barbara Höll, Ulla Lötzer,
Dr. Herbert Schui, Dr. Axel Troost, Sabine Zimmermann und der
Fraktion DIE LINKE.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schützen – unbezahltes Probearbeiten
verhindern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern steht über dem Grund-
satz der Vertragsfreiheit. Schutzrechte haben das Ziel, der Vertragsfreiheit zu-
gunsten der Beschäftigten Grenzen zu setzen. Eine Rechtsprechung, die unent-
geltliches „Probearbeiten“ in Form eines „Einfühlungsverhältnisses“ unter Be-
zug auf die Vertragsfreiheit für zulässig erklärt, muss korrigiert werden. Durch
„Einfühlungsverhältnisse“ werden Schutzrechte der Beschäftigten umgangen
und einem Lohnwucher sowie Lohndumping Vorschub geleistet.

Vor dem Hintergrund der bereits bestehenden – rechtlich abgesicherten –
Möglichkeit, Probearbeitsverhältnisse von bis zu sechs Monaten zu verein-
baren, besteht keine Notwendigkeit für die Vereinbarung von „Einfühlungs-
verhältnissen“.

Es muss verhindert werden, dass Arbeitgeber die Zwangslage von Erwerbs-
losen ausnutzen können, nur um dadurch kurzfristig unbezahlte Arbeitskräfte
zu haben. Jegliche Einarbeitungs- und Probearbeitszeiten müssen als Arbeits-
verhältnis gelten und entsprechend tariflich oder ortsüblich entlohnt werden,
mindestens aber gemäß einem Mindestlohn von 8 Euro pro Stunde.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

einen Gesetzentwurf vorzulegen, der klarstellt, dass „Einfühlungsverhältnisse“
unzulässig sind und entsprechende Schutzrechte über dem Grundsatz der Ver-
tragsfreiheit stehen. Dieser Gesetzentwurf muss eine gesetzliche Präzisierung
beinhalten, dass „Probearbeiten“ und „Testphasen“ immer in Form eines Probe-
arbeitsverhältnisses mit Vergütungsanspruch erfolgen müssen.
Berlin, den 29. März 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Drucksache 16/4909 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Begründung

Wegen der schlechten Situation auf dem Arbeitsmarkt sehen sich immer wieder
Erwerbslose gezwungen, „Einfühlungsverhältnisse“ mit schlechter oder gar
keiner Bezahlung einzugehen, bevor sie einen regulären Arbeitsvertrag erhal-
ten. Wenn Erwerbslose versuchen, sich hiergegen juristisch zur Wehr zu setzen,
werden diese „Einfühlungsverhältnisse“ mit Verweis auf die Vertragsfreiheit
für zulässig erklärt (vgl. Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 24. Mai
1989, 15 Sa 18/89 sowie das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom
25. Juli 2002, 3 Sa 83/02).

Schutzrechte für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer setzen allerdings der
Vertragsfreiheit Grenzen. Dadurch wird versucht, das Machtungleichgewicht
zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern zumindest partiell auszugleichen.
Durch die Möglichkeit, ein „Einfühlungsverhältnis“ zu vereinbaren (das nicht
länger als eine Woche dauern darf), werden solche Schutzrechte umgangen und
Lohnwucher (auffällig negatives Missverhältnis zwischen Arbeitsleistungen
und Entgelt) betrieben. Arbeiten ohne Entgelt läuft zudem § 612 des Bürger-
lichen Gesetzbuchs zuwider, nach dem die Vereinbarung eines Arbeitsverhält-
nisses grundsätzlich zu einem Vergütungsanspruch führt. Problematisch ist
auch, dass während eines „Einfühlungsverhältnisses“ weder Sozialabgaben
noch Steuern gezahlt werden, was zu einer weiteren Erosion der Einnahmebasis
der Sozialversicherungen und der Steuern beiträgt.

In der Antwort auf eine Kleine Anfrage (Bundestagsdrucksache 16/1706)
schreibt die Bundesregierung, dass es sich ihrer Auffassung nach bei dem „Ein-
fühlungsverhältnis“ um ein Rechtsverhältnis eigener Art handelt. Dies diene
dem Zweck, „einem potenziellen Arbeitnehmer die Möglichkeit zu geben, die
betrieblichen Gegebenheiten kennen zu lernen und die Voraussetzungen der
Zusammenarbeit für ein späteres Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis zu
klären“. Diese Ziele können aber auch durch ein Praktikum oder ein Probe-
arbeitsverhältnis verfolgt werden, ohne die negativen Folgen für die Beschäf-
tigten.

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